XVI. Brief.

Der Hr. v.N. an den jungen Hrn. Baron v.S.

[150] den 23 Octob.


Warum wollen Sie doch England verlassen? Es treibt Sie ja keine Noth darzu. Sie sind bei meinem Herrn Gevatter dem Baronet wohl aufgehoben; so viel ich aus Ihren Briefen abnehmen kann, hält er Sie wie sein Kind, und er wird es vermuthlich gerne sehen, wenn Sie noch eine Zeitlang bei ihm bleiben. Mein Rath ist nicht dabei, daß Sie vor Ausgang des Jahres abreisen. Inzwischen muß ich Ihnen freilich Ihren freien Willen lassen, und wenn Sie es nicht besser haben wollen, so reißen Sie hin wohin Sie wollen, ich denke, Sie werden wie die Schweizer, das Heimwehe bekommen haben. Thun Sie mir nur den Gefallen, und beschmausen Sie die englischen[151] Freunde noch einmal die Reihe herum, und empfehlen Sie mich einem jeden von denenselben ins besondere. Sie nennen Sich selbst einen Abgesandten von mir an den Herrn Grandison, Sie sollen es auch bei seiner ganzen Familie seyn, thun Sie Sich nur bei der Abschiedsaudienz nur recht bene. Machen Sie dem Herrn Richardson von mir ein groß Kompliment, und bedanken Sie Sich für die Ehre, die er mir erzeigen will, von mir einen Roman zu schreiben, und solchergestalt mich in England bekannt zu machen. Wenn es mir mit meiner Henriette gelingen sollte, so bin ich nicht abgeneigt ihm zu willfahren, er mag alsdenn ein langes und ein breites von mir schreiben; jetzo ist aber die Sache noch nicht reif genug. Das können Sie Sich unterdessen zur Lehre nehmen, daß ich niemanden erlauben werde, von mir zu schreiben, als dem Herrn Richardson.


Das ist ein verzweifelter Streich mit der Glocke! der verwünschte Zolljude, der solche für Contreband erkläret hat, wäre werth,[152] daß er bei den Beinen aufgehangen würde. Hat ihn denn Herr Grandison nicht verklagt? Der Pfarr gehet mir abscheulich zu Leibe, und will mir eine neue Glocke abzwingen: ich werde ihn aber garstig ablaufen lassen, wenn er sich unterstehet, nur wieder mit einem Worte an die verhaßte Sache zu gedenken. Suchen Sie doch den D. Bartlett zu bereden, daß er an ihn schreibt, und ihn zur Geduld verweist. Ich habe jetzo ohnedem meine liebe Noth, ich bin in eine recht böse Sache verwickelt, davon sich nicht viel schreiben läßt. Nur im Vorbeigehen ein Wort davon zu gedenken, ich soll mich schlagen; aber daraus wird nichts, es wird mir rühmlicher seyn, wenn ich die Sache auf Sir Carls Fuß stelle, und sie in der Güte beilege.


Hören Sie, noch eins wollte ich gedenken, ehe ich schließe. Der Magister ist auf den Einfall gerathen, meine Bildergallerien mit den Portraits der Personen, die in der Geschichte des Herrn Grandisons vorkommen, auszuschmücken. Der Einfall ist gut und[153] gefällt mir, er hat dabei allerlei gute und heilsame Absichten. Sehen Sie doch zu, daß Sie diese Portraits beim Leibe bekommen; oder daß Sie mir wenigstens gute Copieen davon verschaffen. Für die leichte Mühe wird ihnen sehr verbunden seyn


Ihr

treuer Vetter

v.N.

Quelle:
Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite,Erster bis dritter Theil, Band 2, Eisenach 1761, S. 150-154.
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