18. Auftritt.

[29] Steinkirch. Scheffler.


STEINKIRCH durch die Mitte. Sie ist fort, und er wartet noch oben – Ergreift seine Reisetasche – die immer an der Thür stehen geblieben. Ah – Herr Doctor – Sie sind zurück!

SCHEFFLER. Ich bitte um Vergebung, daß ich so lange blieb – doch wo wollen Sie hin?[29]

STEINKIRCH die Tasche niedersetzend und vortretend. Offen gestanden, ich hatte das Vergnügen, Ihre Frau Gemahlin zu sprechen – es schien ihr nicht angenehm, einen Fremden beherbergen zu sollen.

SCHEFFLER. Nicht angenehm – wie können Sie denken?

STEINKIRCH bei Seite. Ich zerbreche mir noch vergeblich den Kopf wegen des Schreibtisches!

SCHEFFLER bei Seite. Ah – das geht! Laut. Ich muß Ihnen offen gestehn, meine Frau hat soeben eine unangenehme Nachricht von ihrem Bruder erhalten.

STEINKIRCH halb für sich. Muß sehr unangenehm gewesen sein.

SCHEFFLER. Sie muß sogleich zu ihm reisen.

STEINKIRCH. So ist es das beste, ich gehe auch so gleich in den Gasthof. Will fort.

SCHEFFLER ihn haltend. Auf keinen Fall geb' ich das zu. Sie sind mein Gast – ich muß für Sie sorgen –

STEINKIRCH. Oh – bitte –

SCHEFFLER. Allerdings, in Abwesenheit meiner Frau kann ich Ihnen in meinem Hause nicht alle Annehmlichkeiten bieten.

STEINKIRCH. Also lassen Sie mich in den Gasthof. Will fort.

SCHEFFLER ihn aufhaltend. Nein – nein – auf keinen Fall! Ich führe Sie zu meinem Oheim!

STEINKIRCH. Zu Ihrem Oheim? Vielleicht reist dessen Frau auch gerade fort!

SCHEFFLER. Sie werden dort vortrefflich aufgehoben sein.

STEINKIRCH. Ich danke wirklich – Will fort.

SCHEFFLER. Das Haus des Commerzienrath Bolzau ist das gastfreiste weit –

STEINKIRCH lebhaft. Wie heißt Ihr Oheim?

SCHEFFLER. Commerzienrath Bolzau!

STEINKIRCH. Er hat eine Nichte –[30]

SCHEFFLER. Allerdings!

STEINKIRCH bestimmt und dringend. Ich nehme Ihr Anerbieten an, wir gehn zu Ihrem Oheim. – Aber – lassen Sie uns schnell gehn.

SCHEFFLER horcht nach dem Fenster. Was ist das – ein Wagen Sieht hinaus. Meine Frau mit einem Handkoffer – sie fährt wirklich!

STEINKIRCH. Was haben Sie denn?

SCHEFFLER kleinlaut. Da sehn Sie, Herr Doctor – sie fährt wahrhaftig.

STEINKIRCH. Ja – ich sehe!

SCHEFFLER verwirrt. Ja – es ist mir lieb, daß Sie es selbst sehen, wie sie davon fährt. Für sich. Keinen Blick hat sie für mich – Laut. Da – Sehr niedergeschlagen. Sie ist fortgefahren.

STEINKIRCH. Richtig, sie ist fortgefahren – aber warum sagen Sie das so jämmerlich?

SCHEFFLER. Jämmerlich? Sich fassend und gezwungen heiter. Daß ich nicht wüßte – ganz und gar nicht. Bei Seite. Es ist zu thöricht – was nun thun?

STEINKIRCH. Wollten wir nicht zu Ihrem Oheim gehn?

SCHEFFLER auffahrend. Ja, ja so! In Kukuks Namen – Vorwärts zum Onkel. Beide wenden sich zum Gehn.


Der Vorhang fällt.


Quelle:
Gustav von Moser: Lustspiele. Band 1, Berlin 1873, S. 29-31.
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