Die Untreue

[213] 1773.


Schwing dich auf, mein Geist, und freue

Wieder deines Lebens dich!

Sieh, die Schöpfung lacht aufs neue;

Berg und Thal verschönen sich.


Alle Vögel singen wieder,

Da die Winternacht entflohn.

Auf, und misch in ihre Lieder

Deiner Lobgesänge Ton! –


Aber ach, um mich ist's trübe;

Winter trauret um mich her.

Deine Qual, o falsche Liebe,

Gönnt mir keine Freuden mehr.


Alle raubte mir Themire,

Die ich, ach! so sehr geliebt;

Die nun, trotz der höchsten Schwüre,

Hand und Herz Damöten giebt.[213]


Wandl', o Falsche, zum Altare!

Blumen blühn zu Kränzen dir.

Mir erwachsen sie zur Bahre;

Und Verzweiflung pflückt sie mir.


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50, Stuttgart [o.J.], S. 213-214.
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