Zwanzigster Auftritt

[151] Vorige, Lottchen.


FRITZ. Weib, liebes Weib, erbarme du dich meiner, verdient hab ich's zwar nit, aber es finden ja viele Menschen eine Protektion, die's nit verdienen, und wenn mich auch alles verläßt, so kannst doch du mir helfen, du bist hübsch, und ein hübsches Weib hat schon das Glück manches Mannes, der auch nit weit her war, gemacht.

LOTTCHEN. Ich verachte dich! Auf mich mach dir keine Rechnung – du hast nit arbeiten wollen und hast mich ins Unglück gebracht; in das Haus des Herrn von Luxus hast du mich filoutiert, und weil ich ein rechtschaffenes Weib bin, so hat er bald die Larve abgezogen. Ich geh in Dienst, und du kannst dir ein Fleckel aussuchen, wo du verdirbst.

FRITZ. Weib, sind das die Gesinnungen eines braven Weibes? Heiraten soll man, und bleiben soll man's lassen, ein rechtschaffenes Weib nährt sich von dem Hunger ihres Mannes, und sie verlaßt ihn nit, wenn er lawet g'worden ist; aber so sind diese Weibsbilder, wann der Mann nix mehr geben kann, so lassen s' ihn sitzen!

LOTTCHEN. Selbst getan, selbst haben, mit diesem guten Gesichte und mit diesen fleißigen Händen werd ich schon ein' Ort finden, wo man mich aufnimmt; wir zwei sind geschiedene Leut, und überhaupt sind wir ja für ein modernes Ehepaar lang genug beisammen gewesen. Zehn Jahre sind wir verheiratet, und alle, die zur nämlichen Zeit geheiratet haben, sind schon lang g'schieden. Also aufs Nimmerwiedersehn; nur eine einzige Bitte hab ich noch an[151] dich; wann dich die Not hinwegrafft – na, wir müssen ja alle sterben –, so schick mir den Totenschein, damit ich wieder heiraten kann. Ab.

FRITZ. Und die Erde tut sich nit auf und verschlingt so eine maliziöse Kreatur nit? Ich könnt mich selber zusammenkifeln; ich könnt weinen und lachen. O das bissel Verstand, das ich g'habt hab, hat mir eine Abschiedskarte geschickt. –


Die Schulden, harpyenähnliche Gestalten, halbnackt, mit Flügeln und Klauen an Händen und Füßen, deren eine eine Waage, eine eine Hacke, eine eine Sichel und eine einen Rechen trägt, wütend auf Fritzen los.


CHOR AUS ›ORPHEUS‹ aus den Kulissen.

Schlecka Bartl, schlecka Bartl!

's g'schieht ihm recht! –

's Geldverschwenden, 's Müßiggehn

Ist ja schlecht!

Und die Hascherln, unsre Götter,

Sind gerecht!

FRITZ. Was wollen denn diese Flegeln? – Wer sind diese abscheulichen Wauwaus?

SATIRE. Das sind die Schulden, die ihre Klauen in das Fleisch ihrer Opfer schlagen und sie zur Verzweiflung bringen!

FRITZ. Nimmt sich denn niemand meiner an?

SATIRE. So vollende denn, wie sich's geziemt. Der Wahnsinn und die Verzweiflung geben dir den Bruderkuß. Der Wahnsinn stürzt herein, faßt ihn in die Arme und küßt ihn. Die Armut und die Schande verschwinden.

FRITZ. Jetzt ist mir auf einmal leicht, wo muß denn mein Kopf hingekommen sein? Der Kopf ist fort – oh, das ist nix Neues, es gibt mehr Leut, die ohne Kopf herumgehen; aber so gewiß konfus bin ich wie mancher Gelehrter! Er tanzt. Ich bin ja der Duport; was gräm ich mich denn? Da werd ich für mein bissel Springen ein schön's Geld verdienen. Richtig, ich bin die Catalani, ich kann die Variationen über nel cor piu non mi sento singen – ob's wer aushält, das ist ein andre Frag. O falsches Menschengeschlecht, ich hasse dich wie's Wienertrankel, weg von mir – weg, oder es gibt Scherben![152]

Auch ich war in Arkadien geboren –

Auch mir hat die Natur

An meiner Wiege Freude zugeschworen. –

Und doch ist so ein Roß Gottes aus mir geworden.


Quodlibet


Wer lindert meinen Schmerz,

Wer teilet meine Klagen?

Mein Weib –

Stieglitz! Stieglitz! 's Zeiserl ist krank –

Drum weinet, Branntweinbrenner,

Weinet, Mandoletti-Krämer!

Laßt sie fließen, die Tränen der Wonne,

Sie gewähren unendliche Lust –

Laßt sie fließen! –

Murmle, Bach, dein Gliglaglu,

Dein Glagli, Gliglaglu,

Selbst ein Amor seufzt nicht zärtlicher als du!

Dort sitzt der Tod mit seinem Pfeil,

Gleich unterm Tor, hat Schwammerl feil,

Ja, ja, der Tod, mit seinem Pfeil!

O Schmerz! O Schmerz!

Der Taschenfeidl steckt im Herz,

O Schmerz, der Taschenfeidel

Steckt im Herz!

Aus Schmerz

Nimm ich gleich ein Madel

Und walz eins mit ihr,

Ich zahl ihr zwei Limoni

Und zwei Plutzer Bier. –

Doch mit Geistern, mit Geistern

Laß ich mich nicht ein –

Drum müßt ihr's nit übel aufnehma,

Wann ma eppa taten wida z' samma käma,

Müßt's nit in Übel nehma mir,

Daß ich so konfus heut diskurier –

Denn ich g'hör ja in Narrenturn,

In Narrenturn hinaus.

Oh, ich kann nimmer reden,

Ich bring nix heraus!

Schöne Minka, ich muß scheiden,[153]

Schau, es will mich nit mehr leiden,

Kümmern soll sich keins von beiden,

Minka, lebe ewig wohl!

Denn ich reis jetzt per Posto

Nach Welschland geschwind

Und dann nach Paris,

Wie ein flüchtiger Wind!

Dann reis ich nach –

Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn?

Im dunkeln Laub die Goldorangen glühn? –

Dort auf'n Berg droben

Ist ein Wirtshäusl,

Ist ein Kellner droben,

Der hat Franzel g'heißen!

Deidum dum dei! –

Que je vous aime!

Das muß ich gestehn!

O mon très cher filou!

Sonst hab ich kein Ruh!

Das muß ich gestehn,

Denn wenn ich zu mein'm Diendl

Fensterln geh,

O dann hält sie mir die Leiter,

Und ich steig ins Herz hinein,

Und ich steig, und ich steig –

Madeln, hüt's eng, Madeln, hüt's eng!

Madeln, laßt euch nicht ein.

Die Buben sein pfiffig,

Sie machen's gar fein. –

Bewahret euch vor Weibertücken

Bewahret – – –

Denn wer Lust hat, ein Weib sich zu nehmen –

Der setzt sich, er sollte sich schämen,

Den Aufsatz sich selbst an Kopf,

Und fühlt an der Stirne

Ein mächtig Hirschgeweih,

Da hilft ihm kein Pfnoten,

Kein Lachen, kein Spotten.

Da treibt er den Teufel

Schon nimmermehr aus –[154]

Ich kann nimmer reden,

Ich bring nix heraus!


Sinkt erschöpft nieder.


SATIRE. Er hat vollendet, nun steige die Hoffnung herab und reiche ihm ihre wohltätige Hand. Ab.


In einer lichten Glorie steigt die Hoffnung hernieder, sie trägt selbst einen Lilienstengel in der Hand; aus den Versenkungen links und rechts kommen auch Genien, pyramidenförmig gruppiert, mit Lilienstengeln.


Chor


Ihm leuchtet die Hoffnung,

Sie täuschet ihn nicht,

Sie wird ihn erwecken

Zum strahlenden Licht!


Melodram


DIE HOFFNUNG.

Wenn jeder Strahl des Tags verschwindet

Und Finsternis den Geist umflirrt;

Kein Laut mehr Rettung uns verkündet –

Verzweifelnd schon der arme Pilger irrt –

Da schwingt der Hoffnung lichter Engel

Den deutungsreichen Lilienstengel.


Fritz wird erhoben; unter Orgeltönen verwandelt sich die Bühne.


Quelle:
Das Wiener Volkstheater in seinen schönsten Stücken. Leipzig 1960, S. 151-155.
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