Otto von Wittelsbach an die Kaiserinn Irene.

1208.

[258] Leset beygeschlossene Briefe, eine Kopie eines Schreibens von mir nebst seiner Antwort, und entscheidet zwischen mir und eurer Tochter! Ich treulos? Otto treulos? Ich ein Bekenner meiner eigenen Schande? Was habe ich gesagt, was habe ich geschrieben, das sich auf diese Art deuten ließ?[258]

Euch, meine Mutter, übergebe ich meine Sache. Zu ruhelosem Umhertreiben bestimmt, muß ich in dem Augenblick, da mein Herz von tausendfachen streitenden Gefühlen glüht, da es alles fühlt, was Rache, Liebe und Bekümmernis folterndes haben, mich zu einer neuen Reise verstehen, da ich die vorhergehende kaum geendigt habe. Herzog Bernhard von Sachsen fordert mich in einem mir ganz unverständlichen Briefe zu sich, fordert mich auf eine Art, der ich nichts entgegen setzen kann! – Muß denn alles auf mich einstürmen? Was will Bernhard mir zu dieser Unzeit? will er mich vielleicht wegen der mislungenen Werbung um die pohlnische Adila, die ich für ihn übernahm, zur Rede setzen? – Er halte sich an den Kaiser, den ich einen Verräther nennen würde, wenn er nicht Irenens Gemahl war! Doch er ist, er ist es trotz seiner Verbindung mit diesem Engel! Anstatt Bernhards Ehewerbung in dem von ihm geforderten Empfehlungsschreiben an den Herzog von Pohlen zu begünstigen, schilderte er mich und ihn in den gehäßigsten Farben, und widerrieth heimlich, was er öffentlich zu befördern versprach. Der Pohle, redlicher als er, entdeckte mir dieses, und hies mich zurück eilen, wenn ich noch einem heimtückischen[259] Streiche vorbeugen wollte. Ich eile auf den Flügeln der Ungeduld, und das Gerücht kommt mir entgegen, wie kastilische Gesandte bey Hofe angelangt wären, die mir versprochene Elise zu ihrer Königinn abzufordern. In der ersten Wuth gekränkter Ehre und Liebe, schreibe ich an meine Verlobte, und erhalte diese Antwort. O Mutter, Mutter! entscheidet zwischen ihr und mir, entscheidet günstig für mich, oder ich wiederhole es auch euch, zittert vor den Folgen!

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 258-260.
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Alf Von Dülmen: Oder Geschichte Kaiser Philipps Und Seiner Tochter , Aus Den Ersten Zeiten Der Heimlichen Gerichte (German Edition)