Sehnsucht

[141] Dort unten tief im Dämmer-Grunde,

wo nun so wach die Wasser gehn,

und hier verstreut und da im Bunde

die mondumwobnen Häuser stehn,


dort hast du nun mit all den andern

zur sanften Ruhe dich gelegt,

indes dem Freunde nur im Wandern

das Blut sich minder ruhlos regt ...


Schlaf süß in deinem Silbertale,

mein Dunkelauge, Rätselkind,

gegrüßt von jedem reinen Strahle,

der selig in die Tiefe rinnt!


Schlaf süß! und sieh den Freund im Traume

sich nächtlicher Natur vertraun

und von des Bergwalds dunklem Saume

verzückt und schmerzlich niederschaun!

Quelle:
Christian Morgenstern: Sämtliche Dichtungen. Abteilung 1, Band 2, Basel 1971–1973, S. 141-142.
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