Anton von Hagenau, kaiserlicher Kammerherr an die Oberhofmeisterinn der Kaiserinn Irene.

1208.

[260] Wapnet euch mit Standhaftigkeit, edle Frau, das schrecklichste zu vernehmen, was der Himmel über uns verhängen konnte. Der Kaiser ist ermordet!!

Auf Befehl der Reichsräthe setze ich mich, euch die Unglückspost im ersten Wahnsinn der Bestürzung, fast in dem Augenblick, da die That geschah, zu berichten, damit sie das Ohr unserer guten Gebieterinn nicht unzeitig erreiche,[260] damit ihr für sie wachen könnt, daß übereilte Entdeckung ihres Unglücks sie nicht tödte.

Es ist die unerhörteste That, welche je verübt wurde, sie ist vor unser aller Augen geschehen, ohne daß einer sie hindern konnte. Ich würde mir sagen, ich habe den unsinnigsten, schrecklichsten Traum geträumt, wenn hier auf dem Boden nicht das rauchende Blut, aus welchem man eben Philipps entseelten Körper aufhub, ihn in ein anderes Zimmer zu bringen, und wenn nicht die Stimme allgemeines Klagens nebst dem Getümmel der Bestürzung mir die Gewisheit des grauenvollen Vorgangs bestättigten.

Der hochwürdige Erzbischoff von Speyer, welcher sieht was ich geschrieben habe, befiehlt mit, mich nicht in fruchtlose Klagen zu vertiefen, sondern zu eilen, damit das gemeine Gerücht nicht meinem Briefe zuvorlaufe, und vielleicht unserer guten Kaiserinn den Tod bringe.

Hört also mit wenig Worten das Ganze der Greuelthat, welche nicht in so viel Minuten geschehen war, als ich brauchte, davon zu schreiben.

Otto von Wittelsbach ist der Mörder! daß er wenige Meilen von der Stadt angekommen war, wußte der Kaiser, er wunderte[261] sich über sein Zögern und ließ ihn zu sich fordern, weil er Wichtigkeiten mit ihm zu bereden hatte, er erwartete ihn in Gesellschaft des Bischoffs von Speyer, und des von Bamberg in seinem Kabinet, wohin auch die Prinzesinn Elise beschieden war; man vermuthete ein Anmuthung an den Pfalzgrafen, sich wegen der kastilischen Heyrath von seiner Verlobten loszusagen, aber ich, der immer um den Kaiser war, und viel Geheimes aus seinem Munde hörte, weis fast mit Gewißheit, daß die Absicht unsers unglücklichen Monarchen war, sich vor dem Pfalzgrafen, wegen eines untergeschobenen Briefes an den Herzog von Pohlen, der ihm zur Last gelegt wird, zu rechtfertigen, und ihm den Besitz seiner Elise, die den kastilischen Gesandten abgeschlagen wurde, von neuem zu versichern.

Während der Kaiser nebst den beyden Bischöfen die zu ihm beschiedenen erwartete, stand ich an der einen Seite der Kabinetsthür, und wartete auf Befehl, sie zu öfnen. Ich hörte jemand mit Hastigkeit, in das Vorzimmer eintreten, und bemerkte durch das Seitenfenster den Pfalzgrafen in voller Rüstung mit entblößtem Schwerd, und so festgeschlossenen Helm, als gehe es zur Schlacht und nicht zum Verhör bey seinem Herrn; welchem er[262] sich doch Wohlstands wegen mit entblößtem Gesicht zu zeigen, verbunden gewesen wär, – aber gewiß war dieses auf Geheimhaltung des Verübers der vorhabenden Greuelthat abgesehen; als wenn nicht des Wittelsbachers Waffen, und seine Riesengestalt, in welcher er hier bey Hofe kaum eines Gleichen hat, hinlänglich wären, ihn kenntlich zu machen. – Ich ward gefragt, wer im Vorzimmer tose. Es ist der Herr Pfalzgraf, sagte ich halb lachend, welcher mit seinem Schwerd allerley wunderliche Gaukeley treibt, er ficht gegen die Wände, kehrt jetzt das Eisen gegen seine Brust, und murmelt unverständliche Worte zwischen den Zähnen.

Er glaubt sich allein, sprach der Kaiser, öfne die Thür, und sage, daß er gebührlich eintrete. Otto trat, oder vielmehr er stürzte herein. Es war, als ob seine Geberde und das fortdaurende Gaukelspiel mit dem Schwerdte schaudern machte. Der Kaiser erwartete seine Anrede, und sagte denn mit mildem Ton: Mein Otto, was ist euch? vergesset ihr ganz, vor dem ihr stehet? – Ha, Verräther schrie der Wahnsinnige, indem er sich auf den Kaiser stürzte, der ihm einige Schritte entgegen trat, ich stehe vor einem verruchten Mörder, den dieses Schwerd richten soll!

Mehr errathen als gehört haben wir diese Worte, jeder von uns will sie anders vernommen[263] hoben; wahrscheinlich hörte keiner ganz richtig, unsere Seele war in die Augen geflohen, wir sahen das Schwerd des Meuchelmörders blinken, wir stürzten hinzu, aber der Kaiser war gefallen, der Thäter entflohen, ehe wir beide erreichen, oder das Geschehene hindern konnten.

Kaiser Philipp lag in den Armen des Bischofs von Bamberg, und blutete aus einer fürchterlichen Halswunde, die er empfangen hatte. Ihr seyd der Bruder meines Mörders, stammelte der Kaiser, ich vergebe euch und ihm, und will glauben, daß ihr unschuldig seyd.

Ich lag vor dem Verwundeten auf den Knien, und bestrebte mich, das Blut zu stillen; der Bischof von Speyer stand wie versteinert da, und warf verdachtvolle Blicke auf Bischof Egberten, den ich an der That seines Bruders schuldlos halte, und der in einem Zustand war, welcher ihn dem Tode fast so nahe brachte, als der verwundete Kaiser war; es eilten mehrere Kammerbediente auf das Geräusch von des Kaisers Fall und den Anblick des fliehenden Mörders, den sie nicht aufhalten konnten, herzu, sie brachten den ohnmächtigen Egbert hinweg, und liefen nach Wundärzten.

Da trat die Prinzessin Elise herein, sie war dem Mörder begegnet, welcher mit dem blutigen Schwerde bey ihr vorbeygestrichen war,[264] ohne von ihr gekannt zu werden, oder sich bey ihr aufzuhalten. –

Doch dies läßt sich nicht beschreiben! – Denkt selbst, was die zärtliche Tochter bey dem blutenden und sterbenden Vater, bey der Nachricht fühlen mochte ihr Verlobter habe ihn ermordet.

Der Kaiser war, während man sich mit der ohnmächtigen Prinzessinn beschäftigte, verbunden worden, aber die Wundärzte gaben keine Hofnung! – Elise, stammelte er, noch ehe er verschied, dein Wittelsbach, den ich dir so gern gegönnt hätte, ist für dich verloren, du wirst dem Mörder deines Vaters nicht die Hand geben, werde kastilische Königinn!

Ich werde hier erinnert, der Eil wegen zu schließen! Gott weis, was ich geschrieben habe, die Wahrheit ist es, das andere entschuldige die allgemeine Bestürzung.

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 260-265.
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Alf Von Dülmen: Oder Geschichte Kaiser Philipps Und Seiner Tochter , Aus Den Ersten Zeiten Der Heimlichen Gerichte (German Edition)