Alverde an die Aebtißin des Cölestinerklosters zu Pamiers.

1210.

[339] Verwahrt die Papiere wohl, die Euch kurz vor diesem Schreiben oder mit demselben eingereicht wurden; merkwürdige Dokumente beyspiellosen Unglücks! – Alverde, Mörderin ihres eigenen Bruders? Beatrix und Elise, Verderberinnen derer, welche sie auf der Welt am meisten liebten? Wird die Nachwelt fassen, wird sie glauben, was in diesen Worten liegt?

Ich schreibe auch dieses durch die Hand einer vertrauten Dirne, nicht der Jutta, welche mir seit ihrer Vertraulichkeit mit Sutri, verdächtig geworden ist. Sutri ist hier, vermuthlich auf ihr Anregen, mir meine letzten Stunden schwer zu machen; vielleicht fordert mich Gott ab, ehe die Stimme donnernden Gesetzes aus seinem Munde mir noch den wenigen Trost raubt, den ich übrig habe!

Ja, ehrwürdige Mutter, mein kurzes qualvolles Leben ist bald vorüber, die Stunden sind kostbar, ihr müßt in wenig Worten vernehmen, was mich so schnell zum Ziel beförderte. Die Würkung einiger unüberlegten Schritte,[339] die ich, verführt, ohne Euren Einrath und Vorwissen that! –

Das Ganze, wie man uns nach und nach zu unserm und unserer Freunde Verderben leitete, euch zu erzehlen, wär für mich am Rande des Lebens zu viel; ich beziehe mich auf meine Papiere. Alles ist unsern Feinden gelungen: Wittelsbach ist tod, das Schicksal ließ uns ihn am Ufer der Donau sterbend treffen. Kalatin, von der Gerechtigkeit zu der blutigen That authorisirt, war sein Mörder. Während wir uns mit der Rettung des Verwundeten vergeblich bemühten, erschien Alf von Dülmen, Wittelsbachs bisheriger Elendsgefärthe, damals nur zu seinem Unglück auf wenige Tage von ihm getrennt, an deren Ende ihn das Schwerd des Rächers getroffen hatte.

Alf von Dülmen, ich wage es nicht ihn Bruder zu nennen, fand seinen tödlich verwundeten Freund, fand uns an seiner Seite, wechselte wenige schreckliche Worte mit uns, die mich in Ohnmacht stürzten, und flog dann, Wittelsbachs Mörder aufzusuchen, und ihn an der Stelle, wo er gefallen war, hinzurichten. Ich sah nichts davon, wie ihm sein Unternehmen glückte, sah nicht, wie er nach vollbrachter That den grauenvollen Entschluß faßte, seinem elenden Leben durch einen Sprung in die[340] Donau ein Ende zu machen. Ich hörte es von Beatrix, von ihr könnt ihr alles weitläuftiger erfahren, wenn Gott ihr das Leben fristet, wie ich zu ihm sterbend flehe, ich werde zu schwach, um der Schreiberin alles in die Feder zu sagen.

Beatrix ist krank, man zweifelt an ihren Aufkommen; der sie mit der heissesten Inbrunst liebende Kaiser, besteht darauf, daß sie als seine Gemahlin leben oder sterben soll, sie wurden diesen Morgen in der Stille eingeseegnet. Beatrix hat für die Freunde des Wittelsbachers und für seinen Leichnam gebeten, den man in die Donau geworfen hat; für Alf von Dülmen kommt alle Vorbitte zu spät. – Von den Verwandten des Pfalzgrafen ist die Acht zurück genommen, sein Leichnam ist gefunden, und ehrlich beerdigt worden. Alfs Körper hat man nicht finden können!

O, meine Mutter, ihr merkt aus den letzten so kurzabgebrochenen Worten, wie schwach ich bin! – Meine letzte Hoffnung ist Ruhe in jener bessern Welt, Gott gebe, daß mir sie kein Sutri raube! – Vergesset nie die unglückliche Alverde![341]

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 339-342.
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Alf Von Dülmen: Oder Geschichte Kaiser Philipps Und Seiner Tochter , Aus Den Ersten Zeiten Der Heimlichen Gerichte (German Edition)