Alverde an den Pater Zyrill

vom heiligen Kreuze.

1208.

[265] Mein Herz braucht Trost, meine Aufführung Leitung, an wen könnte ich mich lieber wenden als an Euch. Ach, mein Vater, die Dinge,[265] von welchen ich Euch zu unterhalten habe, sind Eurem Herzen nicht fremd, sie betreffen die, welche Ihr ehedem schätztet und liebtet, betreffen Philipp und Otto, mit welchen ihr einst in so genauer Verbindung standet. Trauert nicht, daß Eure zu feste Anhänglichkeit an Pflicht und Tugend Euch vom Hofe vertrieb, Euch aus einem kaiserlichen Gesandten zu eurem gegenwärtigen demüthigen Posten brachte, denn welche Greuelthat würdet ihr hier erlebt haben, aber darüber trauert, daß endlich das teuflische Projekt, das Herz des besten Mannes zu vergiften, und ihn zum Mörder seines Freundes, seines Vaters zu machen, dennoch geglückt ist. O Zyrill, hättet ihr damals, als ihr den Grafen von Wittelsbach auf seiner Gesandschaft nach Rom begleitetet, als ihr Augenzeuge von seiner großmüthigen Verachtung alles desjenigen waret, was man aussann, ihn gegen den Kaiser aufzuwiegeln, hättet ihr gedacht, daß Philipp einst durch seine mörderische Faust fallen würde? – Muß es denn der Bosheit vergönnt seyn, die Tugend so lange mit unabläßigen Angriffen zu ängstigen, bis sie endlich Siegerinn ist? – Ach Otto würde kein Verbrecher geworden seyn, hätte man nicht durch unabläßiges verleumderisches Einhauchen sein Urtheil allmählig bestochen, und so ihn nach und nach zu[266] einer That bereitet, die nun leider geschehen ist, und die ich Euch nicht erzählen darf, da ihr bereits durch das Gerücht alles vernommen haben werdet.

Man kann sich keine andere Ursach denken, warum Wittelsbach die Hände mit dem Blute seines Freundes seines Vaters benetzte, als seinen Wahn von der kastilischen Heyrath, den ich Unschuldige von andern getäuscht, leider auch mit nähren half und einen Brief, welchen der Kaiser an den Herzog von Pohlen zu Ottos Nachtheil geschrieben haben soll, und der, mit sich nun ergiebt, von einem erkauften nun bereits bestraften Geheimschreiber untergeschoben ward!

Mit der kastilischen Heyrath hat es die nemliche Bewandniß, es erweist sich, daß die Gesandten um des Pfalzgrafen willen bereits abgewiesen waren und daß der edle Philipp auf keine Art treulos an seinem Mörder gehandelt hatte. Aber wird durch die Erweisung und Kundbarkeit dieser Dinge unsere Lage glücklicher? o nein! wir steigen durch sie noch eine Stufe tiefer in den Abgrund des Elends hinab!

Ein verrätherischer Tyrann wird ja nicht so bitter beklagt, als ein gütiger nur verkannter Vater; den Rächer angethanen Unrechts kann man ja weniger verabscheuen, als den, welcher aus blindem[267] Jähzorn seinen Wohlthäter ermordete, und wie schrecklich ists, den verabscheuen zu müssen, den man ehemals liebte!

Elisens Jammer ist nicht auszusprechen. Das Unglück, ihren Vater auf diese Art verlohren zu haben, berechtigte sie schon zu Kummer ohne Gränzen, aber ihn durch Wittelsbach verloren zu haben, wer mißt das Fürchterliche, das in diesem Umstande liegt? wer kann sie verdenken oder tadeln, daß sie sich selbst Vorwürfe macht, weil auch sie voreilig zu Werke ging, weil sie aus einigen falsch verstandenen Worten in einem Briefe ihres Otto ihn für treulos hielt, und ihn durch Härte und Vorwürfe aufs äußerste brachte?

Zittre vor den Folgen deiner Strenge! schrieb er am Ende jenes unglücklichen Briefs, von dessen Beantwortung alles abgehangen zu haben scheint; ach wer hätte sich bey diesem Manne die schrecklichen schrecklichen Folgen getäuschter Liebe, die wir nun vor Augen sehen, denken können!

Nun erklärt sichs, daß Philipp unschuldig, daß von Kastilien her nichts zu fürchten, daß Otto nicht treulos, sondern nur Herzog Bernhards Brautwerber um die schöne Adila war, aber die schreckliche That, welche auf den falschen Wahn von all diesen Dingen gebaut war, ist nun einmal zur Hölle entschlichen, wer will sie zurückrufen, wer den ermordeten Philipp erwecken, oder Ottos Hände von Blut reinigen?[268]

Es ist schrecklich, wie eine That wie diese den ganzen Charakter eines Mannes, selbst eines Tugendhelden, wie Wittelsbach, umwandeln kann; hätte ich mir ihn nach verübter That vorstellen sollen, so würde ich mir ihn am Abgrund der Verzweiflung, reuig, bekennend, oder aufs höchste sein Verbrechen beschönigend gedacht haben; aber zu leugnen, mit der höchsten Unverschämtheit zu leugnen, was vor den Augen mehreren Zeugen begangen ward, zu drohen, noch Plane zu neuen Verbrechen zu machen, wer hätte das in dem edeln Pfalzgrafen gesucht!

Leset diesen Brief, welchen Elise gestern Morgen erhielt, höret, was auf denselben erfolgte, und erstaunet über die Herabwürdigung Eures ehmaligen Tugendhelden. Auf Vergunst der Prinzessinn mache ich euch zum Vertrauten in diesen Dingen, sie schätzt Euch, wie ich Euch schätze; und nicht allemal mit den strengen Aussprüchen ihres Gewissensraths, des Bischofs von Sutri, gleich zufrieden, will sie auch Eure Meinung über diese Dinge hören.

Hier ist Wittelsbachs Schreiben.


Der Pfalzgraf Otto an Elisen.


Falsche! nicht genug, mich durch deine Härte, durch die grausame Behandlung eines Unschuldigen[269] aufs äußerste gebracht zu haben, willst du mich noch zum Mörder deines Vaters machen? Ich bin es nicht! ein Mensch oder ein Teufel muß meine Gestalt angenommen haben, euch alle zu täuschen, wenn das Ganze nicht nur ein Vorwand ist, dich ohne den Tadel der Welt von mir loszumachen! Wisse, ich lasse dich nicht, und ob heilige Mauern dich bärgen, und ehe der Abendstern zweimal heraufgeht, bist du in meinen Armen.


Dieser Brief versetzte uns alle in das heftigste Schrecken, den Betheurungen von Wittelsbachs Unschuld glaubten wir nicht, konnten ihnen nicht glauben, wenn wir nicht die von mehreren Zeugen bestättigte Wahrheit zur Lügnerin machen wollten, aber vor seinen Drohungen zitterten wir. Wir sahen sie noch in selbiger Nacht erfüllt. Gewappnete brachen in das Zimmer der Prinzessinn ein, und brachten sie davon, Wittelsbach war persönlich nicht gegenwärtig, aber da keiner von seinen vornehmsten Dienern unter den Entführern fehlte, so konnte man die Hand nicht verkennen, welche die angedrohte That ausführte.

Ich, welche diese Nacht allein bey Elisen geblieben war, entkam mit Mühe den Räubern, welche auch mich festhalten und verhindern wollten, Lerm zu machen. Ich wußte keine thätigere[270] Hülfe zu suchen, als bey meinem tapfern Bruder; der Pallast des Pfalzgrafen, in dem er sich bisher aufgehalten hat, stößt an den unsrigen, wenig Schritte brachten mich in Alfs Vorzimmer; hier erfuhr ich erst, daß seine Hüter – (ach der zerrüttete Gemüthszustand des Unglücklichen, welchen ich in dem Augenblick, da ich seine Hülfe suchen wollte, nicht gleich erwog, hat ihm seit einiger Zeit Hüter nöthig gemacht!) – Hier, sage ich, erfuhr ich erst, daß man ihn schon seit vorgestern vermißte; der allgemeine Tumult am Tage der Ermordung des Kaisers muß gemacht haben, daß man ihn aus der Acht ließ, er muß ganz blos entflohen seyn, denn nichts von seinen Sachen, die man ohnedem vor ihm verschlossen hatte, vermißt man, und selbst sein Nachtgewand, darin er das Bette verließ, hat man in einem Winkel des Hauses gefunden.

Hier also neue Ursach für mich zu Gram und Verzweiflung, ich hatte also auch den Bruder verloren, der auf die letzt mir seine Liebe ganz entwendet hatte, mich nicht einmal vor sich lassen wollte, weil er glaubte, ich habe in seinen Abentheuern mit der Gräfinn von Toulouse nicht zu seinem Vortheil gehandelt.

Die Angst um Elisen machte, daß ich diesen neuen Schlag des Schicksals nur halb fühlte. Sie mußte schleunige Rettung haben, und[271] ich suchte sie bey den kastilischen Gesandten, welche, ungeachtet sie mit ihrer Werbung vom Kaiser abgewiesen worden waren, doch noch hier verweilten, weil sie gehört hatten, er habe in seinen letzten Augenblicken noch einige Worte zum Besten ihres Herrn mit der Prinzessinn gesprochen; dies ist nur allzuwahr, und ich weis nicht, was die Folge davon seyn wird, und ob ich das, was wahrscheinlich geschehen muß, billigen oder tadeln soll.

Durch Hülfe der kastilischen Gesandten, besonders des tapfern Grafen Kastelmoro, sahen wir des andern Morgens unsere Elise uns wieder geschenkt, er hatte sie noch eher ereilt, als sie von Wittelsbachs Reisigen in die Arme ihres wartenden Herrn geliefert wurde. Der Schrecken hat die Geraubte so krank gemacht, daß sie den Pallast der Gesandten, in welchen sie ihr Retter brachte, noch nicht hat verlassen können. Ihre Schwester, die Prinzessinn Beatrix ist bey ihr, und vereinigt sich mit dem Bischof von Sutri, dem von Speyer, und dem von Kastilien, der unglücklichen Dame begreiflich zu machen, daß sie verbunden ist, den letzten Willen ihres Vaters zu erfüllen, und in den Armen des kastilischen Prinzen den Schutz zu suchen, den ihr kein Ort, selbst kein Kloster vor[272] Angriffen des wütenden Wittelsbachers geben wird. –

Noch schützt sie sich mit der fehlenden Einwilligung ihrer Mutter, aber wie wird ihr geschehen, wenn sie erfährt, daß die vortrefliche Kaisersinn nicht mehr ist!

Die Schreckenspost von Philipps Ermordung durch Wittelsbach, hat ihr eine frühzeitige Niederkunft, und durch dieselbe den Tod gebracht. Am Ende dieses Schreibens erhielt ich die Nachricht von der Oberhofmeisterinn, mit Bitte sie den Prinzeßinnen behutsam beyzubringen. –

Wie kann ich das? Wie kann ich ihnen den Dolch in die Brust stoßen, ohne sie zu töden? – Hier ein Schreiben von der abgeschiedenen Heiligen an ihre Kinder, wie soll ich es ihnen überreichen? –

O mein Vater, mir schwindelt, ich weis nicht mehr was ich schreibe! ich hatte euch noch so viel zu sagen, von dem frommen Bischoff Egbert, und dem treflichen Marggrafen von Andechs, wie sie ihres Bruders des Wittelsbachers Schuld, und seine Durchächtung theilen müssen; alles dieses bleibt nun bis zu besserer Fassung. O Otto! Otto! über wie viel gute Seelen hast du den Fluch gebracht.[273]

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 265-274.
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Alf Von Dülmen: Oder Geschichte Kaiser Philipps Und Seiner Tochter , Aus Den Ersten Zeiten Der Heimlichen Gerichte (German Edition)

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