65. Die drei Wünsche.

[233] Unser Heiland und der heilige Petrus kamen auf ihren Wanderungen eines Abends in ein Dorf und baten einen Mann, der ein großes schönes Haus hatte, um eine Nachtherberge. Der Mann aber wies sie ab und gab ihnen noch böse Worte mit auf den Weg. Da giengen sie zu seinem nächsten Nachbar, der war sehr arm und hatte nur eine[233] kleine Hütte, nahm aber die beiden Wanderer sogleich freundlich auf, obwohl er sie nicht erkannte, und theilte mit ihnen Alles, was er nur hatte.

Als die Fremden nun ausgeruht hatten und am andern Morgen fort wollten, sagte der Heiland zu dem armen Mann und zu seiner Frau: sie dürften drei Wünsche thun, die sollten ihnen gewährt werden. Da wünschten sie sich ein beßeres Haus, eine Kuh nebst Futter für dieselbe, und drittens wünschten sie, daß sie immer einen »übrigen Groschen« in der Tasche haben möchten, damit sie auch den Armen etwas abgeben könnten. Und wie die Leute sich dieß gewünscht hatten, so bekamen sie es auf der Stelle. Die Fremdlinge aber reisten weiter.

Als der Nachbar nun anstatt der kleinen Hütte plötzlich das schöne neue Haus erblickte verwunderte er sich über die Maßen und schickte sogleich seine Frau hinüber, daß sie sich erkundigen sollte. Die erfuhr nun Alles, wie es gekommen war. Da ärgerte sich der Mann, daß er die Reisenden abgewiesen hatte und machte sich sogleich mit seiner Frau auf den Weg hinter ihnen her, holte sie auch alsbald ein und bat, daß der Heiland doch ihm und seiner Frau ebenfalls drei Wünsche gewähren möchte. Der Heiland sagte: ja, das wollte er wohl thun, was sie sich denn wünschten? Da sagte die Frau sogleich: »ach, eine neue Hechel!« Und kaum hatte sie es ausgesprochen, so war auch die Hechel schon da. Ihr Mann aber ward unwillig, daß sich die Frau etwas so Geringes gewünscht hatte und verlangte, daß er die beiden andern Wünsche thun dürfe. Der Heiland[234] sagte ihm: ja, er solle nur nach Haus gehen und was er sich wünsche, das werde ihm gewährt werden.

Als der Mann nun mit seiner Frau heimgieng und diese über ihre schöne Hechel eine große Freude bezeigte, so konnte es der Mann gar nicht verschmerzen, daß die Frau sich nicht etwas Beßeres gewünscht hatte und schalt sie recht tüchtig aus wegen ihrer Dummheit. Die Frau aber bekümmerte sich nicht darum und hielt ihrem Mann beständig die Hechel hin und sagte: »aber sieh doch nur diese schöne Hechel!« Da sagte er endlich im Zorn: »ach ich wollte, daß Du auf deiner Hechel reiten müßtest, da würdest Du wohl still davon sein!« Und mit Einem Male saß die Frau auf der Hechel und fieng ganz erbärmlich an zu schreien; denn die eisernen Spitzen stachen ihr den Allerwerthesten ganz wund und blutig, und sie war nicht im Stande, sich davon loszumachen.

Nun sah der Mann mit Schrecken, was für Unheil er durch seinen Wunsch angerichtet hatte, und suchte seine Frau zu trösten. »Sei doch nur still, sprach er, wir haben ja noch einen Wunsch und können uns die größten Schätze der Welt verschaffen!« Die Frau aber schrie immer lauter und jämmerlicher und sagte: »was helfen mir alle Schätze, wenn ich solche Schmerzen ausstehen soll?« und sie ließ ihrem Manne keine Ruhe, als bis er den dritten Wunsch aussprach, um sie von der Hechel frei zu machen. »Ei, so hol der Henker deine Hechel!« rief er endlich ganz zornig. Da war die Frau wieder frei aber ihre schöne Hechel war fort,[235] also, daß sie von ihren drei Wünschen gar nichts mehr hatten, als Aerger und den Spott der Leute, und die Frau noch außerdem viele Wunden und Schmerzen am Allerwerthesten.

Quelle:
Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Stuttgart 1852, S. 233-236.
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