Auf dem Strome

[139] Am Himmel der Wolken

erdunkelnder Kranz.

Auf schauerndem Strome

metallischer Glanz.

Die Wälder zu seiten

so finster und tot.

Und in flüsterndem Gleiten

vorüber mein Boot ...


Ein Schrei aus der Ferne –

dann still wie zuvor.

Wie weit sich von Menschen

mein Leben verlor! ...

Eine Welle läuft leise

schon lang nebenher,

sie denkt wohl, ich reise

hinunter zum Meer ...


Ja, ich reise, ich reise,

weiß selbst nicht, wohin.

Immer weiter und weiter

verlockt mich mein Sinn.

Schon kündet ein Schimmer

vom morgenden Rot, –

und ich treibe noch immer

im flüsternden Boot.

Quelle:
Christian Morgenstern: Sämtliche Dichtungen. Abteilung 1, Band 2, Basel 1971–1973, S. 139-140.
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