Alix an Alverde.

1207.

[180] Noch einen harten Stand habe ich nach deiner Entfernung gehabt; ich ward über Dinge befragt, von welchen ich zum Glück keine Auskunft geben konnte, über deinen Stand und Herkunft; daß du mehr bist als du dich ausgiebst, mußte ich gestehen, wie hätte ich leugnen sollen, was jedem, der dich sieht, in die Augen fällt. Ueberhaupt ist leugnen gar nicht meine Sache. Eure Rede sey ja, ja, nein, nein, sagen unsere Bücher, die man mir so grausam entrissen hat; gut daß die Lehren derselben in mein Herz geschrieben stehen, womit wollte ich sonst mich jetzt, und in meinem langen freudenlosen Leben trösten, das ich an dem kastilischen Hofe vor mir sehe?

O, Alverde, weißt du was ich jetzt oft mir wünsche? frühen Tod! Ich mit all meinen Wünschen und Hoffnungen passe ja eigentlich gar nicht in diese Welt. Ich, Alverde, ich soll eine Königin werden? Ja, wenn Königinnen ihren Scepter trügen, blos um wohlzuthun! – Dieser Gedanke, der Gedanke durch die Krone zur unumschränkten Macht zu gelangen, Gutes zu stiften, und Elend zu lindern, dieser machte mir[180] lange Zeit mein Loos erträglich. Himmel, Gutes thun, und nicht müde werden, und bey dieser unermüdeten Begier nach guten Thaten, eine eben so unerschöpfliche Quelle an Macht und Vermögen zur Seite zu haben, aus der man nur nehmen und ausstreuen könnte, wo Mangel und Elend lechzte, und wenn denn rund umher, so weit die Augen reichen, alles befriedigt, alles beglückt wär, mit dem Seherblick, den man Königen zuschreibt, in die Ferne spähen nach neuer Arbeit, mit ihrem weitreichenden Arm Hülfe und Trost in die entlegensten Gegenden der Erde tragen, dieses war so mein Plan, und wer bey einem solchen eine Krone verschmähen, oder die Ruhe des Todes der Thätigkeit des Lebens vorziehen wollte, o der müßte wohl den Hauch nicht verdienen, den ihm der Schöpfer für andere nicht für sich schenkte.

Ich habe der Kastelmoro viel von meinen Wünschen und Hoffnungen gesagt, sie hat mich verlacht, und mir so ein ganz andres Bild von dem Leben einer Königin entworfen, daß ich mich mit wahrer Lebensmüdigkeit sehne, das Joch abzuwerfen, welches man mir auflegen will, und das ich zum Theil schon trage. Es scheint, zu tugendhafter Thätigkeit werden mir die Hände in Kastilien noch mehr gebunden seyn,[181] als im Kloster; wer wollte sich da das Leben wünschen? –

Mein Ansehen ist hier so klein, ungeachtet alles sich stellt mir zu Füssen zu sinken, daß ich nicht einmal Macht zu bitten habe, oder Hoffnung, daß man meine Vorbitte hören wird: Du erinnerst dich vielleicht eines jungen Menschen, welcher einst von meinem Bruder abgeschickt, mir einige Bücher brachte, deren Verbergung uns in der Folge so große Unruhe machte – (ach sie sind auch dahin, man hat mir sie genommen, und ich habe die Kastelmoro in Verdacht, daß sie sie den Flammen opferte) – dieser junge Mensch also, – (Alf von Dülmen denke ich ist sein Name) – der schönste Jüngling, den ich jemals sahe, mir doppelt rührend, durch den Ausdruck heiliger Schwermuth in seinem Auge, ist einigemal in Kirchen und auf Spaziergängen ertappt worden, daß er mir und meinen Frauen folgte; ich weiß es selbst, daß er es that, ich sprach damals mit dir davon, und glaubte, daß du, meine Alverde, der Gegenstand seiner Aufmerksamkeit wärest, ach die blendende Blässe seiner Wangen, und der wilde Blick seiner herumirrenden Augen hätte wohl auf das deuten können, was ich wohl ehe von den Würkungen unglücklicher Liebe hörte. – – Nun dieser Alf von Dülmen, (ich weiß[182] nicht, wie ich dies sagen soll, mir ists als würde ich mit der Nachricht dein Herz verwunden, ich fange zehnmal an und kann nicht endigen,) – genug man hat ihn, Gott weiß warum, eingezogen, und in ein abscheuliches Gefängniß geworfen. Sein Diener kam, nach dir zu fragen, und dich um Vorbitte für ihn anzusprechen, woraus ich fast schließen möchte, daß er dir bekannt wär, und meine Furcht, du könntest durch die Nachricht von seinem Schicksal gekränkt werden, ihren guten Grund hätte. –

Du warst nicht mehr vorhanden, da wandte sich Alf von Dülmens Vorbitte an mich, und du kannst wohl denken was ich that. Zum Bischof von Kastilien eilte ich, welcher des Gefangenen Schicksal in Händen hat, für ihn zu bitten; aber glaubst du, daß meine Vorbitte, die Vorbitte einer Person, welcher man mit der Macht zu befehlen schmeichelt, etwas fruchtete? Fast zu Füssen habe ich mich dem grausamen Priester geworfen, umsonst! Mein Eindringen schien ihn nur noch mehr zu erbittern. – Ich eilte von ihm zu den Grafen von Kastelmoro, dem Sohn der Fürstin, ich bestürmte das Mitleid der Fürstin selbst, sich mit mir bey dem Bischof zum Besten des armen Unbekannten zu verwenden; ich ward eben so hart, fast möchte ich sagen schimpflich zurückgewiesen. Es hat[183] das Ansehen, als wollte man mir es zur Sünde rechnen, daß ich Gefühl für fremde Leiden habe. Man hat mich in Verdacht geheimer Kenntniß von den mir unbekannten Verbrecher jenes Gefangenen; man thut Fragen an mich, über die ich erstaune! O, Alverde, noch einmal, ist dieses der Zustand einer künftigen Königin, so wähle ich den Tod – doch ihn herbeyzuwünschen, ist fast so ruchlos als ihn beschleunigen, ich nehme also meine Worte zurück, und ergebe mich in mein Schicksal.

Alf von Dülmen soll tod seyn, man sagt, meine Vorbitte habe sein Urtheil beschleuniget, o Alverde, siehe hier die glorreichen Würkungen, welche inskünftige meine Verwendungen für Elende haben werden.

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 180-184.
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