Beatrix an Alverde.

1209.

[291] Ich komme von meiner unglücklichen Reise nach Frankfurth zurück, ich eile auf mein Schloß Frankenstein, dahin ich dich beschied, ich denke in deinen Armen mein ganzes Herz auszuschütten, und ich vernehme, daß du zwar hier gewesen, aber schnell davon geschieden bist. Deine Abreise trägt die seltsamsten Spuren des Geheimnisses. Um Mitternacht in Trauergewand, ohne alle Begleitung, hast du das Schloß verlassen.

Deine Weiber, die mir weinend entgegen kamen, wollen dich vor dem unerklärlichen Schritte in außerordentlicher Bewegung gesehen haben, du sollst die Jutta, welche du immer am meisten liebtest, und die dich ungeachtet deines Verbots weiter als ihre Gespielinnen begleitete, noch einmal umarmt, und zu ihr gesagt haben, bete für mich, gutes Kind, ich weiß nicht ob ich zum Leben oder zum Tode gehe! –

Ich habe mit den Ueberbringerinnen dieser unerklärlichen Nachrichten gescholten, sie hätten dich schlechterdings nicht allein lassen sollen, wer weiß, zu was für Ausschweifungen dich der[291] Trübsinn, der dir nach den letzten Trauergeschichten anhängt, und die Einsamkeit, in welcher du hier gelebt haben sollst, gebracht haben.

Ich höre, daß du niemand gesehen hast, als den Bischof von Sutri, und meine Muthmaßung, daß er um deine Angelegenheiten wissen muß, ist wohl nicht ungegründet; ich habe schon mit ihm hierüber gesprochen, ohne etwas ergründen zu können. Nur in einem hat er mich beruhigt: Ich besorgte, Kalatin, der, wie ich weiß, dir noch immer nachstellt, habe dich zu verlocken gewußt, und du seyst vielleicht in seine Hände gerathen; Sutri versichert mich vom Gegentheil, und setzt das Versprechen hinzu, dir einen Brief von mir in die Hände zu liefern; so weiß er doch wo du bist, also kennt er doch die Mittel zu dir zu gelangen? – Wer mag sich in diese Bischöfe finden! auch ich habe mich nur allzuoft von ihnen lenken lassen, und jetzt sehe ich die Folgen davon, Folgen, die ich ewig bereuen werde! Gebe Gott, daß du nicht das nehmliche erfahrest: Höre hier das vornehmste meiner letzten Geschichte, das ich dir mittheilen muß, um mein Herz nur einigermaßen zu erleichtern.

Von Sutri angefeuert, entschloß ich mich zur Reise nach Frankfurth; ich glaubte dem Tode entgegen zu gehen. Beydes der Ort, wohin,[292] und die Ursach, warum ich reiste, mißfiel mir. Ich sollte Rache über das vergossene Blut desjenigen flehen, welchen keine Ahndung der Schreckensthat in die Arme seiner Kinder zurückbringt, sollte dieses verabscheuungswürdige Gesuch bey demjenigen anbringen, den ich haßte, ohne ihn je gesehen zu haben, bey Otto, dem nunmehrigen Kaiser, dem Gegner meines unglücklichen Vaters bey seinen Lebzeiten, jetzt dem Besitzer seines Throns, bey ihm, mit dessen Heyrath ich von Kindheit auf gequält wurde, und der, als ich ihm endlich angetragen ward, mich verschmähte.

Er verschmähte mich, weil er mich nicht kannte, dies sagte man mir tausendmal, und o möchte er mich doch nur nie kennen gelernt haben! Aber ich habe Ursach zu glauben, daß man mich nur darum zu dieser Reise veranlaßte, um mich ihm vor die Augen zu bringen; – man hat seine Absicht erreicht, der Kaiser hat mich gesehen, in einer unglücklichen Stunde gefiel ich seinen Augen, und er hat Unterhandlungen verneuert, welche er einst selbst abbrach.

Alverde, ich kann nicht sagen, daß Otto, der Kaiser mir mißfällt, er ist ein schöner, und wenn die gemeinen Regeln der Gesichtskunde nicht trügen, ein edler Mann, ich hätte ihn[293] vielleicht lieben, hätte ihn wenigstens dulden können – wenn kein Alf von Dülmen in der Welt gewesen wär. – O, meine Schwester, verzeihe mir das nochmalige Geständniß einer Schwachheit, die du nie billigtest, ich liebe deinen Bruder, ich werde ihn ewig lieben, der Kummer um ihn ist jetzt, da ich bereits alles verlohren habe, was mir das Leben lieb machte, da ich nach dem Tode angebeteter Eltern für kein andres Leiden Gefühl übrig haben sollte, noch immer stark genug meine umwölkten Tage noch mehr zu trüben. O, Alverde, wo mag Alf von Dülmen seyn? wo mag er verweilen, daß er nicht die Flecken abwischt, welche man seinem guten Namen anhängt! Es war mir schon entsetzlich, Otten von Wittelsbach, meinen Freund, den Liebling meiner Mutter, den Verlobten meiner Schwester, Kaisermörder schelten zu hören, denke was ich fühle, wenn man den Mann meines Wunsches und meiner Wahl mit diesen Namen brandmarkt!

Frankfurth zu besuchen, vor dem Kaiser um Recht zu flehen, ließ ich mich wahrlich mehr aus Liebe als aus kindlicher Pflicht bewegen; Rache kann, wie ich schon vorhin sagte, mir meinen Vater nicht wiedergeben, aber Rache, wenn sie den rechten Mann trifft, kann wohl den Unschuldigverleumdeten rechtfertigen, und mir den Gedanken an ihn erlaubt machen! –[294]

Ach dieser Gedanke möchte mir wohl nun auf ewig verboten seyn! Des Kaisers Absichten auf mich sind ernstlich, man sagt, er sey über meine schnelle Abreise aus Frankfurth in Verzweiflung, er habe gewähnt, ich sey aus Zorn geschieden, weil er mein Gesuch mit den Worten abschlug: »Kaiser Philipps Mord sey in so dichte Dunkelheit gehüllt, daß kein anderer als Gott den Mörder richten könnte.«

Bey Gott! dies war nicht die Ursach, warum ich mich so bald zurückzog; ich wußte ja kaum ob ich das wünschte, was ich am Throne suchte, wie hätte mich die Verweigerung beleidigen sollen; aber den Eindruck, den ich auf dem Kaiser machte, sahe ich, seinen Fortgang wollte ich hindern, darum flohe ich.

Der Bischof von Speyer, welcher dem Kaiser die Reichskleinodien nach Frankfurth überbrachte, und dem ich auf halben Wege begegnete, schalt mit mir über meine Flucht, er drang auf meine Rückkehr, und schwur, als ich mich weigerte, er wolle die Sache zu meinem Glück schon zu endigen, und meine begangenen Fehler auszugleichen wissen.

Glück, Alverde, was nennen diese zudringlichen Freunde Glück? daß ich Kaiserin werde? – O wie armselig gegen den Wunsch meines Herzens, Liebe und Leben an der Seite des Mannes, den ich mir wählte![295]

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 291-296.
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Alf Von Dülmen: Oder Geschichte Kaiser Philipps Und Seiner Tochter , Aus Den Ersten Zeiten Der Heimlichen Gerichte (German Edition)