46. Die schwarzen Männlein.

[162] Eine Hausfrau hatte einmal eine große Wäsche vor und wollte schon früh Morgens damit anfangen und sagte der Magd, sie sollte doch ja die Zeit nicht verschlafen. Nein, sagte die Magd, das wollte sie gewiß nicht, und nahm sich, ehe sie einschlief, recht fest vor, daß sie bei Zeiten aufwachen wollte; und da wachte sie auch schon mitten in der Nacht wieder auf, meinte aber, es sei schon ganz spät und sprang deshalb flink zum Bett heraus und zog sich an und gieng in die Waschküche. Aber wie erschrack sie da, als sie die Thür aufmachte! Da war es in der Küche ganz hell und am Feuerheerde sah sie mehre kleine schwarze Männlein, die hatten hohe »Häfen« (Töpfe) auf dem Heerde stehen und winkten ihr, daß sie zu ihnen kommen möchte. Da gieng sie auch in die Küche, und nun gaben ihr die kleinen Männlein durch Zeichen und Winke zu verstehen, daß sie mit der Schaufel die brennenden Kohlen, die da lagen, nehmen und in die Häfen werfen sollte. Da warf sie einige Schaufeln voll hinein, und nun waren die schwarzen Männlein plötzlich verschwunden.

Die Magd hatte aber einen solchen Schrecken bekommen, daß sie kaum noch ihren Hausherrn wecken und ihm erzählen konnte, was sie gesehen hatte; dann mußte sie sich wieder in's Bett legen und war mehre Tage lang recht krank.

Am andern Morgen, als der Hausherr die Waschküche untersuchte, sah er, daß die Feuerkohlen in den Häfen in[163] helles blankes Gold verwandelt waren; das wagte er jedoch nicht anzurühren, sondern ließ es bis zum folgenden Tage in den Häfen stehen; als es aber auch da noch ebenso drin lag, glaubte er es nehmen zu dürfen und brachte es der Magd, die nun mit einem Male unermeßlich reich geworden war. Und weil sie schon lange den Sohn ihres Hausherrn ganz still lieb gehabt hatte und er sie, so hat der Vater jetzt nichts mehr dagegen gehabt, daß die beiden sich geheirathet haben.

Quelle:
Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Stuttgart 1852, S. 162-164.
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