[Wer vom Ziel nicht weiß]

[36] Wer vom Ziel nicht weiß,

kann den Weg nicht haben,

wird im selben Kreis

all sein Leben traben;

kommt am Ende hin,

wo er hergerückt,

hat der Menge Sinn

nur noch mehr zerstückt.


Wer vom Ziel nichts kennt,

kann's doch heut erfahren;

wenn es ihn nur brennt

nach dem Göttlich-Wahren;

wenn in Eitelkeit

er nicht ganz versunken

und vom Wein der Zeit

nicht bis oben trunken.


Denn zu fragen ist

nach den stillen Dingen,

und zu wagen ist,

will man Licht erringen;

wer nicht suchen kann,

wie nur je ein Freier,

bleibt im Trugesbann

siebenfacher Schleier.

Quelle:
Christian Morgenstern: Sämtliche Dichtungen. Abteilung 1, Band 11, Basel 1971–1973, S. 36-37.
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