Mondaufgang

[80] In den Wipfeln des Walds,

die starr und schwarz

in den fahlen Dämmerhimmel

gespenstern,

hängt eine große,

glänzende Seifenblase.


Langsam löst sie sich

aus dem Geäst

und schwebt hinauf

in den Äther.


Unten im Dickicht

liegt Pan,

im Munde

ein langes Schilfrohr,

dran noch der Schaum

des nahen Teiches

verkrustet schillert.


Blasen blies er,

der heitere Gott:

die meisten aber

plantzten ihm tückisch.
[81]

Nur eine

hielt sich tapfer

und flog hinaus

aus den Kronen.


Da treibt sie schimmernd,

vom Winde getragen,

über die Lande.

Immer höher steigt

die zerbrechliche Kugel.


Pan aber blickt

mit klopfendem Herzen –

verhaltenen Atems –

ihr nach.

Quelle:
Christian Morgenstern: Sämtliche Dichtungen. Abteilung 1, Band 1, Basel 1971–1973, S. 80-82.
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