Elftes Kapietel

[33] So verging wieder 'n Jahr.

Da saßen sie alle in Hamburch im Alsterpawilljong. –

Kuddl Twintichsöth, nu schon 25 Jahre alt, – der ehemalige Vollmatrose vom »Fatzke de Gamma«.

Der ging jetzt in die Domschule zusammen mit den lütten Buttjes und wußte noch immer nich, was er wollte.

»Es soll doch aus Hilligenlei Heilig-Land werden, nöch?« – saachte er sich innerlich.

Und denn saßen da noch Antje und Piet und Heinke Pferdmenges, die war heimlich mit Emil Marquardsen, dem Lehrer in Freestedt, verlobt, und[33] denn Kassen Wedderkopp, der immer so laut ßprach, weil er ma in Korea 'n Schuß in Rücken bekommen hatte. –

Nun fingen sie an über Hilligenlei zu ßprechen, und daß da doch ma Heilig-Land aus werden müsse, und wurden nich müde von.

Da sahen sie Tjark Dusenschön, derselbe, der im zweiten Kapitel auf Seite 20 geboren wurde, und der ßtakte über 'n Jungfernßtiech und hatte ehrwürdige Klappen an den Seiten eines langen Gehrocks.

Und denn ging er bei Reese & Wichmann und kaufte Bontjes.

Wie er bei ihnen saß, kukkte ihn Antje mit fliegenden Augen an, und der ganze Alsterpawilljong war helle von ihrem Haar. –

»Warum komm' Sie nu nich nach Hilligenlei?« – hatte sie mit verengter Kehle gesaacht. –

Tjark Dusenschön aber mit seinem bartlosen Gesicht hatte geantwortet:

»Fräulein Pferdmenges, ich habe kein Bedürfnis.«

Quelle:
Gustav Meyrink: Gesammelte Werke, Band 4, Teil 2, München 1913, S. 33-34.
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