Alf von Dülmen an Otto von Wittelsbach.

1210.

[326] Dein Brief an die Prinzessinnen ist überliefert, ich selbst war der Ueberbringer; ich achte mein Leben so wenig, daß ich mich kühnlich dahin wagte, wo meine Entdeckung mein Todesurtheil[326] gewesen wär, obgleich die Botschaft, wie ich dir wohl glaube, nicht von der Wichtigkeit war, ein solches Opfer zu fordern; deinen Hasserinnen Nachricht von deinem Elend zu geben, war in Wahrheit, wie du selbst gestehst, eine undankbare Mühe! – Ach Schicksal! daß du die, welche uns sonst die liebsten waren, zu unsern Feinden machtest! –

Dein Brief kam aus meinen in Alverdens Hände, ich sah sie, meine ehemalige Schwester, jetzt meine Verfolgerin und Anklägerin, ohne von ihr gekannt zu werden, das Geräusch von der Heimführung der königlichen Braut, verhinderte die Aufmerksamkeit, auch mag das Elend wohl unkenntlich machen!

Otto, ich weiß, daß du verschiednes nicht verstehst, was ich hier geschrieben habe, meine Geschichte ist dir noch bey weitem nicht ganz bekannt, du weißt nicht, welch einen Verbrecher du bisher an deiner Seite duldetest. – Verbrecher? kann es wohl einen größern geben, als einen Kaisermörder? und doch fänd auch dieser seine Entschuldigung: Philipp hatte Blutschulden genug auf sich, es war billig, daß er einmal bezahlte. O Alix, Alix von Toulouse!

Mir ist, seit ich Personen wiedersah, die mir einst in glücklichern Zeiten theuer waren, seit ich aus der Einsamkeit unter Menschen kam,[327] der Kopf ganz schwindelnd, die alten Anfälle kehren wieder! – Du sollst dereinst schon alles erfahren, aber nicht ehe, bis ich an heiliger Stelle mich entsündigt habe, und mich dir ganz rein von den Schulden darstellen kann, die jetzt noch auf mir haften. – Einst wär ich der schönen Alix von Toulouse zu Liebe bald ein Albigenser geworden, aber diese Leute halten nichts von den Entsündigungen, die jetzt mein einiger Trost sind!

Nein, Otto, es bleibt dabey, wir ziehen zum heiligen Grabe, dort findet sich Ruhe für unsere Seele, und Arbeit für unser Schwerd. Meine Reise nach Regenspurg war nicht fruchtlos, ich hoffe, dir übermorgen Mittel genug zu unserer Ausrüstung und Zehrung auf dem weitern Wege zu bringen; das alte Gemäuer, wo du auf deiner ersten Flucht vor des Kaisers Bann deine Schätze bargst, habe ich gefunden; die Nacht wird mir zu dem Uebrigen helfen. Dir nur einige Kunde von meinen Expeditionen zu geben, schrieb ich dieses, du wirst es in der holen Weide an der Donau, die du mir zu diesem Behuf bezeichnetest, schon zu finden wissen. O daß die Begierde nach Nachricht von mir, dich nur nicht bewege, dich unvorsichtig zu wagen! Bedenke, daß die Hand der Rache in deinem Nacken, und der, welcher dir schwur, für[328] dich zu sterben, fern ist. Nur bey Nacht darfst du die Weide besuchen.

Otto, du wirst finden, daß ich am Ende dieses Briefs ganz vernünftig geschrieben habe. Nur zuweilen, nur wenn ich auf gewisse Punkte komme, schwankt mein Verstand. Habe Geduld mit mir, es wird sich alles aufklären!

Sey morgen meiner auf der Stelle gewärtig, wo du diesen Brief finden wirst, doch darfst du mich nicht ehe als um Mitternacht erwarten. Wir setzen denn bis an den Morgen die Reise durch den Wald fort, ruhen des Tages, erheben uns wiederum bey Nacht, und fahren so fort, bis wir in Gegenden kommen, wo wir mit mehrerer Sicherheit unsere Reise beschleunigen, und das Meer erreichen können, das uns unter einen friedlicheren Himmel tragen wird.

Blutschulden, sagt man, folgen dem Menschen nicht aufs Meer, sie bleiben auf der Erde zurück, die das Blut von seinen Händen trank. Und ob sie uns auch folgten; Buße am heiligen Grabe tilgt alles.[329]

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 326-330.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Alf von Dülmen
Alf Von Dülmen: Oder Geschichte Kaiser Philipps Und Seiner Tochter , Aus Den Ersten Zeiten Der Heimlichen Gerichte (German Edition)