Vierte Scene.

[52] Orpheus, Jupiter.


ORPHEUS recitativ.

Wohin reißt mich die Wuth? Wohin führt mich der Jammer?

JUPITER sprechend.

Ist er denn blind? In eine alte Rumpelkammer.

ORPHEUS singend.

Bin ich am Hochgericht? umflattern mich die Raben?

JUPITER sprechend.

Da kann er sich höchstens unter alten Acten begraben.

ORPHEUS.

Spiegelt die Sonne sich in Thränen, die ich weine?[52]

JUPITER.

Will er, daß der Mond am Tag erscheine?

ORPHEUS.

Leb ich? oder ist dieß schon Todesschlaf?

JUPITER.

Ah, da muß ich bitten, der Mensch ist ein Aff?


Arie. Melodie: Schwerin bist wirklich todt.


ORPHEUS.

O Dizel wirklich todt,

Kommst auch nicht mehr zum Leben?

O zentnerschwere Noth,

Was soll ich jetzt anheben?

Ich hab ja ohne Dizel nit,

In einem Bierhaus mehr Credit.

O Dizel wirklich todt? etc.


JUPITER.

Erhohle dich!

ORPHEUS.

Wer wagt's mich zu belauschen?

JUPITER.

Kennst mich denn nicht? ich wollt' ich könnt mit dir tauschen,

Ich fing gewiß keinen solchen Lärmen an,

Wenn's meine Frau getroffen hätt'! geh sey ein Mann.

Du bist ja noch jung und fett wie ein Wachtel,

Du kriegst leicht Ersatz für die alte Schachtel.

Ich bin doch ein Herr hier oben, und bin viel übler dran,

Denn meine ist unsterblich, die bring ich gar nicht an.

ORPHEUS.

Jetzt erkenn' ich dich erst, du König der Simandeln!

JUPITER.

Wenn du nicht still bist, so geh ich fort; ich will nich handeln.

Laß dich belehren, das Weib kann ich nicht mehr beleben,[53]

Aber ich will dir auf andre Manier Ersatz geben.

Wähl dir eine Kunst aus, die gang ist auf Erden,

Du sollst der größte Meister darin werden.

Ich selbst kann nicht viel, aber die Macht ist mir beschert,

Gelehrte zu machen, wie manchem Professor auf der Erd',

Der auch nicht weit her ist. Geh, wähl dir was aus,

Ich schick dich als Künstler oder Gelehrten nach Haus.

Du machst dein Glück, heirathest ein reiches Weib,

Geh, sey nit grandig, und sey nur kein Kneip.

ORPHEUS.

Gelehrte und Künstler und reiche Parthien! –

Das Glück ist nur den Speculanten verliehen.

JUPITER.

Willst ein Dichter werden? ich darf dich nur reiben,

Und morgen kannst schon ein Trauerspiel schreiben.

Jetzt ists gar leicht ein berühmter Dichter zu seyn –

Schreib so, daß 's niemand versteht, hoch und fein;

In Jamben versteht sich – 's kommt nicht an auf die Füß –

Je mehr, desto besser – so gefallts auch gewiß.

Viel Wort und kein' Handlung – die brauchst du gar nicht –

Die Handlung ersetzt schon das schlechte Gedicht.

Wirf dann mit unterdrein gereimte Stanzen –

Reim dich, oder ich freß' dich – es wird doch glanzen.

ORPHEUS.

Warum nicht gar? Um untern Dach zu logiren,

Dazu brauch ich nichts als mein musiciren.

Man ist auf die Zunft überhaupt schlecht zu sprechen,

's Vers machen hält mancher gar für Verbrechen.

Ein schlechter Dichter ist ein armseliges Gschöpf,

Die guten sind rar, wie in Kärnten d' Leut ohne Kröpf.[54]

Und hat sich auch einer den so genannten Lorbeer erworben,

So ist er gewiß den Creditoren viel zu früh gestorben.

Es mag eine schöne Sach um die Unsterblichkeit seyn. Ich bin nicht dumm,

Aber ein Quintel Gold ist mir lieber als ein Zentner von Ruhm.

JUPITER.

So werd ein Acteur, ein Künstler auf den Brettern,

Tritt auf, als wärst du ein Reitroß von Göttern –

Reiß weit auf die stieren Augen, wie die eines Bocks,

Und thu so unbändig, und brüll wie ein Ochs –

Nimm, so oft du abgehst – ein paar Koulissen mit dir –

Kannst du auch die Roll nicht – so werd nur nicht irr –

Je unnatürlicher, mein Freund, desto besser,

Je mehr du Unsinn treibst, du wirst desto größer –

Das ist eine Kunst, die hat keine Schranken.

ORPHEUS.

Auch für die Gnade muß ich mich schönstens bedanken.

Die Acteurs gehn öfters mit vollem Applaus,

Aber dabey mit hungrigen Mägen nach Haus.

Ein jeder, der nur bezahlt seine zwölf Kreuzer,

Schimpft über sie, wie ein besoffener Schweizer.

Gfallt er dem Kenner, so pfeift der Pöbel;

Klatscht dieser, so wetzt die Kritik ihren Säbel.

Mit einem Wort, das ist ein kitzliches Brod,

Es hat gar kein andrer Stand so viele Noth.

Ist auch einer in Gnaden des Publikums gsessen,

Und tritt er dann ab, so ist er vergessen.

Auch theilt heut zu Tage gar oft auf der Erden,

Der Künstler, den Beyfall, was glauben's? – mit Pferden.[55]

JUPITER.

Ja ja, es hätt' manches Stück fallen müssen,

Hätten's die lieben Pferd nicht heraus g'rissen.

Wie wär's denn mit der Arzney wär's dir nicht lieber?

Es geht über die Arzneykunst nichts drüber –

Wenn du so ein paar Hundert aus der Welt hast spedirt –

So wird gwiß der nächste recht trefflich kurirt.

Nimm beym Kirchhof Quartier, so kannst du recht schön

Vom Fenster aus deine Werke stets übersehn –

Ja – wenn ich dir rathen kann – so werd ein Arzt mein Lieber –

ORPHEUS.

Kann nit aufgführt werden, ich fürcht 's Nervenfieber.

Und ich bin kein Freund von all den Methoden,

Sie wechseln mit der Kurart wie mit den Moden.

Einer kurirt mit Wein, der andre nennt ihn Gift,

Ich glaub, der ist der Beste, der 's halt just trifft.

JUPITER.

Es ist dir nicht z'helfen. Willst ein Mathematiker werden?

ORPHEUS.

Das ging mir noch ab zu allen meinen Beschwerden.

Das sind erst die abgeschmacktesten Pedanten,

Die sind noch fader als sechszigjährige Tanten,

Sie reden von nichts als Winkeln und Quadranten.

Die ganze Welt ist für sie ein mathematisches Tipfel,

Sie kennen den Mond aber kein Badner Kipfel.

Sie wissen was am Firmamente gschicht,

Aber daß d' Frau 'n Amanten hat, wissen s' nicht.

Sie gucken die Stern an, und fallen in Graben,[56]

Den s' grad vor der Nase unter sich haben.

Nein, vor der Profession bewahr mich der Himmel.

JUPITER.

Du bist wahrlich kein Philosoph, sondern ein Lümmel.

ORPHEUS.

Haben S' was g'sagt? – was ist das für ein Titel,

Ein Philosoph? Ein Mensch ohne Mittel.

Wenn S' gsagt hätten: Du bist kein Hausherr; das hätt mich touchirt,

Daß ich kein Philosoph bin, das hat mich nicht grührt.

Wissen S' was, weil S' just Gnaden vertheilen wollen,

So hätten Sie mir was besseres offeriren sollen.

Machen S' aus mir einen Fleischhacker, Müller oder Bäcken!

JUPITER.

So weit thut sich meine Macht nicht erstrecken.

Ich kann nur Gelehrte und Künstler kreiren,

Es ist mir leid, so kann ich also gar nicht serviren.

ORPHEUS.

Warum nicht? Ich hätt' einen Gedanken, einen kuriosen,

Machen S' aus mir einen großen Virtuosen.

Einen Tänzer, Sänger, oder Meister auf der Guitarr –

JUPITER.

Aber das Volk ist auf der Welt auch nicht rar.

ORPHEUS.

Sie fahren doch alle in Wägen, wie wir sehn,

Während die andern Künstler per pedes hübsch gehn.

Sie werden verschrieben um 's sündtheure Geld,

Und singen und tanzen nur, wann 's ihnen gfällt.

Sie schwelgen an Tafeln auf sammetnen Sitzen,

Wenn d' gwöhnlichen Künstler in Bierhäusern schwitzen.[57]

Ja ja Euer Gnaden Herr Zevs, das ist groß,

Sie dürfen nur winken, so bin ich Virtuos.

JUPITER.

So sey's denn, komm her, und empfange die Weih,


Stellt ihn vor sich hin, schlägt wunderliche Kreise und Kreuze, dann gibt er ihm ein Kopfstück.


Nicht umsonst schlag' ich dir die Nas' entzwey.

So – jetzt kannst du deine Harfe probiren,

Ihr schmelzender Ton wird Steine selbst rühren,

Du kannst mit ihr zaubern, probir es mit ihr.

Und wenn du brav Geld hast, so theil hübsch mit mir.


Duett.


ORPHEUS spielt die Harfe.

Klinge, Harfe – klinge

Bring mein Weibchen her –

Alter Hetzer springe

Bist flink – wie ein Bär.

JUPITER.

Es juckt mir in Fersen,

Es juckt mir die Füß –

Ich bin wie im Tanzsaal,

So lustig gewiß.


Er dudelt.


JUPITER UND ORPHEUS.

Ich tanze recht gern,

Doch hab ich kein Schneid –

Ich kenn halt nicht d' Schul

Von der heutigen Zeit.

Man hat wohl auch gtanzt

Schon vor Alter etwas;

Doch jetzt muß man tanzen

Mit Anstand und Grâce.


Er tanzt und dudelt.
[58]

JUPITER.

Hab ich dirs nicht gsagt – du wirst selber Steine rühren,

Sonst hättst du mich nicht zum tanzen können persuadiren.

ORPHEUS.

Auch zaubern? Victoria mein Glück ist gemacht,

So weit hat's gewiß kein Virtuos noch gebracht.

Da kann ich doch gwiß mit allen Ehren,

Für ein Entrée-Billet zehn Gulden begehren.

Denn ein Concert auf der Zauberharfe, ist doch das werth,

Wenn schon ein jeder Fidler drey Gulden Entrée-Geld begehrt.

Komm her liebe Harfe, du mußt die erste Probe bestehn,

Ich will meine Dizel, meine Herzliebste sehn.

O sie wird in der Desperation sich die Haar ausraufen –

JUPITER.

Wer d' Weiber nicht kennt, der muß sie theuer kaufen.

Ich fürcht' du findest ein Haar in der Speis,

Es macht nur viel Kopfweh, wenn man viel weiß.

ORPHEUS präludirt auf der Harfe.

Erschein o Dizel, dem tief gekränkten erschein,

Ich zahl dir beym Igel ein Maß süßen Wein –

Das bringt sie gewiß zu mir, ich kenn' ihren Gout.


Donner.


JUPITER.

Es wirkt schon, sie kommt! guten Appetit dazu!


Quelle:
Carl Meisl: Theatralisches Quodlibet, Pesth 1820, S. 52-59.
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