Peter von Kalatin an den Herzog von **

1209.

[315] Mußte es so mit mir enden? – Ja, ich haßte diesen Otto von Wittelsbach, weil er mit Verachtung auf mich herabsah, haßte den sogenannten Alf von Dülmen, weil er sich höher geschwungen hatte, als ich je mich schwingen werde, und weil er übermüthig genug war, mir seine Schwester zu versagen; aber wäre die Demüthigung meiner beyden Feinde erfolgt, wär Alverde die Meinige geworden, so wär ich befriedigt gewesen, Ottos und Adolfs Mörder wünschte ich nicht zu werden.

Und doch bürdet mir das Schicksal diese schreckliche Rolle auf. Als Mitglied des großen Bundes bestimmte mich das Loos zum Ausrichter der heimlichen Rache, die – o es ist entsetzlich zu sagen – die die Schwester wider ihren Bruder aufgerufen hat! – Als Untermarschall des Reichs habe ich die Obliegenheit, die Verfolgung des Pfalzgrafen zu veranstalten, treffe ich ihn persönlich, so haftet mein Leben für das seinige, ich muß sterben, oder ihn mit dieser Hand erwürgen! grauenvolle Pflichten, welche die schreckliche Göttinn, die wir Gerechtigkeit nennen, von uns heischt! – Sind beyde Angeklagte schuldig, oder ists nur einer? sollen[315] beyde büßen, was nur einer verschuldete? und warum muß ich ihr Henker seyn? – Ach das dachte ich nicht, da ich die ersten Feindseligkeiten wider sie begann, das dachte ich nicht, da ich mich durch römisches Gold zu falschen Schritten verleiten ließ; demüthigen wollte ich die Stolzen, ihr Blut vergießen wollte ich nicht! –

Ihr sagt, daß ich gleichwohl der erste war, der den Verdacht des Kaisermords wider sie erweckte; doch geschahe dieses nicht, um die Heiligkeit unsers Bundes zu retten, um der Gerechtigkeit, die im Verborgenen richtet, den Namen der unbefleckten, untrüglichen auf ewige Zeiten zu erhalten? – Ihr, Herzog! ihr gabt die Losung zu allen diesen Gräueln! ihr ließt euch zu strafbarer Vertraulichkeit mit römischen Spionen verleiten, ihr schwatztet aus, was verschwiegen bleiben sollte, ihr gabt dadurch unsern Feinden die Mittel an die Hand, unserer Gerechtigkeit statt der heiligen Hülle gefärbte Gläser vorzuschieben. Vor eurem Gericht kam die ungeheure Beschuldigung des nun ermordeten Kaisers zu stande, ihr rüstetet die Rächer aus, ihn für ein Verbrechen zu bestrafen, das er nicht begangen hatte; die That geschah, und nun sollen die Thäter für ein Verbrechen sterben, das eigentlich ihr beginget.[316]

Herzog! Herzog! die Rache tritt auch in eure Fußtapfen, ich will euch glauben, daß ihr getäuscht, daß ihr in einen Wirbel von falschen Schritten gezogen wurdet, ohne es fast gewahr zu werden; aber soll das Auge des Richters so leicht zu täuschen seyn? soll sein Fuß so leicht von dem rechten Pfade abirren? – Gesteht, daß ihr euch der hohen Würde eines Stellvertreters des weisen Bernhard von Sachsen ganz unwürdig erzeigt habt, stehet auf aus dem Gericht, wo ihr nicht mehr Platz haben könnt, da das Blut der Unschuld, da Philipps, Wittelsbachs, und Graf Adolfs Blut, da auch das meinige an euren Händen haftet. Stehet auf, Herzog, von dem heiligen Stuhl, ehe man euch mit Gewalt hinwegreißt.

Euch das Elend, dessen Ursach ihr waret, vor Augen zu legen, euch vor dem zu warnen, was euch selbst betreffen könnte, das ist der Endzweck dieses Briefes. Lasset ab von den römischen Verbindungen, in welche ihr, wie man versichert, euch immer tiefer verwickelt. Man hat euch die geheime Einrichtung des allsehenden Gerichts abgelauscht, um seine Macht an sich zu reißen, oder ihm ein anderes an die Seite zu setzen, welches sein Nebenbuhler werden, das unsrige verschlingen, und lange nach seinem Untergang noch existiren kann, da man[317] bey seiner Gründung weniger auf die Nachahmung unserer Gerechtigkeit als derjenigen Dinge sehen wird, die unsern Bund zum Schrecken der Menschheit machen.

Noch einmal Herzog! legt eure Würde gutwillig nieder, ehe man euch die Zeichen derselben mit Gewalt entreißt. Schon ist unser weises Oberhaupt von dem größten Theil eures unvorsichtigen Betragens unterrichtet, durch mich unterrichtet, denkt euch die Folgen, und zittert.

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 315-318.
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