V

Das Lager

[210] Die Expedition des Don Estevan de Arechiza hatte unweit des Rio Gilo ihr Lager bezogen, nachdem sie während einer Wanderung von zehn Tagemärschen den Indianern und den Hindernissen der Wüste einen ziemlich starken Tribut bezahlt, das heißt, nachdem sie über zwanzig der Ihrigen unterwegs verloren hatte.

Aber trotz dieser Schwächung waren doch zwischen diesen weißen Abenteurern und den zur Vertheidigung ihres Territoriums stets bereiten Indianern die Chancen ziemlich gleich. Auf beiden Seiten entwickelte man dieselbe Schlauheit, und die Habsucht der einen hielt der Unversöhnlichkeit der anderen das Gegengewicht.

Indessen war der Enthusiasmus der sechzig Männer lange nicht mehr so feurig wie an dem Tage, an welchem sie unter Kanonendonner und dem freudigen Zurufe der Besatzung und Einwohnerschaft von Tubac voll Siegeshoffnungen abgezogen waren.

Gleichwohl war von Don Estevan, welcher mit merkwürdigem Takte Alles vorauszusehen schien, keine nothwendige Vorsichtsmaßregel aus dem Auge gelassen worden.[210] Bisher hatte bei ähnlichen Expeditionen ein Jeder auf eigene Faust gehandelt und sich in Beziehung auf die Vertheidigung nur auf sich selbst, seine Waffen und sein Pferd verlassen. Der Spanier dagegen hatte diese heterogenen Elemente disziplinirt und zum Gehorsam gezwungen.

Die Wagen, welche er gekauft hatte, dienten sowohl als Transport-, als auch als Vertheidigungsmittel. So wanderten einst die Völker des Nordens, wenn sie beschlossen hatten, den Süden Europa's zu überfluthen.

Don Arechiza hatte diese Taktik aus den Vereinigten Staaten eingeführt, deren Bewohner dazu bestimmt zu sein scheinen, die Wüsten des amerikanischen Kontinentes zu bevölkern und der Kultur unterthan zu machen. Und so war es unter seiner geschickten und kraftvollen Leitung der Expedition gelungen, weiter in die Wüsten und das Gebiet der Apachen vorzudringen, als irgend eine andere vor ihr.

Als heut Don Estevan mit Cuchillo den Lagerort bestimmt hatte, sprach er die Hoffnung aus, daß die Bonanza nun nicht mehr weit entfernt sein könne.

»Wenn mich nicht alles trügt, befindet sie sich allerdings in der Nähe. Wollen Sie mir wohl erlauben, mir die Gegend zu besehen, während Sie das Aufschlagen des Lagers überwachen?«

»Geht! Aber verliert Euch nicht und hütet Euch, den Indianern in die Hände zu fallen.«

Ueber das Gesicht Cuchillo's ging ein eigenthümliches Lächeln.

»Haben Sie keine Angst um meine Person, Sennor Estevan. Ich bin zwar einem Weißen gegenüber zuweilen[211] ungeschickt, doch wenn ich es mit den rothen Teufeln zu thun habe, so geht weder Stoß noch Schuß daneben.«

»Wie dort auf der Hazienda und in dem Walde dabei!«

»Dieser Tiburcio ist ja selbst so verständig gewesen, meine Fehler so zu verbessern, daß Sie zufrieden sein können. Bei der Beschaffenheit dieser Gegend ist es sehr möglich, daß ich die Richtung des Lagers verliere. Wollen Sie für einen Wegweiser sorgen?«

»Welchen?«

»Laßt die Feuer so brennen, daß ihr Rauch deutlich zu sehen ist.«

»Das kann die Wilden herbeiführen.«

»Heut sicher nicht. Petro Diaz ist wirklich ein ganzer Kerl. Er hat die Rothen durch einige wohl berechnete Schwenkungen so getäuscht, daß es ihnen gar nicht einfallen wird, uns hier zu suchen.«

»Nur unter dieser Voraussetzung werde ich Euren Wunsch erfüllen, der eigentlich eine große Unvorsichtigkeit von mir fordert.«

Cuchillo setzte sich auf seinen Apfelschimmel und ritt davon.

»Ja, mein lieber Don Arechiza oder Graf Antonio de Mediana, eine große Unvorsichtigkeit ist es, ein solches Feuer zu brennen,« lächelte er schadenfroh vor sich hin. »Aber gerade was Sie befürchten, das wünsche ich! Die Wilden sollen das Lager sehen und es angreifen!«

Er hielt seine Richtung dem Osten zu.

»Sechzig Mann! Das sind ihrer viel zu viel; die Bonanza zerfällt dadurch in zu geringe Antheile. Ich werde dafür sorgen, daß der größte Theil dieser habsüchtigen[212] Leute in das Gras beißt. Je mehr von ihnen die indianischen Kugeln fressen, desto größer wird der Zehnttheil, den ich zu fordern habe, und wenn die Wilden nicht aufmerksam sind, so werde ich sie nöthigen, es zu sein!«

Er war wohl noch keine halbe Stunde lang über die Ebene dahingeritten, als er zahlreiche Spuren bemerkte.

»Das sind Apachen; man erkennt sie an den Hufspuren der Pferde, welche unbeschlagen sind.«

Er untersuchte sie aufmerksam.

»Sie sind von da drüben heraufgekommen und weit über hundert Mann stark. Das würde zum Verderben der Karavane führen und zu dem meinigen mit. Ich werde warten, bis das Lager befestigt ist, dann wird die Expedition wenigstens nicht vollständig aufgerieben.«

Er stieg vom Pferde und warf sich auf den Boden. Er konnte von der Erhöhung aus, auf welcher er lag, die Umgegend nach allen Seiten hin übersehen und hatte also keine Ueberrumpelung zu befürchten.

»Es wird eine Belagerung geben und Kämpfe, an denen ich sicher nicht theilzunehmen brauche, denn der einzige Wisser der Bonanza muß geschont werden. Während dieser Belagerung finde ich sicher Gelegenheit, einmal allein nach dem Goldthale zu kommen und ein weniges zu meinem Vortheile zu unternehmen. Das Placer ist eigentlich heut noch mein; ich habe es bezahlt mit einem guten Messerstiche.«

Er zog eine Cigarritto hervor und steckte sie in Brand.

»Es war ein fürchterlicher Kampf – Leben um Leben, Tod um Tod. Dieser Marcos Arellanos war ein starker Mann und mir weit überlegen, und wenn ich ihm[213] die Hauptwunde nicht schon im Schlafe beigebracht hätte, so weiß ich nicht, wer in dem Wasser des Gilo verschwunden wäre, er oder ich.«

Er schien sich an dem Erfolge des damaligen Kampfes zu weiden; seine Mienen drückten die größte Befriedigung und Selbstgefälligkeit aus.

»Den sichersten Stich freilich, den ich gethan habe, that ich damals auf Elanchovi, als ich noch Juan genannt wurde; er brachte mir einige hundert Unzen ein, obgleich ich den kostbaren Pack aufgeben mußte, weil dieser Miquelete dazwischen kam. Wunderbar! Jetzt ist er Bärenjäger und muß hier in Mexiko mit uns zusammentreffen. Begegnet er mir noch einmal, so werde ich mit ihm zusammenrechnen. Das verlorene Paket muß er mir dann bezahlen, so wahr ich Cuchillo heiße, wenigstens einstweilen, denn wer will es mir verwehren, einen hohen Namen zu tragen, wenn ich die Bonanza ausgebrütet habe?«

Er wartete wohl eine Stunde lang, dann stieg er wieder auf das Pferd und ritt langsam und vorsichtig den vorgefundenen Spuren nach.

In der Richtung des Lagers stieg ein hoher, weißer Rauch empor.

»Ah, sie sind bei der Schmiede und beim Kochen! Die Verschanzung ist fertig, und ich kann nun die Wilden holen.«

Er gab dem Pferde größere Schnelligkeit und gelangte bald an einen Hügel, von welchem aus sich ihm der Anblick bot, welchen er suchte. Er sah die Indianer vor sich; zugleich aber bemerkten sie auch ihn und erhoben ein fürchterliches Geheul.

In der Richtung nach dem Flusse hin sah er etwa[214] zwanzig von ihnen über die Ebene eilen. Es war die Abtheilung, welche gegen die drei Jäger auf der Insel gesandt worden war. Die Uebrigen setzten sich, die Lanzen schwingend, gegen ihn in Bewegung.

Er warf sein Pferd herum und eilte zurück, doch trieb er sein Thier nicht mehr an, als unbedingt nöthig war, einen sichern Vorsprung vor den Wilden zu erhalten. Es lag ihm nicht das Mindeste daran, Don Arechiza vor der Zeit von dem ihm drohenden Angriffe zu unterrichten. Auch wußte er, daß die Indianer ihre Angriffe am liebsten beim Dunkel der Nacht unternehmen, und daher wunderte er sich nicht, daß sie nicht an eine eifrige Verfolgung seiner Person gingen, sondern ihm im langsamsten Schritte nachritten.

Er hatte noch nicht die Hälfte des Weges bis zum Lager zurückgelegt, da vernahm er in der Richtung des Flusses einen Schuß, dem nach kurzer Zeit mehrere folgten. Der Kampf zwischen den Apachen und der Besatzung der Insel hatte begonnen.

Erschrocken blieb er halten; er konnte dies ohne Gefährdung seiner Person thun, denn auch die Indianer hinter ihm hatten Halt gemacht. Wer konnte es sein, der dort schoß? Es gelang ihm nicht, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Für sich sah er keinerlei Gefahr, und so beschloß er, seinen Weg nicht eher fortzusetzen, als bis er durch eine weitere Bewegung der Apachen dazu gezwungen sei. –

Auch im Lager hatte man die Schüsse vernommen und sich in allerlei Vermuthungen ergangen.

Don Estevan hatte lange Zeit vergebens auf die Rückkehr Cuchillo's gewartet, und als dieser nicht kam, ihm[215] einen Boten nachgesandt, der leider den Wilden in die Hände fiel und vor den Augen Bois-rosé's, Pepe's und Fabians erwürgt und skalpirt wurde.

Der Führer der Expedition hatte nicht die geringste Veranlassung, seinem früheren Matrosen weiter zu trauen, als er ihn zu sehen vermochte. Bei reiflicher Ueberlegung fand er, daß dieser eigentlich gar keine Veranlassung habe, sich allein vom Lagerplatze zu entfernen. Cuchillo kannte den Ort, wo die Bonanza zu finden war, doch sicherlich so gut, daß er ihn, in der Nähe desselben angekommen, gar nicht erst zu suchen brauchte. Dazu mußte Don Arechiza an das sonderbare Verlangen, ein hochrauchendes Feuer zu brennen, denken, und konnte sich einer geheimen Befürchtung nicht erwehren.

Es war Abend geworden.

Rothe Wolken bezeichneten im Westen noch die feurige Spur der Sonne. Die Erde begann, sich durch die Frische der Nacht abzukühlen, und je mehr im Westen die letzten Reflexe erblühen, desto lichter wurde die emporsteigende Sichel des Mondes, bei dessen Scheine das Lager einen wirklich pittoresken Anblick darbot.

Auf dem Hügel, welcher das Letztere beherrschte, erhob sich das Zelt des Anführers mit seinem himmelblauen Banner und goldenen Sternen, ähnlich denen des Himmels, welcher sich über demselben wölbte. Ein schwaches Licht, das durch die Leinwand hindurchschimmerte, zeigte an, daß der Chef für Alle wache. Ein Feuer, dessen Herd ein in die Erde gegrabenes Loch war, verbreitete über den Boden hin einen röthlichen Schein.

Im Falle eines nächtlichen Angriffes konnten Haufen von Reisbündeln, welche in gewissen Entfernungen aufgestapelt[216] lagen, zu gleicher Zeit angezündet werden und eine Helle verbreiten, welche wohl geeignet war, das Tageslicht zu ersetzen.

Gruppen von Abenteurern, die entweder auf dem Boden lagen oder mit der Bereitung des Abendessens beschäftigt waren, befanden sich zwischen den Pferden und Saumthieren, die aus Trögen von Leinwand ihre Ration Mais fraßen. Die Sorglosigkeit, welche bei diesen Gruppen herrschte, bewies, daß die Männer sich in Betreff ihrer Vertheidigung ganz auf die Wachsamkeit des von ihnen gewählten Oberhauptes verließen.

Am Fuße des Zeltes saß ein Mann, in welchem wir Oroche erkennen. Seine langen Haare, seine Mandoline, welche neben der Büchse liegt, und die Mantelüberreste, in die er sich so majestätisch gehüllt hat, lassen gar keinen Zweifel aufkommen.

Jenseits der Verschanzung versilberten die Strahlen des Mondes die Ebene, über welche die Caktus- und Nopalpflanzen gewaltige Schatten warfen. Das Nachtgestirn irisirte den Nebel, welcher, westlich vom Lager, am Horizonte die Spitzen einer Bergkette bedeckte, und beleuchtete auch die Wachen, die, mit dem Karabiner im Arme, spähenden Auges auf- und abgingen.

Unter den zunächst bei den Wagen liegenden Männern befanden sich Benito, der alte Diener Arechiza's, Baraja und Petro Diaz.

»Sennor Benito,« frug Baraja. »Ihr seid so geschickt im Erklären aller Geräusche der Wüste und der Wälder. Könnt Ihr uns wohl sagen, was die Flintenschüsse bedeuten, die wir den ganzen Nachmittag gehört haben?«[217]

»Ich kenne die Sitten dieser Indianer nur wenig; indessen – –«

»Indessen – –? Sagt doch, was Ihr sagen wollt, und erschreckt uns nicht so, wie in jener fürchterlichen Tigernacht!«

»Indessen bin ich in meiner Jugend ihr Gefangener gewesen, und habe die Ansicht, daß ich mir ihr Flintenfeuer nicht erklären kann, wenn sie nicht etwa – –«

»Nun? Nicht etwa – –?«

»Nicht etwa einen Gefangenen, der in ihre Hände gefallen ist, zu Tode martern.«

»Ihr wollt sagen, daß diese Wilden ihre Gefangenen schlecht behandeln?«

»Das nicht, aber zu Tode zu martern verstehen sie dieselben ganz gehörig.«

»Und was sind das für Martern?«

»Vielerlei, und oft so schlimme, daß die Abziehung der Kopfhaut, das Instückereißen des Körpers und eine langsame Verbrennung eigentlich nur ein Spaß genannt werden muß.«

»Teufel! Hoffentlich martern einen die Wilden nur dann, wenn sie Ursache haben, erbittert zu sein!«

»Denkt Ihr? Sie thun es im Gegentheile gerade dann am liebsten, wenn sie bei guter Laune sind. Und das sind sie stets, wenn sie Gefangene haben. Sollte das Unglück es wollen, daß Ihr einmal in ihre Hände kommt, Sennor Baraja, so bittet zu Gott, daß die Apachen dann gerade bei schlechter Laune sind, denn dann kommt Ihr mit einer zwar abscheulichen aber doch ganz kurzen Marterweg.«

»Wie lange dauert diese kurze Marter?«[218]

»Rathet einmal!«

»Nun, vielleicht fünf bis sechs Minuten! Oder ist das vielleicht schon um ein weniges zu lang, wie ich beinahe denken möchte?«

»Sagt lieber fünf bis sechs Stunden! Ich sage Euch sogar, daß sie zuweilen ein Bischen länger dauert, aber –«

»Länger dauert, aber – – –?«

»Aber nie darunter! Im Uebrigen werdet Ihr wohl ganz gut beurtheilen können, ob eine sechsstündige Marter einer vierundzwanzigstündigen bisweilen nicht vorzuziehen ist. Denn unter allen Todesarten ist diejenige am grausamsten, welche darin besteht, daß man den Menschen vor Furcht sterben läßt.«

»Geht zum Teufel mit Euren Geschichten!« rief Baraja. »Ich weiß nicht, warum ich ein solcher Thor bin, Euch nach diesen Dingen zu fragen!«

»Was ich sage, ist zwar entsetzlich, aber lehrreich. Und da Ihr jeden Augenblick den Wilden in die Hände fallen könnt, so ist es doch gut, wenn Ihr wißt, was Euch in diesem Falle erwartet. Es ist das ein sehr guter Trost, in Ermangelung eines bessern.«

»Wenn Ihr keinen bessern Trost wißt, so ist das Handwerk eines Goldsuchers das abscheulichste, welches es gibt! Also Ihr waret in indianischer Gefangenschaft?«

»In meiner Jugend, wie ich Euch bereits sagte.«

»Und sie haben Euch auch gemartert?«

»Gemartert gerade nicht. Es kommt darauf an, wie man es nimmt!«

»Nun, was thaten sie? In welcher Laune befanden sie sich?«

»In einer sehr schlechten. Wir hatten viele Leute[219] getödtet; ich war ganz allein in ihre Hände gerathen, und mußte darum ihre Rache auch ganz auf mich allein nehmen.«

»Wurdet Ihr skalpirt?«

»Nein; denn Ihr seht ja, daß ich meine Haare noch habe. Sie beriethen zunächst, ob ich skalpirt, lebendig geschunden, in Stücke zerschnitten oder langsam von unten herauf gebraten werden sollte, und kamen zu dem Entschlusse, daß dies alles später geschehen solle, nachdem –«

»Nachdem – – –? So macht doch keine solchen Pausen. Es ist ja, als solle man selbst auch geschunden werden!«

»Nachdem ich ihnen als Ziel für ihre Schießübungen gedient habe.«

»Wie wird das angestellt?«

»Sehr einfach! Ich wurde an einen Baum gebunden und diente von Sonnenaufgang bis zum Niedergange ihren Karabinern als Scheibe. Jeder Krieger kam herbei, zielte nach meinem Kopfe und schoß.«

»In den Kopf?«

»Nein, denn sonst lebte ich ja nicht mehr,« versicherte Benito mit möglichstem Ernste. »Sie schossen mit Absicht daneben, um meine Todesangst möglichst zu verlängern. Ich habe auf diese Weise zweihundert und vierundachtzig Flintenschüsse ausgehalten. Ich zählte sie, um mich zu zerstreuen, denn ich langweilte mich fürchterlich.«

»Zweihundert und vierundachtzig! Aber Sennor Benito, ist das auch wahr? Sind es nicht einige Schüsse zu viel?«

»Ich kann keinen einzigen nachlassen!«[220]

»Und Ihr denkt, daß sie heut Jemand gemartert haben?«

»Es ist sehr möglich.«

»Wer mag das gewesen sein?«

»Vielleicht der Bote, welchen Don Estevan nach Cuchillo gesandt hat. Beide sind noch nicht zurück. Es ist möglich, daß Beide gefangen worden sind. Wenn sie uns den Ort nicht verrathen haben, an welchem wir uns befinden!«

»Befürchtet Ihr das?«

»Warum nicht?«

»Und was wird dann geschehen?«

»Sie werden kommen und unser Lager überfallen. Doch das wird ihnen bös heimgezahlt werden, denn wir sind ihnen überlegen.«

»Wie stark werden sie wohl sein?«

»Hier am Gilo zählt eine Horde selten mehr. Aber was ist das? Die Maulthiere hören auf, ihren Mais zu fressen, und horchen!«

Baraja fuhr zusammen.

»Hat dies etwas zu bedeuten?«

»Sicher. Sie wittern eine Gefahr. Doch hat das noch nichts zu sagen. Aber wenn diese Thiere nicht nur das Futter stehen lassen, sondern die Nüstern öffnen und dumpf schnauben und schauern, dann – – –«

»Dann – – –? So redet doch nur!«

»Dann ist der Indianer nahe. Sie wittern ihn so genau, wie sie damals an der Poza die Jaguare und den Puma witterten.«

»Teufel! Es gefällt mir hier in der Apacheria nicht zum Allerbesten. Ich wollte, ich wäre heut an der Poza.«

»Dieser Wunsch kommt zu spät. Aber ich will doch[221] einmal nachsehen, ob vielleicht Etwas um das Lager vorgeht!«

»Er erhob sich. Baraja, den die Erzählungen des alten Vaquero zugleich erschreckten und bezauberten, folgte ihm. Sie krochen unter dem Wagen hindurch und traten hinaus vor die Umschanzung.«

Nichts ließ die Nähe einer Gefahr ahnen. Einer der als Schildwache ausgestellten Reiter kam vorüber.

»Habt Ihr nichts Verdächtiges bemerkt?« frug Benito.

»Nein. Vorhin glaubte ich einmal, ein Pferdegewieher zu hören, welches aus einem der Thälchen da drüben zu kommen schien, doch ist alles ruhig geblieben, und ich habe mich ohne Zweifel getäuscht.«

Die beiden Männer kehrten zu ihrem Platze zurück, um ihre Unterhaltung fortzusetzen. Benito schien nicht beruhigt zu sein; er beobachtete die Thiere genau und sah sich bald wieder veranlaßt, zu rufen:

»Seht doch die Thiere an! Sie hören abermals auf zu fressen, und horchen.«

»Wenn sie nur nicht anfangen, zu schauern und dumpf zu schnauben,« meinte Baraja.

»Vielleicht thun sie dies auch noch. Jetzt aber erlaubt, daß ich mich in meine Serape hülle und ein wenig schlafe. In der Wüste, wo man keinen Augenblick sicher ist aufgeweckt zu werden, soll man den Schlaf nicht versäumen!«

Er wickelte sich ein und legte sich nieder.

Baraja that ebenso und versuchte, zu schlafen. Es gelang ihm nicht. Seine Phantasie, die ihm tausend schreckliche Bilder vorzauberte, ließ ihn nicht zur Ruhe kommen.

Da erklangen durch die stille Nacht Flintenschüsse aus der Gegend des Flusses her. Baraja stieß Benito an.[222]

»Man schießt noch. Hört Ihr es?«

»Ja. Uns gilt es nicht; darum wollen wir uns nicht darum kümmern, wen sie dort abschlachten wollen!«

Er stand im Begriffe, seinen Mantel wieder über die Augen zu ziehen, als eines der Saumthiere unruhig wurde. Er richtete den Kopf empor und lauschte.

»Habt Ihrs gehört, Sennor Baraja?«

»Ganz genau. Es schnaubt dumpf, und wenn ich mich nicht irre, so schauert es auch!«

»Die rothen Teufel streifen in der Nähe herum.«

Da erklang draußen ein Alarmruf. Ein Reiter kam mit verhängtem Zügel herbeigaloppirt, und in der Ferne ließ sich Wiehern und Pferdegetrappel hören.

»Es ist Cuchillo!« rief der Vaquero.

»Zu den Waffen! Zu den Waffen!« schrie Cuchillo zu gleicher Zeit und schoß auf seinem Pferde durch die Oeffnung herein, welche die Wachen in der Verschanzung gemacht hatten.

In einem Augenblicke war das ganze Lager auf den Beinen. Die Verwirrung, welche der Ruf Cuchillo's hervorgebracht hatte, dauerte einige Minuten; die Karabinerpyramiden, welche man aufgestellt hatte, verschwanden. Die Pferde und Maulthiere bebten und zitterten; sie zerrten, ganz wie in der Nähe des Tigers, an den Riemen und Seilen, mit denen sie angebunden waren – so gewaltig ist der schreckenerregende Einfluß, den diese Söhne der Wüste selbst auf die Thiere ausüben.

Allein die Verwirrung hörte bald auf, und Jeder nahm den Posten ein, welchen der Anführer im Falle eines Angriffes ihm im Voraus angewiesen hatte.[223]

Benito und Baraja waren die ersten, welche an Cuchillo Fragen stellten.

»Wie haben die Indianer uns entdecken können, wenn Ihr ihnen nicht auf die Spur geholfen habt?« sagte der alte Vaquero, dem Banditen einen argwöhnischen Blick zuwerfend.

»Ich habe sie allerdings hierher gelockt,« gestand Cuchillo frech, während er abstieg. »Wenn Euch hundert solcher Teufel verfolgen, so reitet Ihr gerade so wie ich im Galopp nach dem Lager, um da Schutz zu suchen!«

»In einem solchen Falle,« antwortete Benito ernst, »muß man vor allen Dingen daran denken, seine Gefährten zu retten. Man flieht also nicht, sondern läßt sich eher die Kopfhaut über den Schädel ziehen, als daß man sie verräth. Ich wenigstens hätte das gethan!« setzte er einfach hinzu.

»Das hält ein Jeder, wie er mag. Ich habe wohl meinem Chef, nicht aber seinem Diener Rechenschaft über meine Handlungen abzulegen.«

»Sind die Apachen zahlreich?« frug Baraja. Er hatte noch niemals einem Kampfe beigewohnt und fühlte ein fürchterliches Grauen vor dem Zusammentreffen mit Leuten, welche ihre Gefangenen länger als fünf bis sechs Minuten martern.

»Ich hatte keine Zeit, sie zu zählen,« beschied ihn Cuchillo. »Ich kann nur sagen, daß sie nicht mehr weit von hier sein müssen.«

Ohne noch ein Wort zu verlieren, durchschritt er das Lager und trat zu Don Estevan, welcher vor der Thür seines Zeltes stand.

Der Bandit hatte hier eine vollständig verstörte Miene[224] angenommen. Er warf seine langen Haare nach hinten, wie wenn der Wind einer wilden Jagd sie ihm um den Kopf getrieben hätte. Dann trat er in das Zelt wie ein Mensch, der eben erst wieder zu Athem kommt, und trocknete einen nicht vorhandenen Schweiß von seiner Stirn.

Sein Bericht war kurz: er war auf seiner Rekognition einer Indianerhorde begegnet, von derselben verfolgt worden und ihr nur durch die Trefflichkeit seines Pferdes entgangen.

»Warum führtet Ihr sie nicht irre?« frug Arechiza.

»Ich konnte nicht daran denken, sondern mußte nur auf meine Sicherheit bedacht sein, da Sie ohne mich die Bonanza nicht finden.«

Der Anführer lächelte eigenthümlich.

»Heißt das vielleicht, daß ich Euch von dem Kampfe, welcher uns bevorsteht, dispensiren soll?«

»Das steht in Ihrem Belieben!«

»Cuchillo, Ihr werdet kämpfen; versteht Ihr mich? Wir werden das Placer auch ohne Euch finden; das will ich Euch versichern, und Ihr dürft also Eurer wohlbekannten Tapferkeit alle Zügel schießen lassen. Uebrigens durchschaue ich Euch. Das will ich Euch beweisen durch mein Wort, daß Ihr den zehnten Theil der Bonanza erhaltet, hört Ihr es, den zehnten Theil, aber – achtzig Gambusinos gerechnet. Wenn ich Euch nicht eine solche Schranke setze, bleibt von der Expedition niemand übrig als nur Ihr. Jetzt hinaus!«

Sie verließen das Zelt. Cuchillo ging zähneknirschend an seinen Posten, und Arechiza blieb auf dem Hügel stehen, um einen Blick auf die vom Monde erleuchtete Ebene zu werfen.[225]

Einer der Jäger nahm einen Brand aus dem Feuer, um die Reisbündel anzuzünden.

»Noch nicht!« rief der Chef. »Vielleicht ist es nur blinder Lärm. So lange wir noch keine Gewißheit haben, daß wir wirklich angegriffen werden sollen, dürfen wir das Feld nicht erleuchten. Auf jeden Fall sattle ein Jeder sein Pferd und mache sich parat!«

»Freund Baraja, das bedeutet,« sagte Benito, »daß, wenn der Befehl gegeben wird, die Feuer anzuzünden, wir mit Gewißheit einen Angriff erwarten können. Hauptsächlich bei Nacht ist das etwas Schreckenvolles.«

»Das weiß niemand besser als ich!« jammerte Baraja.

»Habt Ihr denn schon so ein nächtliches Abenteuer mitgemacht?«

»Noch nie, und darum weiß ich am Besten, wie es Einem dabei zu Muthe ist!«

»Dann will ich Euch den guten Rath geben: schießt, stecht und schlagt nur immer dahin, wo ein Indianer steht, und ja nicht etwa daneben hin, denn je mehr Ihr tödtet, desto weniger werden Euch martern, wenn sie Euch fangen sollten!«

»Warum soll denn immer nur ich gefangen werden?«

»Weil das in Zukunft eine gute Lehre für Euch sein wird, Sennor Baraja.«

»Ich denke für die Zukunft, wenn ich vorher bei lebendigem Leibe zu Tode gebraten werde!«

Er befand sich in einer Stimmung, in welcher er lieber Benito als einen Indianer erschossen hätte, und blickte düsteren Auges auf die weiße Oberfläche der Wüste[226] hinaus, wo man jetzt Reitergestalten bemerken konnte, welche sich dem Lager näherten.

»Zündet alle Feuer an. Sie kommen!« rief Don Estevan.

Einige Augenblicke nach diesen Worten überfluthete eine rothe Helle, fast ebenso lebhaft wie die der Sonne, das ganze Lager, und zeigte die Abenteurer auf ihren Posten, mit dem Karabiner in der Hand und ihren gesattelten und aufgezäumten Pferden neben sich. Letztere standen für den Umstand bereit, daß sich ein Ausfall nöthig machen sollte.

Ringsum herrschte eine Stille, welche etwas Furchtbares an sich hatte.

»Da haben wir es nun,« sagte Benito zu Baraja. »In einigen Minuten werdet Ihr das Gebrüll dieser rothen Teufel wie die Posaunen des jüngsten Gerichtes an Eure Ohren tönen lassen. Das sage ich Euch, obgleich ich die Sitten der Indianer nur wenig kenne.«

»Geht doch!« meinte Baraja. »Ihr seid der beste Tiger- und Indianerkenner, den ich in meinem Leben gesehen habe, obgleich Ihr mit Euren Kenntnissen andern Leuten das Leben nicht verbittern solltet.«

»Habt Ihr irgend eine Absicht oder einen letzten Wunsch, Sennor Baraja?«

»Warum?«

»Weil sich Jeder von uns darauf gefaßt machen muß, skalpirt und erwürgt zu werden. Und dann, das dürft Ihr mir auf mein Wort glauben, ist es mit den letzten Wünschen zu spät.«

»Nun gut; mein letzter Wunsch ist der, daß der Kukuk diese ganze Indianerbrut zur Hölle reiten möge!«[227]

»Dann muß dieser Kukuk ein fürchterlicher Reiter sein, denn ich sage Euch, daß niemand mit einem Pferde so umzugehen versteht, wie diese Rothhäute, höchstens Tiburcio Arellanos ausgenommen, von dem sie vielleicht noch Manches lernen könnten. Sie reiten wie die Geister, welche um Mitternacht durch – – – So, da schaut hin; sie kommen, und Ihr könnt es ja selbst nun sehen, wie sie reiten!«

Ein hundertstimmiges Brüllen erscholl draußen vor der Verschanzung.

Wer nur mit Mansasindianern (civilisirten Indianern) zusammengetroffen ist, der kann sich nach denselben von ihren wilden Verwandten unmöglich einen Begriff machen. Nichts gleicht dem ausgearteten Geschlechte der städtebewohnenden Rothen weniger als der wilde und ungezähmte Sohn der Steppe, vor dem Menschen und Thiere erzittern.

Die Apachen hatten auf ihre gewöhnliche Taktik, den heimtückischen, pfeilschnellen nächtlichen Ueberfall, verzichtet; sie tummelten unter unbeschreiblichem Geheul ihre Pferde vor dem Lager herum. Die Feuer warfen auf ihre mit grellen Farben beschmierten Gesichter ein flackerndes Licht. Die langen Haare, welche im Winde flatterten, die Riemen ihrer Kleider, welche während ihres Hin- und Herjagens wie Schlangen um sie her pfiffen, die Art und Weise ihrer Bewegungen ließen sie Dämonen gleichen, deren bloßer Anblick schon beinahe entmuthigend wirkte.

Unter den Mitgliedern der Expedition befanden sich nur Wenige, die nicht wegen irgend einer Beschwerde an den Indianern Rache zu nehmen hatten; Keiner von ihnen aber war von so einem glühenden Hasse gegen die Wilden[228] beseelt, wie Petro Diaz. Der Anblick seiner Todfeinde wirkte auf ihn genau so, wie der Anblick der scharlachrothen Farbe auf den Stier, und kaum schien er seinen Haß bemeistern zu können. Nur mit Mühe konnte er der Versuchung widerstehen, hinauszusprengen und eine jener Heldenthaten zu verrichten, die seinen Namen den Wilden so furchtbar gemacht hatten.

Allein es war in Betreff der Disziplin durchaus nothwendig, strenge Ordnung zu halten, und so bezähmte er seine brennende Ungeduld.

Don Estevan hatte die besten Schützen auf den Hügel neben sein Zelt gestellt. Die Feuer leuchteten so gut, daß sie ihre Feinde ganz trefflich auf das Korn nehmen konnten, und es stand zu erwarten, daß die vortheilhafte Stellung der Karavane die wahrscheinliche Ueberzahl der Indianer ausgleichen werde.

Unterdessen hatten sich die Wilden durch ihr scharfes Auge und die Berichte derjenigen, welche von ihnen sich am weitesten vorgewagt hatten, von dieser festen Stellung überzeugt, denn nach dem ersten demonstrativen Brüllen ließ sich eine gewisse Unschlüssigkeit unter ihnen bemerken. Dieselbe dauerte jedoch nicht lange.

Das Geschrei mit seinen furchtbaren Modulationen wiederholte sich; der Boden zitterte unter einer Lawine von Pferden, welche gedankenschnell herbeischoß, und inmitten eines Kugel-, Pfeil- und Steinhagels fand sich das Lager durch eine unordentliche Menge von Kriegern mit flatternden Haaren von drei Seiten angegriffen.

Sofort ließ sich vom Hügel herab ein wohlgenährtes Feuer hören, und das Auge, welches sich dorthin richtete,[229] konnte von dort ohne Unterlaß ausgehende lange Blitze bemerken.

Unter diesem mörderischen Feuer galoppirten herrenlose Pferde auf der Ebene umher; Reiter befreiten sich von der Last gestürzter Thiere; die Apachen versuchten, die Wagen zu ersteigen oder unter ihnen hinwegzukriechen; die Weißen wehrten dies ab, und so begann ein heißer Kampf Mann gegen Mann.

Petro Diaz, Benito, Baraja und Oroche standen hart neben einander. Bald wichen sie zurück, um die langen Spieße ihrer Feinde zu vermeiden, bald rückten sie wieder vor, um ihrerseits Stoß und Hieb auszuführen. Dabei munterten sie einander auf und warfen zuweilen einen Blick auf ihren Führer.

Bei Oroche und Baraja wirkte die Goldsucht beinahe ebenso stark, wie bei andern die Kampfesbegeisterung. Benito kämpfte wie die Recken des Alterthums, indem er das Wort die That begleiten ließ, während Diaz vollständig lautlos unter den Angreifern wüthete.

»Caramba,« rief Baraja, dem mit dem Kampfe der Muth gekommen war, »ich wehre mich meiner Haut, denn ich sehe nicht ein, warum ich mich erschlagen lassen soll, noch ehe ich meinen Antheil an der Bonanza verspielt oder vertrunken habe!«

»Ganz recht,« begleitete ihn Oroche, »wer eine Bonanza hat, ist unverwundbar, ist sogar unsterblich, denn – –«

Ein Schlag mit der Mordkeule, die seinen Schädel traf, ließ ihn verstummen. Er sank zu Boden.

Der Indianer, welcher diesen Hieb geführt hatte, stützte, von der Heftigkeit des Schlages fortgerissen, eine Hand auf die Deichsel, welche die Kämpfenden trennte.[230] Diaz erfaßte ihn am Arme und zog ihn, sich auf die Radnabe stützend, mit unwiderstehlicher Gewalt vom Pferde herab. Der apachische Krieger fiel in das Lager herein. Er hatte den Boden noch nicht berührt, so war durch den scharfschneidenden Dolch des Mexikaners sein Kopf beinahe vom Rumpfe getrennt.

Da die auf der Anhöhe postirten Schützen unnütz geworden waren, weil ihre Kugeln in dem dichten Gedränge ebenso gut die Ihrigen wie die Indianer treffen konnten, so kamen sie herab, um sich in die Reihen der Kämpfenden zu mischen.

»Holla, da kommt neue Kraft,« rief Benito. »Halt, Sennor Baraja, da will Euch Einer an den Hals!«

Ein Indianer hatte Baraja gefaßt und wollte ihm sein Messer durch die Kehle ziehen, bekam aber von dem alten Vaquero einen Kolbenschlag, daß er niederstürzte.

»Thut ihn vollends ab, Don Baraja; ich will einstweilen – – ach, Sennor Oroche, seid Ihr wieder munter? Ja, wer solche Locken und einen so dicken Hut hat, in dem der Staub von dreihundert Jahren sich festgenistet, der kann schon einen Hieb mit der Macana überwinden.«

In diesem Augenblicke schleuderte ihm Diaz einen bereits verwundeten Indianer zu, während er einen andern, der unter dem Wagen hindurchgekrochen war und sich neben ihm emporrichtete, den Dolch bis an den Griff in die Brust stieß.

»Hier, Benito!«

»Danke, Sennor Diaz! Habt Ihr noch mehr übrig? Ich helfe gern!«

Er rannte dem Wilden den Lauf seiner Büchse in die Magengrube, daß der Getroffene, dessen Munde ein erstickender[231] Blutstrom entquoll, todt hintenübergeschleudert wurde.

Don Estevan und Cuchillo standen in einer Ecke der Verschanzung und hatten einen nicht minder wüthenden Anfall auszuhalten.

Der Erstere warf, während er an seine persönliche Vertheidigung dachte, denn in einem solchen Falle muß ein Anführer sich wie ein gewöhnlicher Soldat schlagen, einen Blick auf die ganze Verschanzungslinie. Allein nur mit vieler Mühe konnten inmitten des Gebrülles, welches die Kämpfenden ausstießen, die von ihm gegebenen Befehle gehört werden. Mehr als einmal entfernte eine leichte englische Doppelflinte, welche er ebenso geschwind wie geschickt handhabte, das drohende Messer, die schon erhobene Axt oder die hoch geschwungene Mordkeule von einem der Seinigen. Hurrah's, die dem Gebrülle der Apachen entsprachen, begrüßten solche Erfolge seines sichern Blickes.

Neben seinem noch ganz gesattelten, den Bewegungen seines Herrn mit dem Verstande eines Hühnerhundes folgenden Pferde stand Cuchillo hinter Don Estevan, und zwar, mit mehr Klugheit als Tapferkeit, so viel wie möglich abseits vom Handgemenge. Er schien mit sorgenvollem Auge den Wechselfällen des Kampfes zu folgen, als er plötzlich taumelte, wie tödtlich verwundet zurückwich und in einiger Entfernung von den Wagen wie tödtlich verwundet hinstürzte.

Dieser Zwischenfall wurde während des Gefechtes kaum bemerkt. Nur Zwei nahmen davon Notiz, das Pferd Cuchillo's und Don Estevan. Das Erstere folgte seinem Herrn und blies bei dem Anblicke des scheinbar Verwundeten die Nüstern auf. Der Letztere hatte die klugen[232] Kunstgriffe des Banditen, sich vom Kampfe verschont zu erhalten, beobachtet und sagte kalt:

»Wir haben einen Feigling weniger!«

Einige Augenblicke lang blieb Cuchillo unbeweglich; dann richtete er den Kopf langsam empor und sah sich vorsichtig um. Eine Sekunde später lag er eine ziemliche Strecke von dem Orte entfernt, an welchem er zuerst niedergefallen war. Sein Pferd folgte ihm und beroch ihn von Neuem. Wären jetzt nicht alle Mitglieder der Expedition zu sehr von ihren Feinden bedrängt gewesen, so hätten sie sehen können, wie er sich nach einem Punkte der Verschanzung hinwälzte, den die Indianer freigelassen hatten. Nachdem dies geschehen war, wartete er noch einen Augenblick und schlüpfte endlich, unter den Rädern des Wagens weg, aus dem Lager hinaus.

Dort richtete er sich auf und stand fest auf dem Boden. Ein Lächeln des Hohnes und der Schadenfreude flog über seine Lippen. Der Tumult und die Dunkelheit begünstigten sein Unternehmen.

Ganz behutsam löste er die eisernen Ketten zweier Wagen und öffnete auf diese Weise einen Durchgang für sein Pferd. Beinahe ohne die Steigbügel zu berühren, saß er im Sattel, gab dem Thiere die Sporen und verschwand in der Ferne.

In einiger Entfernung von dem Kampfplatze hielt ein Trupp von dreißig Indianern. Die Rothen hatten die Taktik befolgt, eine Reserve zurückzulassen, welche von einem alten Krieger befehligt wurde, der allerdings kein Häuptling war.

Sie verfolgten die Stimmen des Kampfes mit jener äußerlichen Ruhe, welche den Indianer selbst in den aufgeregtesten[233] Augenblicken nicht verlassen darf, doch in ihrem Innern brannten sie vor Begierde, sich an dem Streite betheiligen zu können.

Auch ihre Rosse befanden sich in Aufregung. Die muthigsten Thiere spitzten bei jedem Schlachtruf, der vom Lagerplatz herüberdrang, die Ohren, wirbelten die reich behaarten Schwänze in der Luft, stiegen, auf die Zügelkette knirschend, in die Höhe und konnten nur mit Mühe an der Stelle gehalten werden, auf welcher sie standen.

Da kam ein Reiter aus der Richtung des Flusses herbeigesprengt. Er hatte die Beine hoch emporgezogen, ein sicheres Zeichen, daß er Ursache zur größten Eile habe. Bei dem Hinterhalte angekommen, ließ er die Beine sinken, stieß einen kurzen Ruf aus, und das Roß blieb mitten im stärksten Galopp halten, als sei es aus dem Boden gewachsen.

»Wer befehligt meine Brüder?« frug er.

»Der ›schleichende Wolf,‹« antwortete der alte Indianer.

»Warum stehen sie hier und nehmen nicht am Kampfe Theil, den ich im Lager der Bleichgesichter toben höre?«

»Die Häuptlinge haben dem ›schleichenden Wolfe‹ geboten, zurückzubleiben.«

»Der Gedanke des Hinterhaltes ist weise aber nicht tapfer. Meine Brüder sollen Gelegenheit finden, ihre Büchsen und Pfeile sprechen zu lassen. Sie mögen zum Flusse kommen, sagt der Schwarzvogel.«

»Der ›schleichende Wolf‹ darf die Stelle nicht verlassen, auf welcher ihn die Häuptlinge zurückgelassen haben. Bedarf der Schwarzvogel ihrer so nothwendig?«

»Die Insel im Wasser trägt die drei berühmtesten Bleichgesichter, welche es gibt. Sie haben die rothen[234] Männer mit ihren Kugeln getödtet und werden uns entgehen, wenn der ›schleichende Wolf‹ nicht mit mir kommt.«

»Wer sind die Weißen?«

»Der ›große Adler,‹ der ›zündende Blitz‹ und der ›Panther des Südens.‹ In ihren Augen blitzt das Verderben und aus ihren Büchsen der sichere Tod.«

Bei der Nennung der drei Namen schlossen die Wilden, auf das Höchste überrascht, einen Kreis um den Boten.

»Der ›schleichende Wolf‹ möchte mit seinen Kriegern gern die großen Jäger der Schneegebirge sehen, allein er darf nicht fort. Mein Bruder reite zum Lager der Bleichgesichter und frage den Katzenparder.«

»Der Katzenparder ist ein großer Krieger; er wird mitten unter sterbenden Bleichgesichtern zu finden sein.«

Er sprengte dem Kampfplatze zu, während die Zurückbleibenden sich ihr Verlangen mittheilten, mit den drei großen Jägern kämpfen zu dürfen.

Der Bote hatte richtig vermuthet. Der Katzenparder befand sich mitten im Lager. Die Wilden hatten die von Cuchillo hergestellte Lücke bemerkt und waren durch dieselbe mit einem Siegesgeheul, welches weit und entsetzlich über die Steppe schallte, eingedrungen. Ein fürchterlicher Kampf, Mann gegen Mann, hatte sich entsponnen, und die Weißen schienen unterliegen zu müssen. Der Bote drang durch die Bresche ein. Ein lauter Ruf desselben brachte den Katzenparder an seine Seite.

»Mein Sohn kommt, mir zu sagen, daß der Schwarzvogel seine Feinde auf der Insel getödtet habe?«

»Manitou hat den rothen Kriegern sein Angesicht verhüllt. Vierzehn von ihnen sind hinübergegangen in das[235] Reich der Schatten, und Schwarzvogel sitzt trauernd an der Erde, die er mit seinem Blute tränkt.«

Das Auge des Häuptlings blitzte zornig auf.

»Die Söhne der Apachen zählten zwanzig, und der Bleichgesichter sind nur drei. Sind die rothen Männer Weiber geworden?«

»Die Namen der Bleichgesichter sind größer als alle Namen der Erde,« antwortete der Bote einfach.

»Wie lauten sie?«

Er nannte sie, und sofort zeigte die Miene des Häuptlings an, daß Schwarzvogel bei ihm entschuldigt sei.

»Und was soll mein Sohn mir sagen?«

»Der Katzenparder möge mir Krieger mitgeben, den Tod ihrer Brüder zu rächen!«

Der Häuptling warf einen schnellen Blick umher und sah, daß die Weißen sich überall im Nachtheile befanden.

»Der ›schleichende Wolf‹ möge mit ihm gehen. Die Söhne der Apachen werden die Bleichgesichter vernichten und bedürfen des Hinterhaltes nicht weiter!«

Der Bote drehte sein Pferd herum und ritt durch die Bresche davon. Der Häuptling befand sich im nächsten Augenblicke wieder inmitten des Kampfgewühles.

Auf beiden Seiten der Verschanzung lagen zahlreiche Leichen umher. Die halb verbrannten Reisbündel warfen ihr röthliches Licht auf die blutige Scene. Das Brüllen wüthender Feinde, das Sausen der Pfeile, das Krachen der Schüsse folgten ohne Unterlaß auf einander, und dazwischen arbeiteten in verderblicher Stille die schweren Mordkeulen und spitzen Messer gegen einander. Die bemalten Gesichter der wilden Reiter sahen bei dem Lichte[236] der Flammen noch scheußlicher aus; es war, als kämpften die Weißen mit wüthenden Thieren anstatt mit Menschen.

Draußen vor der Verschanzung stand der Kampf in einzelnen Gruppen, im Innern derselben aber herrschte eine heillose Verwirrung, ein Durcheinander von Körpern, welche mächtig gegen einander prallten oder sich mit Aufbietung aller Kraft und Geschicklichkeit umschlungen hielten. Die Goldsucher schienen unterliegen zu müssen, denn nur da, wo Diaz mit Benito, Baraja und Oroche kämpften, befanden sie sich im Vortheile.

Diesen Letzteren war es gelungen, ihre Umgebung von den Rothen zu säubern, so daß sie ihre Aufmerksamkeit nun den übrigen Theilen des Lagers zuwenden konnten.

»Caramba, das steht schlecht!« rief Diaz erschrocken. »In zehn Minuten gehört das Lager den rothen Schurken, wenn wir nicht doppelt arbeiten. Dort – Teufel, das ist der Katzenparder! Den kenne ich seit langer Zeit und er mich auch. Ich werde ein Wort mit ihm sprechen!«

Der furchtbare Indianertödter schien bisher nur gespielt zu haben, denn seine Stirn zeigte nicht einen einzigen Tropfen jenes Schweißes, welcher die Gesichter aller Kämpfenden benäßte. Er hob die Mordkeule eines gefallenen Wilden vom Boden empor.

»Drauf, Benito, drauf, sonst sind wir Alle verloren!«

Er schwang die Macana in raschem Wirbel über dem Kopfe und stürzte sich in das Gewühl. Unaufhaltsam vordringend, schmetterte er die Feinde nieder und bahnte sich einen bluttriefenden Weg bis zum Häuptlinge. Dieser sah und erkannte ihn.

»Diaz, der Löwe!« rief er, unwillkürlich zurückweichend.[237]

»Ja, Diaz ists, der Puma, der den Parther zerreißen wird!« antwortete dieser.

Der Indianer drängte sein Pferd zu ihm heran und holte zum Hiebe aus. Dieser ging daneben, denn Diaz hatte sich gebückt und tauchte hinter dem Pferde des Wilden im nächsten Augenblicke wieder empor. Mit einem kühnen Sprunge kniete er hinter dem Häuptling auf dem Thiere, faßte den durch die Kraft des erfolglosen Schlages beinahe sattellos gewordenen Feind mit der Linken bei der Skalplocke, riß ihn hinten hinüber und bohrte ihm das Messer bis an das Heft in die Brust.

Den augenblicklich Todten vom Pferde stürzend, erfaßte er die Zügel des Thieres, riß es vorn empor und trieb es, einen lauten, gellenden Siegesruf ausstoßend, mitten unter die Wilden hinein, von denen er gleich mit dem ersten Satze des kräftig ausschlagenden Thieres einige zu Boden ritt.

Ein entsetzliches Wuthgeheul war die Antwort der Wilden auf diesen Siegesruf und den Tod ihres berühmtesten Häuptlings.

»Sennor Baraja, wißt Ihr jetzt, wie sie schreien?« frug Benito, der auch eine Mordkeule ergriffen hatte und während des Sprechens einen Indianer niederschmetterte. »Sucht Euch auch eine solche Macana. Sie ist beim Nahekampf das trefflichste Instrument das man nur finden kann!«

»Gebt mir die Eure, Don Benito; ich habe keine Zeit zum Suchen!«

»Hier ist sie! Dort liegt eine andere, die ich mir nehmen werde!«

Ueber den vorher so furchtsamen Baraja, dessen[238] dunkler Lebenslauf bisher jedenfalls nur Thaten aufzuweisen hatte, welche hinterrücks mit dem heimtückischen Messer ausgeführt worden waren, war das Schlachtenfieber gekommen. Er warf sich mit der Keule den Feinden entgegen.

Auch Oroche, der Mandolinenspieler, that seine Schuldigkeit. Die Mantelüberreste waren ihm von der Schulter gefallen, der alte Hut lag schon längst am Boden; seine langen Haare flatterten im Winde, während er mit dem Kolben seiner Büchse um sich schlug, als wolle er allein sämmtliche Feinde vernichten.

Don Estevan hatte trotz des schlechten Standes der Sache seine vollständige Kaltblütigkeit behalten. Seine Flinte krachte von Minute zu Minute, und jeder Schuß kostete einem Indianer das Leben.

Wem es vergönnt gewesen wäre, bei diesen Scenen den ruhigen Beobachter zu spielen, der würde sein Auge nicht von Diaz haben wenden können. Er hatte gleich im ersten Augenblicke bemerkt, welch ein ausgezeichnetes Pferd er unter sich bekommen habe, und war daher auch gar nicht wieder abgestiegen. Die Wilden vor sich niederreitend, trieb er es durch sie hindurch, ritt zum Wagen, an welchem er seinen Stand hatte und riß von einem Pflocke seinen Degen, welcher von ihm bisher außer Acht gelassen worden war. Es war eine vortreffliche Klinge von Toledo, auf welcher die stolze spanische Devise zu lesen war.


»No la saques sin razon,

No la embaines sin honor,«


zu deutsch:


»Ohne Grund zieh ihn nicht heraus,

Ohne Ehre steck ihn nicht ein!«[239]


Dieser Degen hatte das Blut schon manchen Indianers gekostet. Diaz nahm einen Anlauf und riß, daherstürmend, die Wilden auseinander. Die Klinge schwingend, arbeitete er wie ein rasender Roland. Die zwei noch übrigen Häuptlinge, an ihrem Kriegsschmucke kenntlich, fielen unter seinen raschen Streichen und ein panischer Schrecken bemächtigte sich der Uebrigen. Sie wandten sich zur Flucht und stürmten durch die Bresche hinaus, Diaz hinter ihnen her.

»Auf die Pferde! Ihnen nach!« rief Don Estevan.

Wer nicht verwundet oder sonst unfähig zum Reiten war, sprang auf das nächste beste Pferd und jagte den fliehenden Wilden nach. Der Umstand, daß der Katzenparder die Reserve fortgeschickt hatte, wurde diesen im höchsten Grade verderblich, und die Goldsucher errangen den glänzenden Erfolg, welchen Antilope, der Läufer, dem Schwarzvogel dann am Rio Gilo berichtete.

Als die Verfolger zurückgekehrt waren, zeigte es sich, daß die Weißen gegen dreißig Mann verloren hatten. Die Uebrigen waren meist verwundet. Man verband sich, stellte vor allen Dingen die beschädigte Verschanzung wieder her und legte sich dann, von der gehabten Anstrengung erschöpft, nach Ausstellung der nothwendigen Wachen mitten zwischen den Leichen auf den blutdurchdrängten Boden zur Ruhe nieder. –

Es graute der Tag.

Der stärkere Wind, welcher dem Aufgange der Sonne voranzugehen pflegt, zerriß die auf dem Flusse liegende Nebeldecke hier und da an einigen Stellen, aber die am Ufer wachenden Indianer vermochten doch noch nicht, die Insel zu erkennen.

Bald wurde das erste Dämmerlicht etwas bestimmter.[240] Die Nebelmassen wälzten sich über einander her, wie die Staubwolke, welche von den Füßen einer Büffelheerde aufgewühlt wird. Die Sonne erhob sich, und die Dunstschleier oscillirten wie eine ungeheure Draperie, von welcher jeder Hauch des Morgenwindes ein Stück mit fortriß.

Da stieß der Schwarzvogel einen Schrei der Wuth und Enttäuschung aus, der gar nicht aus einer menschlichen Kehle zu kommen schien.

Das Inselchen war gänzlich verschwunden; der Ort, welchen es noch am vergangenen Abende eingenommen hatte, war so glatt wie ein Spiegel. Auch nicht eines der Schilfrohre, welche das Floß begrenzt, auch nicht eine der grünenden Wurzeln, die es umgeben hatten, zeigte sich über dem Wasser.

Die Gefühle, welche in diesem Augenblicke das Herz des Häuptlings durchflutheten, waren so gewaltig, daß er sich trotz seiner Verwundung allein und ohne alle Hülfe aufrichtete. Sein Auge war übernatürlich weit aufgerissen und sein Gesicht bleich unter den Linien seiner Tättowirung und den aufgetragenen Ockermassen.

Er wankte auf die zunächststehende Schildwache zu und erhob die Streitaxt. Aber der bedrohte Krieger rührte sich nicht. Er blieb mit vorgestrecktem Kopfe und ganz in der Haltung eines angestrengt horchenden Menschen ruhig stehen, als wolle er damit anzeigen, daß er bis zu diesem unglücklichen Augenblicke nicht aufgehört habe, treu zu wachen. Der Indianer fürchtet den Tod nicht; er empfängt ihn aus der Hand seines Häuptlings, ohne mit der Wimper zu zucken.

Bereits stand die Streitaxt im Begriffe, den Kopf[241] des Indianers zu treffen, als Antilope den Arm Schwarzvogels erfaßte.

»Der große Anführer der Apachen wolle nicht hören auf die Stimme seines Zornes. Kein Krieger hat die Augen und die Ohren Manitou's, der alles sieht und hört. Der böse Geist, dessen Kinder die Weißen sind, hat die Insel hinweggenommen, aber die Apachen sind nicht schuld daran!«

Ein lange anhaltendes Geheul, welches sich auf beiden Ufern erhob, zeigte an, daß sämmtliche Indianer das Verschwinden der Insel nun gleichfalls bemerkten.

Der Schwarzvogel vermochte, durch die gehabten Anstrengungen erschöpft, vor Grimm und Wuth nicht zu antworten. Seine Wunde öffnete sich wieder, und unter dem durch Riemen festgehaltenen Verband strömte das Blut hervor. Er bebte; seine Kniekehlen bogen sich, und der Läufer mußte ihn auf das Gras niedersetzen, wo er das Bewußtsein verlor.

Als er wieder zu sich kam, war der Verband bereits wieder erneuert, und die eine Hälfte seiner Krieger hatte sich um ihn versammelt, während die andere am jenseitigen Ufer stand, um seine Befehle zu erwarten.

»Wo sind die Bleichgesichter hin?« frug er.

»Manitou hat meine Gedanken erleuchtet,« antwortete Antilope. »Die Insel stand nicht fest auf dem Boden des Wassers; die Weißen haben sie gelöst und sind mit ihr den Strom hinabgeschwommen.«

Schwarzvogel neigte zustimmend das Haupt. Es mußte so sein, wie der Läufer sagte; es gab keine andere Möglichkeit.

»Sie haben weder Ruder noch Steuer; die Insel ist[242] mit ihnen an das Ufer gestoßen. Man suche auf beiden Seiten nach ihren Spuren!«

Während diesem Gebote Folge geleistet wurde, blieb der Verwundete unter dem Schutze einiger Wächter zurück, welche die Todten aufsuchten, um ihnen ein indianisches Begräbniß zu geben.

Während dieser Zeit kam ein zweiter Bote von den durch die Goldsucher geschlagenen Apachen, welche dringend sagen ließen, daß der Häuptling zu ihnen kommen solle. Er gab keine Antwort, sondern erwartete schweigend die Rückkehr der ausgesandten Männer.

Sie kamen erst, als die Sonne bereits im Zenithe stand. Sie hatten trotz der Behutsamkeit der drei Männer den Ort gefunden, an welchem dieselben an das Land gegangen waren; da sie aber keine Spur des Flosses entdeckt hatten, so vermutheten sie, daß die Jäger auf demselben weiter stromabwärts geschwommen seien.

Jetzt erst faßte Schwarzvogel seinen Entschluß. Er ließ sich auf ein Pferd binden und ritt, von sämmtlichen Kriegern begleitet, dem Orte zu, wo nach dem Berichte des Boten die Apachen auf ihn warteten.

Die Sonne goß ihre Lichtströme über die Wüste aus, als Schwarzvogel mit seiner Truppe bei den Gummibäumen ankam, wo er im Vereine mit den andern Häuptlingen am vorigen Tage beim Berathungsfeuer gesessen hatte. Nach der erlittenen Niederlage und der nächtlichen Verfolgung waren die Indianer wieder an demselben Orte versammelt.

Bei dem Anblicke des Häuptlings, dessen Rückkehr Alle mit Ungeduld erwartet hatten, brachen die Wilden in ein gewaltiges Freudengeschrei aus. Er nahm diese[243] Zurufe mit vieler Würde als eine verdiente Huldigung auf und ließ sich vom Pferde heben. Ein Klagegeheul erfolgte bei dem Anblicke seiner verwundeten Schulter. Er wurde zum Feuer geschafft, wo man ihn an die Erde setzte. –

Unterdessen war das Lager der Goldsucher ohne Führer.

Als gestern der Kampf zu Ende war und alles sich zur Ruhe legte, hatte Don Estevan Diaz zu sich gerufen und sich mit ihm in das Zelt zurückgezogen.

»Sennor Diaz, Ihr seid ein Mann, dem ich vertrauen kann?«

Der Gefragte verneigte sich zustimmend.

»Ich denke es, Don Arechiza.«

»Was haltet Ihr von Cuchillo?«

»Er scheint Euer Vertrauter zu sein,« antwortete Diaz ausweichend.

»Er ist es nicht. Gebt mir unbesorgt eine offene Antwort!«

»Er ist ein Feigling und zugleich ein Schurke.«

»Wir stimmen überein, wie ich sehe! Was haltet Ihr von seinem Verhältnisse zu dem Ueberfalle?«

»Er hat eine Kugel verdient, Sennor, wenn ich meine Meinung in aller Kürze sagen soll.«

»Er hat sie bekommen, denn er liegt draußen unter den Todten.«

»Cuchillo? Nein, Sennor, er befindet sich nicht bei ihnen.«

»Nicht?« frug Arechiza erschrocken. »Ich habe ihn doch fallen sehen! Allerdings – ah, jetzt besinne ich mich – er war dann fort vor dem Orte, wo er stürzte.«[244]

»Habt Ihr sein Pferd gesehen?«

»Nein.«

»Unter den Verfolgenden kann er sich nicht befunden haben.«

»Er war nicht dabei. Könnt Ihr mir vielleicht sagen, wie die Indianer in die Verschanzung gekommen sind?«

»Durch die Bresche. Alle Teufel, jetzt weiß ich, was Ihr sagen wollt! Er ist fort.«

»Die Ketten der Wagen waren gelöst. Das kann nur Einer von uns gethan haben!«

»Laßt uns suchen, ob er wirklich nicht zu finden ist!«

Sie traten wieder aus dem Zelte und begannen, eifrig nach dem Vermißten zu forschen, doch umsonst.

»Es bleibt dabei: er ist verschwunden,« entschied Diaz.

»Und ich weiß wohin,« antwortete Arechiza.

»Ich auch.«

»Woher wißt denn Ihr es, Diaz?« frug Don Estevan erstaunt.

»Ich denke mir es, und die Vermuthung, welche ich hege, liegt so nahe, daß sie Jeder haben kann.«

»Theilt sie mir mit!«

»Gestern ist er fortgeritten, um die Wilden auf unsere Spur zu bringen, damit es weniger Theilhaber an der Bonanza werden. Das ist sehr leicht einzusehen. Und heut ist er nach dem Goldthale, welches ja in der Nähe sein soll, und wird dafür sorgen wollen, daß er zu einem Vorantheil kommt.«

»Eure Vermuthung ist auch die meinige. Ist es so, dann wird ihm die Untreue schlecht bekommen.«

»Kennt Ihr das Placer, Sennor?«[245]

»Genau nicht. Zwar hat er mir die Gegend beschrieben, den Ort selbst aber zu finden dürfte doch mit Schwierigkeiten verbunden sein. Ich muß ihm nach, und zwar so schnell wie möglich.«

»Vor Tagesanbruch wird das nicht gehen, da Ihr seiner Spur folgen müßt, die Ihr bei Nacht nicht finden könnt.«

»Ihr sollt mich begleiten, Sennor Diaz, Ihr, Baraja und Oroche. Sagt es ihnen. Doch soll unser Vorhaben vor den Andern verschwiegen sein. Wenn wir bei Tagesgrauen aufbrechen, können wir noch vor Abend uns wieder im Lager befinden.«

»Wo vor Nacht von den Indianern sicherlich nichts zu befürchten ist,« fügte Diaz hinzu, indem er sich entfernte, um die beiden Genannten zu benachrichtigen.

Kaum begann sich im Osten der Himmel zu lichten, so brachen die vier Männer auf, nachdem Arechiza befohlen hatte, daß die Leichen begraben werden sollten und niemand das Lager zu verlassen habe.

Nachdem sie dasselbe einige Male in immer weiteren Bogen umkreist hatten, fanden sie die Hufspuren eines Pferdes, welches dasjenige von Cuchillo sein mußte. Sie folgten der Fährte und waren bald am Horizonte verschwunden.

Die Zurückbleibenden warfen die Leichen der Indianer über die Verschanzung hinaus und bereiteten dann den ihrigen ein gemeinsames Grab. Der Vormittag verging und der Durst stellte sich ein. Auch der Proviant ging zu Ende, da man das Lager nicht verlassen durfte und also kein Wild jagen konnte.

Die Zeit rückte vor, und die Goldsucher begannen,[246] sich in Folge der Abwesenheit ihres Anführers immer unbehaglicher zu fühlen.

Da – es war bereits gegen Abend – erblickten die Schildwachen in der Ferne eine Staubwolke, welche sich dem Lager näherte. Sie machten Allarm, und alles begab sich nach dieser Seite hin, und zwar in der Hoffnung, Don Estevan zurückkehren zu sehen.

Sie hatten sich geirrt, denn inmitten der Staubwolke wurden indianische Federbüsche und Lanzenspitzen sichtbar, welche mit Menschenhaaren geschmückt waren.

»Zu den Waffen! Die Indianer kommen!« klang der Schreckensruf.

Die Verwirrung, welche gestern bei der Ankunft der Indianer geherrscht hatte, war gering gegen diejenige zu nennen, die sich jetzt der Weißen bemächtigte. Wer sollte das Kommando übernehmen, wer sollte gehorchen? Indessen hielt es Jeder für das Beste, sich an den Posten zu stellen, den er gestern eingenommen hatte.

Auf allen Gesichtern lag ein Ausdruck der Angst, den Keiner zu verbergen vermochte.

»Es sind nur sechs!« rief da eine Schildwache über die Verschanzung herein, und sofort begann sich der bereits gesunkene Muth wieder aufzurichten.

Die Indianer kamen, anstatt heranzugaloppiren und ihr Kriegsgeschrei zu erheben, ganz langsam und ruhig herbei. Einer von ihnen schwenkte seine Lanze, an welcher ein weißer Fetzen zur Darlegung ihrer friedfertigen Absichten hing.

Etwa zwei Büchsenschüsse entfernt vom Lager blieben die Uebrigen halten, während der Träger des Friedenszeichens[247] näher kam und ohne Aufhören dasselbe hin- und herschwenkte.

Unter den Goldsuchern befand sich Einer, der aus dem Präsidio Tubac stammte. Er hatte früher als Händler einige Zeit mit den apachischen Stämmen verkehrt und kannte deren Sprache zur Genüge, um den an der Grenze gebräuchlichen spanisch-indianischen Dialekt nothdürftig zu verstehen und zu sprechen.

Benito trat zu ihm.

»Sennor Gomez, seht Ihr den Indianer dort?«

»Natürlich.«

»Und wißt Ihr, was er will?«

»Jedenfalls parlamentiren.«

»Nun wohl! Ihr seid unter uns der Einzige, welcher mit ihm reden kann. Geht ihm entgegen!«

»Ich werde mich sehr hüten, Don Benito!«

»Warum?«

»Hm, der Kerl sieht mir nicht aus, als ob mit ihm gut Kirschenessen sei.«

»So habt Ihr Furcht?«

»Don Benito, ich bitte Euch, mich nicht zu beleidigen, sonst stoße ich Euch diesen Dolch hier ein wenig zwischen die Rippen!«

Der alte, wackere Vaquero warf einen spöttischen Blick auf die kleine Gestalt von Gomez, welche ihm kaum bis an die Schultern reichte.

»Sennor Gomez, das würde Euch nicht leicht werden, denn ehe Ihr dazu kommt, zum Stoße auszuholen, habe ich Euch zwischen meinen Fingern zerquetscht und zerbrochen wie einen dürren Baumwollenzweig. Ihr habt Angst; das ist Euch deutlich anzusehen!«[248]

»Angst? Fällt mir gar nicht ein! Aber seht Euch den Kerl doch genau an! Er sieht gerade wie ein Teufel oder Menschenfresser aus.«

»Ja, so ähnlich. Wie Ihr seht, ist er ein Häuptling und hat auf dem Kriegspfade die Pflicht, sich so abschreckend wie möglich herauszuputzen. Aber, blickt doch nur einmal schärfer hin. Seht Ihr nicht, daß er verwundet ist?«

»Wahrhaftig! Die ganze Schulter ist mit Riemen umwunden; er muß eine Kugel bekommen haben, und es ist zum Verwundern, daß er einen solchen Schmerz zu ertragen vermag.«

»Das bringt jeder Indianer fertig. Aber Ihr erkennt daraus, daß er uns nicht gefährlich sein kann. Geht hinaus zu ihm!«

Sämmtliche Gambusino's hatten sich um die Beiden versammelt. Auch sie waren der Ansicht, daß Gomez als der einzige anwesende Sprachkundige die Wagenburg verlassen sollte, um mit dem Wilden zu verhandeln. Der zaghafte Mann ging nur nach langer Weigerung darauf ein. Es wurde ein Lappen hervorgesucht, welcher einst ein weißes Taschentuch gewesen war und jetzt die parlamentarische Flagge vorstellen mußte. So ausgerüstet schritt Gomez dem Indianer entgegen.

Dieser war kein Anderer als Schwarzvogel.

Alle Wilden sind große Bewunderer äußerer Schönheit. Als der Häuptling der Apachen den kleinen, magern Mexikaner auf sich zukommen sah, legte sich für einen Augenblick ein verächtlicher Zug um seine Lippen, doch nur für diesen kurzen Moment. Er war ein ebenso geschickter und schlauer Diplomat wie tapferer Krieger, und verstand[249] es, jede Empfindung im Interesse seines Zweckes zu bemeistern.

Die beiden so verschiedenen Männer begrüßten einander, und der Schwarzvogel ergriff zuerst das Wort.

»Mein weißer Bruder mag mir sagen, ob er ein Häuptling ist. Der Vater der Apachen spricht nicht mit einem gewöhnlichen Krieger der Bleichgesichter.«

Gomez befand sich in keiner geringen Verlegenheit, und es dauerte einige Augenblicke, ehe er seine Antwort gab.

»Ich bin der Häuptling der weißen Männer. Mein rother Bruder kann getrost mit mir reden.«

Das schwarze Auge des Apachen leuchtete auf.

»Es wohnt bisweilen eine große Seele in einem ärmlichen Körper. Mein Bruder muß ein berühmter Häuptling sein. Aber weßhalb ist er mit seinen Kriegern in das Jagdgebiet der Apachen gekommen?«

Gomez war der Ansicht, daß er den eigentlichen Zweck ihrer Expedition nicht verrathen dürfe. Er suchte nach einer Ausrede und fand vor Angst und Verlegenheit doch keine. Der Indianer weidete sich sichtlich an dem Anblicke des nach Worten ringenden Weißen.

»Es gibt wohl im Lager der Bleichgesichter mehrere so weise und tapfere Häuptlinge, wie mein Bruder ist?«

»Ich bin der alleinige Häuptling.«

»Und alle Krieger müssen meinem Bruder gehorchen?«

»Alle.«

»Sie werden nicht mehr lange seine Befehle erfüllen, denn die Söhne der Apachen sind zahlreich wie die Blätter des Waldes und unwiderstehlich wie das Feuer der Savanne. Mein Bruder wird morgen mit den Seinen nicht mehr leben.«[250]

Schwarzvogels Augen glühten im unheimlichen Feuer, als er die Wirkung seiner Worte auf den furchtsamen Gomez bemerkte. Dieser war bleich geworden, und der Trieb der Selbsterhaltung gab ihm den fehlerhaftesten Gedanken ein, den es in der gegenwärtigen Lage für ihn geben konnte.

»Warum kommt denn mein rother Bruder mit dem Zeichen des Friedens? Die weißen Männer dürsten nicht nach dem Blute seiner Krieger!«

»Der Häuptling der Apachen kommt, um mit den Bleichgesichtern Worte des Friedens zu reden. Aber er weiß, daß sie ihn nicht hören werden, und daher sagt er, daß sie in das Land des Todes gehen werden.«

»Welche Worte sollen wir vernehmen?«

Der Apache richtete sich hoch und stolz empor.

»Ist mein Bruder wirklich ein Häuptling? Dann muß er doch wissen, daß die Rede eines Kriegers mit Adlerfedern nur am Lagerfeuer erklingen darf. Warum fordert er hier an dieser Stelle Antwort von mir wie von einem elenden Yambariko, welcher Wurzeln gräbt und das Gedärme der Eule verzehrt?«

Gomez trat bei dem Anblicke des erzürnten Indianers unwillkürlich einen Schritt zurück.

»Mein rother Bruder will unser Lager betreten?«

»Käme der weiße Häuptling mit einer Botschaft zu den Apachen, so würden sie ihn am Berathungsfeuer empfangen, weil weder Furcht noch Angst in ihrer Seele wohnt. Schwarzvogel wird nur dann sprechen, wenn er behandelt wird wie ein Häuptling, der am Feuer sitzen darf.«

Die Verlegenheit des Mexikaners vergrößerte sich.[251] Durfte er den Anführer der Indianer mit in das Innere des Lagers nehmen? Konnte er ihn abweisen, wo eine friedliche Ausgleichung wohl das Beste war?

»Wie viele Krieger sollen meinen Bruder zu uns begleiten?«

»Ein einziger.«

»So mag er kommen!«

Ohne sich umzudrehen, stieß der Wilde einen durchdringenden Gutturalton aus, auf welchen einer der fünf zurückgebliebenen Indianer herbeigeritten kam. Es war Antilope, der Läufer.

Gomez schritt voran, und die beiden Apachen folgten ihm, nachdem sie einen befriedigten Blick gewechselt hatten.

Die Indianer waren im Laufe des Tages auf die Spuren Don Estevans und seiner Begleiter gekommen; Schwarzvogel wußte also, daß das Lager vier Vertheidiger weniger besaß, und hatte, um dasselbe auszukundschaften, den Entschluß gefaßt, als Parlamentär in dasselbe einzudringen. Der Umstand, daß der kleine Gomez sich für den Anführer ausgab, braute ihn auf den Gedanken, daß der wirkliche Anführer sich unter den Männern befinde, welche das Lager verlassen hatten, und da Antilope Don Estevan gestern während des Kampfes gesehen hatte, so rief er diesen herbei, um sich Gewißheit zu holen.

Die beiden Indianer stiegen vor der Verschanzung ab und schritten durch eine Lücke, welche ihnen gemacht worden war, in das Innere der Befestigung. Ihre Köpfe bewegten sich nicht um die Breite eines Haares zur Seite, und ihre Augen blieben halb geschlossen, als sei ihnen ihre Umgebung die allergleichgültigste Sache der Welt, und dennoch hatten[252] sie in einem einzigen Momente Alles erfaßt, was sie wissen wollten.

Schwarzvogel lenkte seine Schritte wie ganz selbstverständlich dem Zelte Don Arechiza's zu. Gomez versuchte, ihn zurückzuhalten.

»Mein rother Bruder möge hier im Kreise meiner Krieger bleiben!«

Schwarzvogel hielt den stolzen Schritt inne und blitzte den kleinen Mann mit flammendem Auge an.

»Soll der Häuptling der Apachen, welcher verwundet ist bis auf das Leben, hier versengen im Lande der Sonne? Verstehen die weißen Männer nicht, Gäste und Häuptlinge zu empfangen?«

Der starke Mann hatte sich trotz seiner schweren Verwundung, ohne angebunden zu sein, auf dem Pferde gehalten und stand jetzt da wie die bronzene Statue eines Kriegsgottes, die den Beschauer mit Bewunderung erfüllt. Er wartete die Antwort des Mexikaners gar nicht ab, sondern trat mit Antilope in das Zelt, wo sich Beide niederließen.

Gomez war für einige Augenblicke zurückgeblieben, um sich mit den Andern über sein Verhalten zu besprechen. Daher fanden die Indianer Zeit, einige ungehörte Worte auszutauschen.

»Ist der Häuptling der Bleichgesichter hier?«

»Nein,« antwortete Antilope.

Sie konnten durch den offenen Eingang das ganze Lager überblicken.

»Welcher von diesen Männern ist der fürchterliche Indianertödter, welchen die Weißen Petro Diaz nennen und der gestern den Katzenparder überwunden hat?«[253]

»Antilope hat ihn gesehen, als er dem Katzenparder das Leben raubte; er ist nicht hier.«

Schwarzvogel konnte einen leisen Ruf der Freude nicht unterdrücken.

»Die großen Krieger der Bleichgesichter sind fort und haben die feigen Mäuse ohne Schutz gelassen. Die Mäuse werden sterben. Dieser Zwerg will den Häuptling der Apachen täuschen, aber das Auge des Schwarzvogels ist ihm bis unter das Fell gedrungen. Die Bleichgesichter sind verloren, und dann werden die rothen Krieger Zeit haben, den ›großen Adler‹, den ›zündenden Blitz‹ und den ›Panther des Südens‹ zu verfolgen.«

Jetzt trat Gomez ein. Er versuchte vergebens, sich die würdevolle Haltung eines Häuptlings zu geben. Die Worte, mit denen Schwarzvogel ihn empfing, machten, daß seine Gestalt noch mehr zusammen schrumpfte.

»Der weiße Mann giebt vor, ein Häuptling zu sein und weiß doch nicht, daß man einen Gast nicht allein lassen darf. Will er diese Beleidigung vielleicht mit seinem Skalp bezahlen?«

»Ich mußte erst meinen Kriegern sagen, welche Gäste zugegen sind,« suchte Gomez sich zu entschuldigen.

»Haben die weißen Krieger keine Augen, um selbst zu sehen? Ist es bei den Bleichgesichtern Sitte, daß der Häuptling fragt, was er thun und sprechen darf? Der weiße Mann darf nichts thun ohne die Erlaubniß seiner Brüder; er ist kein Häuptling!«

»Ich bin der alleinige Häuptling dieses Lagers,« behauptete Gomez.

Schwarzvogel warf ihm einen vernichtenden Blick zu und donnerte:[254]

»Das Ohr des Häuptlings der Apachen hat eine große Lüge vernommen! Er wird seinen Mund schließen, denn seine Zunge spricht nicht mit der lügenden Kröte. Mein rother Bruder mag reden!«

Antilope hatte bis jetzt mit geschlossenen Augen dagesessen; jetzt öffnete er die Lider und die Lippen:

»Ich sah den Häuptling der Bleichgesichter beim Kampfe. Seine Doppelflinte warf die rothen Männer zu Boden wie der Sturm die Früchte des Nußbaums. Sein Haar war schwarz mit weißen Fäden, seine Schulter breit und sein Auge scharf wie das des Adlers. Er hat das Lager verlassen, als der Tag im Osten emporstieg. Der weiße Mann mag sagen, ob ich lüge wie er!«

Gomez antwortete nicht. Er war so vollständig eingeschüchtert, daß er weder Ja noch Nein zu sein wagte.

»Und ich sah einen andern Häuptling, der den Katzenmarder tödtete. Seine Gestalt war fest und zähe wie Eichenholz, und seine Faust wie die Tatze des Bären. Die Bleichgesichter nennen ihn Petro Diaz. Er ritt mit dem ersten Häuptling fort. Habe ich recht gesagt?«

»Mein rother Bruder hat recht gesagt,« entgegnete jetzt Gomez. »Die beiden Häuptlinge sind fort, und nun bin ich der alleinige Anführer.«

»Der weiße Mann nenne die Antilope nicht Bruder. Der Apache ist nicht der Bruder eines Lügners! Der weiße Mann ist kein Häuptling.«

»Ich bin es.«

»Ist er es wirklich, so nenne er seinen Namen!«

»Gomez.«

»Gomez? Ist das der Name des Schakals oder des Hasen? Heißt so die Fliege oder der Wurm, den der[255] Vogel frißt? Die Söhne der Apachen haben ihn noch nie vernommen. Den Mann Gomez kennt kein altes Weib; seine Gestalt ist die eines Kindes, sein Muth der eines Frosches und seine Zunge die einer Schlange, welche Lügen speit. Wo sind die beiden Häuptlinge hingeritten?«

»Sie gingen, um den Bison zu jagen, damit wir Nahrung erhalten.«

»Antilope wird warten, bis sie zurückkehren, und ihnen dann die Worte sagen, die sie vernehmen sollen. Mein großer rother Bruder aber kehrt in das Lager der Apachen zurück, um ihnen zu sagen, daß Antilope hier verbleibt!«

Nur ein kurzer, blitzschneller Blick traf den Sprecher aus dem Auge Schwarzvogels, aber Antilope sah, daß er verstanden worden war. Er wollte als Geißel zurückbleiben, um die Mexikaner sicher zu machen, während Schwarzvogel den Angriff vorbereiten sollte. Sein scharfes Auge hatte ganz wohl bemerkt, daß nicht der mindeste Holzvorrath im Lager vorhanden war, um wie gestern die Feuer zu entzünden, und mit geschickter Doppelzüngigkeit machte er Schwarzvogel auf diesen und noch einen andern Umstand aufmerksam:

»Antilope wünscht, daß die beiden Häuptlinge der Bleichgesichter zurückkehren, ehe die Nacht hereinbricht, sonst kann er nicht mit ihnen sprechen, da sie kein Feuer anzubrennen vermögen. Schwarzvogel, der Häuptling der Apachen, möge seinen Kriegern befehlen, die beiden Bleichgesichter friedlich zurückkehren zu lassen, denn Antilope will mit den Weißen Frieden schließen auf viele Sommer und Winter!«

Schwarzvogel erhob sich. Seine geballte Faust und ein zweiter, rascher Blick belehrten Antilope, daß der Häuptling[256] Don Estevan einen Hinterhalt stellen werde, um ihm die Rückkehr zur Unmöglichkeit zu machen.

»Mein rother Bruder hat gut gesprochen,« meinte er würdevoll. »Es geschehe, wie er geredet hat!«

Er schritt, ohne Gomez eines weiteren Blickes zu würdigen, zum Zelte hinaus, die Erhöhung hinab und durch die Lücke zu den Pferden. Trotz seiner Schmerzen schwang er sich auf, nahm auch das Thier der Antilope beim Zügel und galoppirte davon.

Gomez betrachtete den zurückgebliebenen Indianer mit unsicheren Blicken. Antilope hatte die Augen geschlossen und den Kopf zurückgelegt zum Zeichen, daß er jetzt für niemand mehr vorhanden sei.

»Hat der rothe Mann noch etwas zu sagen?«

Ohne die Augen zu öffnen, erhob der Wilde die Hand ein wenig.

»Fort!«

Gomez verließ das Zelt und kehrte zu den Gefährten zurück. Er war so vollständig besiegt und blamirt worden, wie noch nie in seinem ganzen Leben.

Benito trat ihm entgegen.

»Nun, Sennor Gomez, warum ging der Eine und läßt den Andern hier?«

»Der Teufel hole sie alle Beide! Die Kerls thun ja, als ob sie die Herren unseres Lagers wären. Sie haben wegbekommen, daß ich nicht der Anführer bin und mich behandelt wie einen Knaben, der noch nicht drei von vier unterscheiden kann.«

»Was Ihr auch vollständig verdient habt, wenn Ihr es Euch so ruhig gefallen laßt, Don Gomez. Welche Vorschläge machten sie Euch denn?«[257]

»Keine,« zankte der wüthende kleine Mann. »Sie wußten ganz genau, daß Don Estevan mit Petro Diaz und den Andern das Lager verlassen hat, und wollen nur ihnen sagen, was sie hergeführt hat. Dieser Schlingel, der sich Antilope nennt, hat mich aus dem Zelte gewiesen wie einen Hund.«

»Und Ihr seid auch gegangen? Das ist zwar sehr vorsichtig, aber nicht sehr tapfer von Euch. Und der Andre? Warum hat nicht auch er gewartet, sondern den Rückweg eingeschlagen?«

»Weil er den Apachen sagen will, daß sie den Arechiza unbehelligt passiren lassen sollen.«

»Schön, Sennor Gomez! Und das habt ihr geglaubt?«

»Warum nicht?«

»Weil man einem Rothen überhaupt nur dann erst glauben und trauen darf, wenn man fünfzig Zentner Tabak und zwanzig Wagenladungen Summachblätter mit ihm geraucht hat. Das ist Erstens – und Zweitens weil – – –«

»Nun, weil – – –?«

»Weil es mir scheint, als hätten wir heut ganz besondere Veranlassung, vorsichtig zu sein.«

»Welche Veranlassung meint Ihr, Sennor Benito?«

»Don Arechiza ist abwesend, und wir gleichen also beinahe einer Heerde ohne Hirten, welche die Wölfe leicht überwältigen können. Sodann fehlt uns alles Holz, um im Falle eines Angriffes das Lager zu beleuchten.«

»So holen wir uns welches.«

»Oder auch nicht! Don Estevan hat uns verboten, das Lager zu verlassen, und selbst wenn wir ihm ungehorsam sein wollten, wo giebt es Holz? Diejenigen, welche[258] es sammeln wollten, würden sicher in die Hände der Wilden fallen.«

Dieser letztere Punkt leuchtete Allen so trefflich ein daß sich Keiner erbot, Brennmaterial herbeizuschaffen. Benito fuhr fort:

»Habt Ihr vielleicht diesen Antilope für einen Häuptling gehalten, Sennor Gomez?«

»Allerdings. Und jedenfalls ist er auch einer.«

»Grad so wie Ihr! Er ist ein indianischer Läufer; das kann man ja sofort aus seinem Namen sehen. Habt Ihr an seinem Aufputze irgend Etwas bemerkt, was auf eine solche Würde schließen läßt?«

»Nein.«

»Gut also! Warum nun geht gerade der Häuptling fort und läßt uns einen gewöhnlichen Krieger hier zurück?«

Die Andern blickten ihn erwartungsvoll an, ohne seine Frage beantworten zu können.

»Ich bin zwar kein Kenner von Indianern, aber – – –«

»Aber – – – nur weiter, Sennor Benito! Spannt uns doch nicht so auf die Folter! Ihr seid der beste Tiger- und Indianerkenner von Mexiko; das habt Ihr bewiesen, und werdet also auch wissen, warum der Häuptling fort ist und der Kerl dort nicht.«

»Wenn die Apachen wirklich erfahren sollen, daß Don Arechiza und Sennor Diaz nichts geschehen darf, so konnte der Läufer die Botschaft ausrichten. Daß aber der Häuptling diese Botschaft selbst überbringen will, giebt mir Veranlassung zu der Ansicht, daß« – – –

»Daß – – –? So redet doch endlich!«

»Daß sie etwas Schlimmes im Schilde führen.«

»Was denn zum Beispiel, Sennor Benito?«[259]

»Sie wissen, daß wir ohne Anführer sind, und daß der Häuptling zu den Seinen zurückgekehrt ist, dient mir als Zeichen, daß er ihnen einen Plan mitzutheilen hat. Sie werden Sennor Arechiza von uns abschneiden und uns überfallen, sobald es dunkel ist.«

»Ihr vermuthet falsch, Don Benito,« entgegnete Gomez, dem sehr viel daran lag, sein Verhalten zu beschönigen. »Sie sind mit friedlichen Absichten gekommen, wozu sie auch alle Veranlassung haben, denn sie haben gestern große Verluste gehabt. Und diese Absichten haben sie auch jetzt noch, sonst würde Antilope nicht zurückgeblieben sein.«

»Hm, das klingt wahrscheinlich, aber – – –«

»Aber – – –? Sprecht doch weiter, Sennor Benito!«

»Ich bin kein Indianerkenner, aber ich war in meiner Jugend einmal Gefangener bei ihnen und vermuthe, daß sie nichts Gutes im Schilde führen.«

»Und die Geißel, die dort im Zelte sitzt?«

»Ist der Kerl bewaffnet?«

»Nein. Die beiden Rothen ließen ihre Waffen bei den Pferden zurück.«

»So! Hm! Wenn doch Don Estevan bald käme! Aber wie leicht kann ihm ein Unfall passiren, so daß er gar nicht wiederkehrt. Ich schlage vor, wir wählen uns auf alle Fälle einen Anführer, damit wir wenigstens wissen, auf wen wir zu hören haben, wenn ein Ueberfall stattfinden sollte.«

»Und ich schlage vor,« meinte Gomez, »wir unternehmen gar nichts. Don Arechiza könnte nicht zufrieden[260] sein, und wir müssen uns vor allen Dingen sehr hüten, den Indianer mißtrauisch zu machen.«

Dieser Vorschlag fand allgemeinen Beifall. Beni to's wiederholtes Mahnen wurde überstimmt, so daß er sich schließlich ärgerlich zurückzog, nicht aber ohne vorher den Entschluß auszusprechen:

»Gut, wie Ihr wollt, Sennores! Ich aber sage Euch, daß ich mich neben das Zelt postiren und den rothen Hallunken sofort niederstechen werde, sobald ich nur das Geringste bemerke, was mich auf einen Ueberfall schließen läßt!«

Er führte diesen Vorsatz auch augenblicklich aus, indem er die kleine Anhöhe erstieg und sich hart neben dem Zelte auf den Erdboden ausstreckte.

Von hier aus konnte er die Gegend in einem weiten Umkreise überblicken, aber so scharf und wachsam sein Auge war, er vermochte nicht das geringste Verdächtige zu bemerken.

Der Tag verging; die Sonne sank im Westen nieder, und jene Helle machte sich bemerkbar, die in den öden, von der Hitze ausgeglühten Sand- und Steinsteppen der schnell hereinbrechenden Nacht voranzugehen pflegt.

Da richtete sich Benito in die Höhe; er hatte, den Indianer verstohlen beobachtend, bemerkt, daß sich die geschlossenen Augen desselben öffneten, um einen kurzen, aber durchdringenden Blick hinaus auf die Ebene zu werfen. Die Lider hatten sich sofort wieder geschlossen, aber über das dunkle Gesicht hatte es wie eine Befriedigung geblitzt.

Der Vaquero musterte die Steppe. Er mußte sich geirrt haben, denn es war da draußen nichts zu bemerken, als eine Heerde wilder Pferde, welche, von drei oder vier[261] Indianern gejagt, mit wehenden Schwänzen und Mähnen hin und her galoppirte.

Die Cavallada verschwand öfters hinter einer Bodenanschwellung, kam dann wieder auf eine Minute zum Vorscheine, sprengte zuweilen näher herbei, entfernte sich wieder und wurde von ihren Verfolgern hin und her gehetzt, bis die kurze Dämmerung hereinbrach, welcher nach wenigen Minuten eine vollständige Dunkelheit zu folgen pflegt.

Die Heerde war jetzt nur noch als ein dunkler Punkt zu erkennen, welcher nach und nach deutlicher wurde. Die Pferde suchten einen Ausweg vor ihren Verfolgern und kamen in gerader Richtung auf das Lager herbei. Die vier Wilden folgten ihnen auch jetzt.

Das Schauspiel war zwar ein in diesen Gegenden sehr gewöhnliches, doch bewährte es auch hier seine Anziehungskraft. Die wenigen Wilden, welche mit hochgeschwungenem Lasso hinter den Thieren herjagten, konnten nicht gefürchtet werden; im Gegentheile bewies der Umstand, daß sie sich so getrost in die Nähe des Lagers wagten, zur Genüge ihre friedfertige Gesinnung; dazu machte die Geißel die Goldsucher so vollständig sicher, daß sie die Wagen erstiegen, um die Heerde besser vorüberspringen zu sehen.

Auch Benito hatte sich erhoben und wandte dem Zelte den Rücken zu, so daß er nicht bemerkte, daß Antilope seinen aus gegerbtem Büffelleder gefertigten Kriegsmantel aufschnallte und einen Tomahawk hervorzog, sonst aber ganz in seiner früheren Stellung verharrte.[262]

Die Heerde kam näher und näher. Es waren wirklich wilde Pferde, denn kein Reiter, kein Sattel oder Steigbügel, kein Zügel, nicht die dünnste Schnur ließ sich bemerken. Im vollen Laufe brauste es heran, die Indianer laut rufend und schreiend dahinter her. Kaum fünfzig Schritte von der Verschanzung entfernt ertönte der donnernde Hufschlag, und schon schien es, als solle die wilde Jagd in gerader Richtung vorübergehen, da – lenkte das vorderste Pferd gerade auf die Lücke ein, welche man als Durchgang gelassen hatte, ein fürchterliches Kriegsgeheul erscholl, auf jedem Pferde saß, wie augenblicklich aus dem Rücken herausgewachsen, ein Reiter, und, Einer hinter dem Andern, brausten die fürchterlichen Angreifer durch den aus Unvorsichtigkeit offen gelassenen Durchgang herein in das Lager.

Droben am Zelte erscholl ein Schrei. Antilope war aufgesprungen, hatte seinen Mantel fallen lassen und das Beil erhoben. Gerade in dem Augenblicke, als Benito, das Messer ziehend, sich umwandte, um dem Indianer die Klinge in die Brust zu stoßen, spaltete ihm dieser den Kopf bis beinahe auf die Schulter herab. Dann sprang er die Anhöhe hinab und mitten unter die Kämpfenden hinein.

Die Apachen hatten gegen die Mexikaner eine List gebraucht, deren sich nur so kühne Reiter, wie sie sind, mit Glück bedienen können. Ein Bein in den um den Leib des Pferdes gebundenen Lasso steckend und den Körper hinter den Flanken des Thieres verborgen, sind sie geübt, sogar größere Distanzen zu durchreiten. Erst die Dämmerung und jetzt die hereingebrochene Dunkelheit hatten die[263] Ausführung dieser Kriegslist erleichtert, so daß die Goldsucher und sogar der erfahrene Benito getäuscht worden waren.

Die Mexikaner waren für den Augenblick vollständig ohne Besinnung. Sie sprangen von den Wagen herab, konnten aber schon nicht mehr zu ihren in Pyramiden aufgestellten Gewehren gelangen. Die Messer ziehend, gebrauchten sie die Klingen gegen einander. Die Wilden hatten leichte Arbeit; die Stunde des Todes war für die Leute im Lager gekommen.

In einigen Minuten hatte das Schlachtbeil, die Mordkeule, das Messer und die Lanze furchtbar gewüthet. Die Leichen lagen in Haufen umher. Noch kämpften einige Mexikaner mit dem Muthe der Verzweiflung; auch sie mußten erliegen. Nur Wenigen war es gelungen, unter den Wagen hinaus in das Freie kriechend, die Flucht zu versuchen. Sie waren verloren, denn die schnellen Reiter erreichten sie bald, und wenn ein Letzter vielleicht in der Dunkelheit der Nacht entkam, so stand zu erwarten, daß das Licht des Tages seinem Tode leuchten werde.

Eine Stunde nach dem Ende dieses blutigen Kampfes beleuchtete das Feuer der zu einem Scheiterhaufen vereinigten Wagen weithin die mit Todten und Sterbenden bedeckte Ebene. Die Indianer theilten sich in den Raub und in die Skalpe Derer, welche der Golddurst in die Wüste und den Tod geführt hatte.

Mitten auf diesem Schauplatz des Verderbens stand der Schwarzvogel, neben ihm Antilope, der Läufer.

»Der große Geist gab seinen rothen Söhnen den Sieg, aber der Häuptling der Apachen muß sehen die Skalpe[264] der drei Jäger von der verschwundenen Insel,« meinte der Erstere. »Er kann ihnen nicht nachjagen, aber mein Sohn wird ihre Haare bringen.«

»Morgen wird Antilope dreißig Männer nehmen und ihre Spur verfolgen,« antwortete der Läufer. »Die Jäger aus dem Norden sollen ihren Todesgesang anstimmen. Howgh!« – – –[265]

Quelle:
Der Waldläufer von Gabriel Ferry. Für die Jugend bearbeitet von Carl May. Stuttgart (1879), S. 210-266.
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