Die Krypte

[181] Baut, junge Meister, bauet hell und weit

Der Macht, dem Mut, der Tat, der Gunst der Stunde,

Der Dinge wahr und tief geschöpfter Kunde,

Dem ganzen Genienkreis der neuen Zeit!


Des Lebens unerschöpften Kräften weiht

Die freud'ge, lichtdurchflutete Rotunde –

Baut auch die Krypte drunter, wo das wunde

Gemüt sich flüchten darf in Einsamkeit:
[181]

Vergeßt die Krypte nicht! Dort soll sich neigen

Das heil'ge Haupt, das Dornen scharf umwinden!

Ich glaube: Ein'ge werden niedersteigen.


Dort unten werden ein'ge Trost empfinden.

Wir mögen, wenn die Leiden uns umnachten,

Nicht Glück noch Ruhm, nur größern Schmerz betrachten.
[182]

Quelle:
Conrad Ferdinand Meyer: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 2, München 1968, S. 181-183.
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