Etwas von Nägeln und Schlössern.

[103] Was Wunder nun, daß Hartknopf seine Wanderung gegen Osten eine Zeitlang unterbrach, da er hier solch einen Vetter und solch einen Freund an dem Emeritus wiedergefunden hatte – obgleich Hagebuck und Küster, und der empfindsame und aufgeklärte Prediger ihm nicht so sehr behagen konnten, daß er um ihrentwillen länger in Gellenhausen geblieben wäre.

Mit der Erzählung seiner Schicksale aber, die er seinem Vetter Knapp versprochen hatte, hielt es etwas hart – hie und da einmal ein Stück aus seinem Leben, wo er es nützlich und schicklich fand, das war alles, was man aus ihm herausbringen konnte.

Ich werde also wohl auch für ihn nur das Wort nehmen müssen, wenn der Leser etwas erfahren soll.

Woher ich nun aber mehr von ihm weiß, und erfahren habe, als Knapp und der Emeritus,[104] und in was für Verhältnissen ich mit ihm gestanden habe, und wie es mir gelungen ist, mir seine Freundschaft in dem Grade zu erwerben, daß er mich in das Innerste seiner Seele hat blicken lassen; davon sollte ich wohl ein Wörtchen beibringen – es wird aber zu seiner Zelt geschehen.

So viel habe ich schon verrathen, daß Hartknopf seines Handwerks ein Priester und ein Grobschmidt war – seiner leiblichen Geburt Nach war er nehmlich ein Grobschmidt – seiner geistlichen Geburt nach aber ein Priester, von Kindheit auf geweiht, kein Unheiliges anzurühren, um einst in Unschuld und Reinigkeit des Herzens in dem großen Tempel des Heiligen und Wahren als ein Priester Gottes zu dienen.

Thubalkain war sein großer Ahnherr – man fand diesen Nahmen in sein Petschaft eingegraben, und auf dem Taschenmesser stand er auch, das er sich selbst geschmiedet hatte – denn Messer konnte er auch schmieden.

Da er noch ein Kind war, lernten seine zarten Hände zuerst mit dem großen schweren Hammer spielen, der er kaum zu heben vermochte – aber sein Arm wurde früh nervigt,[105] und stark; bald mußte unter seinen wiederhohlten Schlügen der Ambos seufzen, und das glühende Eisen geschmeidig werden. – Der Nagel war das erste, was durch seine Hände aus der unförmlichen Masse Bildung und Form erhielt, die Fugen des losen zu befestigen, das zertrennliche unzertrennbar zu machen, und auf die Weise eine Schöpfung neuer Wesen zusammenzuzwängen, worüber die alte Natur erstaunt, wenn sie aus der Tiefe der grauen Vorzeit auf die neuen Geburten emporschaut, die in ihrem Schooß erstanden sind –

Daß der Mensch, von ihr gezeugt, in ihre Eingeweide herabstieg, und das Eisen hervorgrub, womit er sie zu einer neuen Geburt beschwängerte; daß aus den Wäldern und Steinbrüchen Städte mit Pallästen und Thürmen sich erhuben, Schiffe auf dem Rücken des Meeres emporstiegen; der aufgerißnen Erde der Saamen eingestreut, und volle Erndten aus ihrem Schooß hervorgezwängt wurden; daß der zersägte Eichenstamm sich zum Stuhle krümmte, und zum Tische erhub, auf dessen glatter Fläche Auge und Hand sanft hingleitet.[106]

Das mächtige Schloß verwahrt und schützt das Eigenthum, und hat Gemeinschaft und Absondrung in des Menschen Willkühr gesetzt. –

Ist es nicht Thubalkain, der verschloßne Thüren eröfnet? – –

Ihm klingt auch das frohe Spiel der Sensen an schwülen Erndtetagen – ihm tönet das Gehämmer vor den dampfenden Feueröfen – ihm das Leben und Wirksamkeit athmende Geräusch, aus den Werkstätten der Künstler und Arbeiter in allerlei Stein und Erzt –

Ihn preisen die Chöre der arbeitsamen Sänger mehr als den Flötenspieler. – –

Aber ach, die Schärfe des Eisens wendet sich – die Geister der gefällten Eichstämme seufzen durch die Lüfte, und verkündigen Unheil über das Menschengeschlecht –

Das Spiel der Sensen ertönt nicht mehr – Feuerschlünde eröfnen sich – die Bombe kracht – Schwerster wühlen in menschlichen Eingeweiden – Ketten klirren laut – Despoten lachen, Sklaven heulen. –

Die Chöre der arbeitsamen Sänger stehen einsam und weinen, in das Gewand der Trauer[107] gehüllt, und singen Klagelieder – und seufzen: Thubalkain! –

Was soll ich aus dem Jungen machen? fragte Hartknopfs Vater den Emeritus: – nichts anders als einen Grobschmidt, war des Emeritus Antwort, und Hartknopfs Vater schüttelte den Kopf: er hat doch so ein vortreffliches Ingenium! – desto besser! sagte der Emeritus.

Der Emeritus kam alle Tage in des alten Hartknopfs Schmiede – sie wurde von ihm zum Heiligthum der Weißheit und hoher Geheim, nisse eingeweiht – der junge Hartknopf saß da zu seinen Fußen und sog die süßen Lehren von seinen Lippen ein – unter ihm bildete sich sein Geist, und wuchs mit seinem Körper, den die Arbeit abhärtete und gesund erhielt. –

Aber leider, wich der alte Hartknopf von der rechten Straße ab – nur noch einen Schritt, so wäre er vor dem gefährlichen Abgrunde vorbei gewesen – aber er that ihn nicht, und nun konnte nichts ihn retten. – Er eilte unaufhaltsam seinem Verderben zu – Gold, Gold, Gold! war sein einziger Gedanke, vom frühen Morgen[108] an bis in die späte Mitternacht, und das edle Eisen war verdrängt –

Mitleidig streckte der Emeritus noch seine Hände nach ihm aus, und wollte ihn retten, aber vergeblich, er versank in dem Abgrunde, vor dem ihn sein Freund so oft gewarnt hatte.

Der Unglückliche mußte im Elend sterben – sein Vermögen war im Rauch aufgegangen, die Schmiede verkauft – und in einer armseeligen Hütte mußte er seinen Erlöser, den Tod, erwarten. – Dieser kam, und er empfing ihn mit freudigem Entzücken, nachdem der Emeritus vorher noch seine Beichte gehört, und ihm im Nahmen Gottes die Absolution ertheilet hatte.

Da der Emeritus den Vater nicht hatte retten können, so hatte er doch den Sohn zu retten gesucht, und sobald der Vater anfing zu laboriren, trieb er, daß der Sohn auf die Wanderschaft gehen mußte, da er erst neunzehn Jahr alt war – und dieß war auch hohe Zeit, wenn er nicht an eben der Klippe scheitern sollte, woran sein Vater gescheitert war. – –

Quelle:
Karl Philipp Moritz: Andreas Hartkopf. Eine Allegorie, Berlin 1786, S. 103-109.
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