LXVII
Ein christliches Sprüchlein

[450] In meinen Leidensnächten ohne Stern

Erlab ich mich an guter Sprüche Kern.


Sankt Paule, der du mir zu jeder Frist

Aus dem Apostelbund der liebste bist,


Eins deiner Sprüchlein so von ungefähr

In bittern Nöten bet ich vor mich her:


Es ängstet sich, es sehnt sich allezeit

Die Kreatur in ihrer Endlichkeit.


Oft wird der edle Leib, das schöne Sein

Zum dumpfen Kerker ohne Licht und Schein.


Dann ist es nicht ein hergebracht Gebet,

Es ist der Geist, der in uns seufzt und fleht,


Und wärst du, Gott und Herr, nicht ewiglich,

Ein solches Stoßgebet erschüfe dich.

Quelle:
Conrad Ferdinand Meyer: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 2, München 1968, S. 450.
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