XLII. Brief.

Der Magister an den Verwalter Bornseil

[321] Kargfeld den 20 Sept.


Vielgeehrter guter Freund,


Was derselbe in seinem unterthänigen Memorial an meinen gnädigen Sir noch gesuchet; solches haben sich[321] Se. Hochwohlgeb. von mir gestern referiren lassen, und haben befohlen, demselben hierauf freundlich zu benachrichtigen: daß mein Herr Principal an seinem unglücklichen Schicksale vielen Antheil nimmt, und herzlich bedauret, daß derselbe bei seiner Herrschaft in Ungnade gefallen ist, und dadurch sein Stückgen Brod verlohren hat. Er kann sich darauf verlassen, daß mein vortrefflicher Sir bei seiner Herrschaft eine nachdrückliche Vorbitte für ihn einlegen wird, und wenn er etwas beitragen kann, ihm die Gnade des Herrn v.W. wieder zu erlangen, wird er sich daraus ein großes Vergnügen machen. Wenn aber derselbe anverlanget, daß der Herr v.N. ihn nebst seiner Familie versorgen soll, nachdem er seines Amtes, angeblich wegen der Willfährigkeit gegen meinen Patron, entsetzet worden: so dient ihm hierauf in freundlicher Antwort, daß dieses Ansinnen den Herrn v.N. ziemlich befremdet hat; indem noch lange nicht erwiesen ist, daß der gute Wille gegen meinen Gönner seine Dienstentlassung verur, sachet habe. Die Gelehrten unterscheiden[322] sehr wohl das consequens von der consequentia. Lasse er sich diese lateinischen Worte von dem Herrn Pastor in Wilmershausen erklären, so wird er sehen, daß sein Ansuchen unstatthaft ist, und daß der Herr v.N. keinesweges verbunden sey, ihm mit Weib und Kindern, besonders jetzo in diesen schweren Zeiten, zu ernähren. Ob er nun gleich von Rechts wegen nichts von dem Herrn v.N. zu fodern hat; so will dieser doch ein übriges thun, und ihm ein Expectanzdecret zufertigen lassen, im Fall er sich einstweilen gedulden, und sich fein fleißig auf die Musik und den Catechismus legen will, nach dem tödtlichen Hintritt des Herrn Lorenz Lobesans, derzeitigen treufleißigen Schuldieners zu Kargfeld, solche Bedienung ihm unter dem Prädicate eines Cantors gnädig angedeihen zu lassen. Kann er aber nicht so lange von der Schnure zähren, so thut er sehr wohl, wenn er sich nach einer einstweiligen Versorgung umsiehet. Er kann übrigens auf meines Herrn Principals Vorspruch und auf meinen guten Rath allemal[323] Staat machen. Hiermit Gott befohlen. Ich verbleibe

Sein

wohlgeneigter Freund,

M.L. Wilibald.

Quelle:
Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite, Erster bis dritter Theil, Band1, Eisenach 1760, S. 321-324.
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