Lied eines Mädchens

[188] 1772.


Sint ich hörte seinen Sang,

Wird es mir ums Herz so bang,

Und die süßen Abendstunden,

Die mir sonst so schnell verschwunden,

Scheinen mir so lang, so lang!


Ach! der liebe, liebe Mann

Sieht mich gar zu trüblich an!

Wenn ich seine Klagen höre,

Dringt ins Auge mir die Zähre,

Daß ich kaum sie bergen kann.[188]


Neulich gab er mir beim Tanz

Zitternd seinen Blumenkranz.

O, wie halt' ich ihn verborgen!

Jeden Abend, jeden Morgen

Tränk' ich noch den lieben Kranz.


Aber, o, wer sagt es mir?

Was verehr' ich ihm dafür?

Könnten Blumen ihn entzücken,

Gerne wollt' ich welche pflücken.

Aber, o, wer sagt es mir?

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50, Stuttgart [o.J.], S. 188-189.
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