Die Kadenz.

[53] Als der Morgenröthe Wunder

Glänzte vor der Sternenbahn,

Fiel ein Tröpflein Thau herunter

In den großen Ocean:

Da der Tropfen nun die Weiten

Dieses Meeres sahe hier,

Dessen Unermeßlichkeiten,

Wie erstaunte er dafür!


Da er sich auch wollte setzen

In Vergleichung, sagte er:

Wie gering bin ich zu schätzen

Zu vergleichen mit dem Meer!

Wahrlich, wo das Meer zu sehen,

Der so große Ocean,

Muß ich mir ein Nichts gestehen,

Einen Schatten, Traum und Wahn![54]


Als er so ein Nichts sich sahe,

Und das Meer, so weit, so groß,

War die Perlen-Muschel nahe,

Schloß ihn ein in ihren Schoß!

O wie wurd' er da verwandelt

Ja zur Perle nun gemacht,

Groß, veredelt, wohl behandelt,

Zur Vollkommenheit gebracht.


Auch der Himmel gab den Seegen

Daß der Perle hoher Preiß

Gar nichts wäre gleich zu wägen

Auf dem ganzen Erden-Kreiß;

Bis der König sie bekame,

Setzte sie in seine Kron,

Hoch berühmet wurd ihr Nahme.

Schauet hier der Demuth Lohn!


Quelle:
Karl Philipp Moritz: Andreas Hartkopf. Prediger Jahre, Berlin: Johann Friedrich Unger, 1790. , S. 53-55.
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