An meine künftige Geliebte

[198] 1772.


O du, das ganz mein Herz erfüllt,

Geliebtes, süßes Schattenbild!

O Mädchen, das einst Harm und Wohl

Mit mir auf Erden teilen soll!


Im Staube nieder werf' ich mich,

Und fleh' zu Gott empor für dich,

Daß er dein Herz mir rein und zart,

Und fromm und edel aufbewahrt.


Daß Flitterstaat, und Prunk und Geld

Nie deinen Geist gefangen hält;

Kein Buhlersang dein Herz empört;

Noch Schmeichelrede dich bethört.


Dein Engel führ' oft dich allein

Am stillen Abend in den Hain,

Und zeige dir auf jeder Flur

Den guten Schöpfer der Natur![198]


Nimm, wie der Mittler einst gethan,

Dich jedes armen Bruders an!

Wisch ihm die Thräne vom Gesicht!

Doch meide, selbst zu weinen, nicht!


Ein Mädchen, gut und rein wie du,

Eil deinem Arm, als Freundin, zu!

Dann komme Lieb', und winke dir,

Und schenke deine Seele mir!


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50, Stuttgart [o.J.], S. 198-199.
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