Scena I.

[53] ARIOPHILUS in Soldaten Kleidern. Kennet ihr mich denn auch noch / lieber Vater? Oder sehet ihr mich vor einen General-Majeur an?[53]

MUSOPHILUS. Ach daß GOtt erbarm! Ach daß GOtt erbarm! hab ich das erlebet? O daß ich niemahls einigen Heller auf dich ungerahtenes Kind gewendet hätte! deine Herren Praeceptores haben mir vielmahl geweissaget / du würdest ein vornehmer Domherr oder Doctor werden. Aber ach wie haben mich die guten Leute betrogen? Wilst du nun ein Bluthund werden? wilst du nun die armen Leute außmergeln? wilst du nun das theure Christenblut wie Wasser vergiessen? Summa / wilst du eine Kriegsgurgel werden? O daß du im ersten Bade ersoffen wärest!

ARIOPHILUS. Ich wills nicht werden / lieber Vater / ich bins schon.

MUSOPHILUS. Vor diesem nennetest du mich Herr Vater / ietzo beissest du den Ehrentitul ab. Siehe doch / was vor ein Geist dich treibet.

ARIOPHILUS. Ein künfftiger General wird eine privat Person Herr heissen?

MUSOPHILUS. Hast du denn Brief und Siegel drüber / daß du ein General werden sollest?

ARIOPHILUS. Der grosse Mars hat mir Parol geben / die achte ich höher / als alle Bettelbrieste.[54]

MUSOPHILUS. Wenn du dich nur nicht künfftig der Bettelbrieffe gebrauchen müstest. Aber! Doch was soll ich viel sagen? Hast du denn vergessen / daß ich dein Vater / und diese deine Mutter ist?

ARIOPHILUS. Das werd ich wohl nimmermehr vergessen. Aber daß ich mich so schlechter Eltern gros rühmen solte / wenn ich nun ein General bin / das wird wohl nicht geschehen. Ich gebe mich darnach vor einen Marqvisen auß.

DIE MUTTER. Ach du verruchtes Kind / hab ich das an dir erlebet? hab ich dich deswegen unter meinem Mütterlichen Hertzen so lange getragen / daß mir lauter Hertzeleyd von dir zuwachsen solte? Ist denn alle Gottesfurcht bey dir verloschen / daß du dich vor Gottes Worte nicht mehr fürchtest / welches gebeut / daß die Kinder denen Eltern gehorchen sollen?

ARIOPHILUS. Ein Soldat / der eine Courage hat / darf sich vor niemand fürchten.

MUTTER. Aber doch muß er sich vor GOtt und seinem allerheiligsten Worte fürchten.

ARIOPHILUS. Vnter meinen Cameraden hab ich noch keinen gemerket / der GOtt fürchtete. Es sind so prafe Cavallier / die sich auch vor dem Teufel nicht fürchten. Ein Soldat und Furcht können nicht[55] neben einander stellen. Soldaten plündern nicht allein die Bauer Hütten und Bürgers-Wohnungen sondern auch die Gottes-Häuser. Da ist keine Furcht zu spuren.

MUTTER. Möchte doch mein Elend / Seufzen und Threnen einen harten Stein in der Erden bewegen / und du Gottloses Kind wilst dich nicht bewegen lassen. Ach wie wird dirs gehen?

ARIOPHILUS. Es mag gehen / wie es will. Ich bin ein Soldat.

MUTTER. Ey so bleib ein Soldat. Du wirst deinen Lohn noch wohl empfangen / und so dann nach deiner Mutter ruffen / aber ihrer nicht geniessen können. Kommt / lieber Herr / kommt / wir wollen das verbohßte Kind nicht mehr achten.


Darauff gehen sie ab. Aber es ergreifft den Vater und spricht.


ARIOPHILUS. Nein / Nein Vater / so haben wir nicht gewettet. Ich muß 500. Cronen mit auff den Weg bekommen. Gebt sie her / Vater / darnach gehet / wohin ihr wollet.

MUSOPHILUS. Wes wegen denn?

ARIOPHILUS. Wegen meines Muttertheils.

MUSOPHILUS. Ist doch deine liebe Mutter noch nicht gestorben.[56]

ARIOPHILUS. So muß sie doch ins künfftige sterben.

MUSOPHILUS. Ey so warte so lange / du leichtfertiger / gewissens-vergessener Vogel.

ARIOPHILUS. Das laß ich wohl bleiben / daß ich so lange warte. Morgen mit dem frühesten muß ich nach Reapolis auffbrechen. Wollt ihr mir nun die 500. Kronen nicht gutwillig geben / so soll euch mein General das Hauß voll Soldaten legen / die werden sie wohl herausser bringen.

MUTTER. Hertzlieber Herr / kommt nur / wir wollens dem bösen Buben geben. Vnd damit mag er hinlauffen. Hernach wollen wir ihn enterben.


Gehen beyde ab / und Ariophilus folget.

Moriones spielen.


Quelle:
Johann Sebastian Mitternacht: Dramen. Tübingen 1972, S. 53-57.
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