Beatrix an die Prinzessinn Elise von Kastilien.

1210.

[321] Mein Loos ist entschieden. Morgen trete ich die Reise nach Frankfurt zu meinem Gemahl[321] an; ach Schwester, warum ist mir mein Herz so schwer? Otto ist ja liebenswürdig, er liebt mich, er wird mir keine der Bitten versagen, die ich auf dem Herzen habe, und um derenwillen allein ich Kaiserinn zu seyn wünsche: des Pfalzgrafen Rechtfertigung, die Begnadigung des unglücklichen Alf von Dülmen, dessen Name mir wohl ewig eine Quelle von Thränen bleiben wird! –

Ich kann, ich kann nicht bereuen, was ich für ihn fühlte, aber unabläßig wird mein Herz fragen: Warum mußte ich mich so schrecklich in meiner Wahl irren? Woher diese unglaubliche Vorliebe zu einem Menschen, der mir das größte Leid zufügen sollte? Was machte den zu einem Verbrecher, der in jedem Zuge das Bild der höchsten Tugend trug?

Ich leide unbeschreiblich bey Betrachtungen von dieser Art, gleichwohl wollen es Pflicht und Wohlstand, daß ich heiter scheine; was würde man von den Thränen einer königlichen Braut denken? Sie zu hemmen, muß ich mich vom Nachdenken gänzlich losreißen. Alverde, welche von einer schweren Krankheit genugsam hergestellt ist, wieder meine Gefärthinn und Rathgeberinn zu seyn, zürnt schon mit mir, daß ich durch das Schreiben an dich meine erkünstelte Heiterkeit trübe; sie hat mir die Erlaubniß abgenöthigt,[322] sich eine Zeitlang aller Briefe, welche an mich einlaufen, bemächtigen zu dürfen, nun wird sie mir auch die Feder rauben; das Schreiben von vergangenen Dingen, behauptet sie, sey mir so nachtheilig, als wenn ich durch Briefe von meinen Freunden an dieselben erinnert würde. Was könnte ich eben für Briefe dieser Art erhalten, als etwa von dir oder Kunigunden? doch nahm gestern Alverde ein Schreiben zu sich, das an dich und mich zugleich überschrieben war, und das ihr verdächtig vorkam, weil es das wittelsbachsche Wappen trug. Ein Unbekannter hat es gebracht. Also ein Brief von dem unglücklichen Pfalzgrafen. –

Sie nehme es hin, und berichte uns daraus, was uns zu wissen gut ist. Ich zweifle, ob man dir bey deiner gegenwärtigen Lage, die du mir ziemlich zwangvoll beschreibst, gestatten würde, Schreiben von einer ehemaligen Verlobten anzunehmen. Möchte doch dieses, welches ich Alverden überließ, Nachricht von seiner Sicherheit enthalten, Sicherheit nur so lang, bis die Urheberin seines Unglücks, die arme Beatrix, mehr für ihn thun kann!

Tröste dich, Wittelsbach! deine Schlösser sollen wieder aufgebaut, du und deine durchächteten Verwandten losgesprochen werden, sobald nur[323] meine Stimme das Ohr des Kaisers erreichen kann. Mein erster Fußfall soll, was meine schriftliche Vorbitte nicht vermochte, euch Gnade erwerben! Mein künftiger Gemahl schrieb mir ja nur noch neulich: bittende Schönheit sey unwiderstehlich, die knieende Beatrix habe zuerst sein Herz gerührt! – Und um was kniete, um was bat ich da? – Um Rache! Sollte ich nicht noch mehr vermögen, wenn ich bey einem guten, gnadevollen Monarchen um Schonung flehte?

Ich fragte Alverden um den Inhalt jenes Schreibens; sie schwieg, aber ich sah wohl, daß sie, als sie aus ihren Kabinet, in welches sie sich um zu lesen verschlossen hatte, hervorging, heftig geweint hatte. –

Auf meine nochmalige Frage, ob sie Erschwerung unseres Leidens gelesen habe, antwortete sie: Nein! ehe das Gegentheil! Wittelsbach hat einen Freund, einen Tröster gefunden, ein Ort der Sicherheit birgt ihn; dies ist, denke ich, genug, euch zu beruhigen!

Es ist es, Alverde! aber was mag aus deinem unglücklichen Bruder geworden seyn? – Gern hätte ich so gefragt, aber um sie zu schonen, darf ich Alf von Dülmens nicht gedenken.

Sie ist noch sehr schwach! Nur überwiegende Liebe für mich bewegt sie, mir nach Frankfurth[324] zu folgen, so wie mich nichts veranlaßt, sie aus ihrer Ruhe und Einsamkeit zu reißen, als die Hoffnung, das Geräusch des Hofs werde ihren innern Gram über Dinge, die sie sich ohn Ursach zur Last legt, erst betäuben, denn seinen Stachel abstumpfen, und so nach und nach ihr Gemüth zu völliger Heilung vorbereiten, die mir gelingen muß, wenn alles so geht, wie ich es wünsche, und wie ich es eingeleitet habe.

Leb wohl, Elise! Denkst du gar nicht mehr an unsere Freunde in Toulouse? Man verfährt grausam mit ihnen, einiger Lehren wegen, die sie annehmen, und die man irrig nennt? – Die Klugheit verbietet mir, mich hierüber deutlicher zu erklären, eine Frage glaube ich thun zu können, und ich dächte, auch dir würde sie erlaubt seyn: Ob Feuer und Schwerd Mittel sey, Irrende zu bekehren? – O Elise! bittende Schönheit ist unwiderstehlich! Knie auch du vor deinem Gemahl, um Schonung, wie ich für dem meinigen knien werde. Sein Einfluß, in das Schicksal der unglücklichen Anhänger des Waldus ist groß. Der Bischof von Kastilien ist einer ihrer vornehmsten Verfolger, er soll einer der ersten Richter in dem Tribunal seyn, welches der Pabst zu Ausrottung der Ketzer neulich errichtet hat; bitte auch ihn, knie auch vor ihm, wenn es seyn muß, keine Demüthigung[325] zu Rettung der Unschuldigen wird deiner Hoheit schaden.

Alverde schüttelt den Kopf über das, was ich geschrieben habe, sie meynt, es könne dir Nachtheil bringen; auf vieles Bitten überlasse ich ihr den Brief, sie mag ihn in deine Hände befördern, wenn es ihre Klugheit am sichersten hält; ach freylich hat sie Recht, daß ein mündliches Gespräch, alles was ich dir hier sagte und sagen könnte, besser und gefahrloser berichtigen würde, als zwanzig Briefe; aber wird mir das Glück, dich wieder zu sehen, auch diesseit des Grabes beschieden seyn? – Ich zweifle! In dem Augenblicke, da man mich zum Traualtar führen will, umschatten mich Todesgedanken, und schwarze Ahndungen steigen in meiner Seele auf! Leb wohl, leb wohl, Elise!

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 321-326.
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