Zweiter Auftritt

[131] Die Bühne verwandelt sich in ein ärmliches Zimmer.


LOTTCHEN tritt mit einem Licht aus dem Seitenzimmer. Schon wieder Mitternacht vorüber, und der Lumpazius ist noch nicht zu Haus; da hab ich das Glück gemacht, daß ich diesen Sozius geheiratet habe, länger wart ich nimmermehr, seit vierundzwanzig Stunden hab ich nit gegessen, ich bin vor Hunger völlig schwach, jetzt dreh ich mir nur meine Schneckerln ein und lege mich schlafen; da mag er klopfen bis in der Früh. Sie setzt sich auf einen Sessel, dem ein Fuß fehlt, und dreht sich vor einem gebrochenen Spiegel die Locken ein. Wann ich zurückdenk, wie schön ich gewesen bin und wie ich jetzt ausschau vor lauter Misere! Mich könnt der Schlag treffen; wenn ein Frauenzimmer so arm wird, daß sie sich nicht einmal mehr eine Schminke kaufen kann, da wird die Schwärze doch den höchsten Grad erreicht haben. Man hört Schauer. Was ist das? Es wird doch niemand einsteigen, das wär eine vergebliche Müh, denn hier ist am hellen Tag nix mehr zu finden; oder ist's vielleicht gar ein Liebhaber? Das wär noch kein Unglück! Musik, eine Rauchwolke erhebt sich, die Göttin der Satire tritt heraus.


Quelle:
Das Wiener Volkstheater in seinen schönsten Stücken. Leipzig 1960, S. 131.
Lizenz:
Kategorien: