Otto von Wittelsbach an Elise und Beatrix.

1210.

[318] Was that ich euch, ihr Töchter Philipps, daß ihr mich so grimmig verfolgt? Ihr fordert das Blut eures Vaters von meinen Händen, das weder ich, noch die meinigen, vergossen haben. Ich weis mich keiner Unthat schuldig, als des Versuchs, dich treulose Elise, die meiner nun in den Armen eines andern spottet, gewaltsam zu entführen; ein thörigter Anschlag, welcher der Wuth gehöhnter Leidenschaft noch wohl zu verzeihen ist! auch traf er dich nicht ungewarnt, ich sagte dir zuvor, du solltest mich nicht durch deine Härte aufs äußerste bringen,[318] oder dir gefallen lassen, was daraus erfolgte; dies war der Gegenstand meiner Drohungen, die man jetzt wider mich anführt, und mir schuld giebt, ich habe dir den Mord deines Vaters gedroht, an dem ich unschuldig bin, und den ein Mensch oder ein Teufel auf meine Rechnung beging, welchen Gott richte. –

Für meine Unschuld zeugt alles, wenn man nur die Augen aufthun wollte, um zu sehen; demohngeachtet muß ich in meinem Vaterlande wie ein Vertriebener leben. Meine Schlösser wurden geschleift, meine Habe zur gemeinen Beute gemacht, meine Knechte des Gehorsams entlassen, meine Brüder und Verwandte, so unschuldig als ich, (unschuldiger können sie nicht seyn,) theilen mein schreckliches Loos, meine Freunde kehren mir den Rücken, öffentlich wüthet gegen mich des Kaisers Bann, heimlich tritt ein noch furchtbarerer Feind in meine Fußtapfen, schleicht um mein elendes Lager, das ich in Büschen und Felsklippen nehmen muß, und droht mir, den Dolch schlafend ins Herz zu drücken. Ich will mich vor dem Gericht rechtfertigen, dessen Verfolgung mich am meisten ängstigt; aber Todesfurcht, die ich im Felde, in tausend rühmlichen Fehden nicht kannte, schreckt mich in meine Höle zurück; der Rächer könnte mir auf dem Wege zum Stuhl der Unfehlbarkeit,[319] wohin ich meine Unschuld tragen will, begegnen, und mich erwürgen. Ich will mein Vaterland verlassen, aber soll Wittelsbach, der nie seinem Feinde einen Fußbreit wich, jetzt wie ein Verbrecher fliehen?

Doch was mache ich! Philipps stolze Töchter könnten auf den Thronen, zu welchen sie blindes Glück und Treulosigkeit erhoben haben, wähnen, der unglückliche Otto flehe ihr Mitleid an! Dafür lieber den Tod, der mich schon getroffen haben würde, hätte sich nicht ein Freund, ein Schutzengel zu mir gesellt, dessen Werth, so hoch ich ihn immer schätzte, mir doch erst mit voller Klarheit in die Augen leuchtet. –

O Alf von Dülmen, welch ein Freund bist du! – Jetzt da alles von mir zurückweicht, stehst du allein an meiner Seite! suchst mich auf in meiner düstern Einsamkeit, theilst mit mir das Felsenlager und das Mahl von Wurzeln und wilden Früchten, arbeitest für mich, daß ich nicht aus der Sicherheit der Höle entweichen darf, wachst, damit ich ruhig schlafen kann, und schwörst, mich gegen jeden zu vertheidigen, der mich antasten will, oder mein Blut wenigstens an ihm zu rächen! –

O Jonathan, mein Bruder, deine Liebe ist zärtlicher als Frauenliebe! Das habe ich erfahren,[320] frage meine treulose Braut auf dem kastilischen Throne, frage die stolze Kaiserinn Beatrix, sie werden dir mit Erröthen den Vorzug lassen müssen, ob du gleich mir täglich sagst, du opferst mir nichts mit deinem Leben, du seyst selbst ein Verbannter, ein Verbrecher, der Urheber meines Unglücks, und wie die Worte alle lauten, mit welchen du die unglaubliche Treue, die du mir erzeigst, herabsetzen, und meinen Dank schwächen willst.

Lebt wohl, Prinzessinnen, ehemals meine Freundinnen, jetzt grimmige Verfolgerinnen, die nach meinem Blute dürsten, fast hätte ich vergessen, daß ich mit euch, nicht mit dem redete, der jetzt der einige Gegenstand meiner Liebe ist; durch seine Vermittelung komme dieses Blatt in eure Hände; es lehre euch, daß mich eure Wuth doch nicht des besten Guts, das die Menschheit kennt, eines Freundes, berauben konnte.

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 318-321.
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Alf Von Dülmen: Oder Geschichte Kaiser Philipps Und Seiner Tochter , Aus Den Ersten Zeiten Der Heimlichen Gerichte (German Edition)