Beatrix an Irene.

1208.

[244] O meine Mutter, welche Unruhen hat die Nachricht von dem Tode unserer lieben Gräfin von Toulouse verursacht! meine Schwester, überhaupt von Natur tieferer Gefühle fähig als ich, und nicht mit genugsamen körperlichen Kräften begabt, um innerliche Stürme auszuhalten, liegt ganz zu Boden, sie ist unfähig, euch zu schreiben, und hat mir dieses Geschäft, das einige,[244] was mir gegenwärtig Trost bringen kann, aufgetragen. Ach ich weiß es, was ihren Kummer, der ohnedem beym Verlust einer solchen Freundin wie Alix, bey einer solchen Verkettung von tragischen Umständen wohl natürlich ist, ich weiß es, was ihren Kummer gränzenlos macht, die Furcht vor der kastilischen Heyrath, welche wohl nicht ganz ungegründet seyn möchte, da gestern der Graf von Kastelmoro, der Bischof von Kastilien und der junge Dominikus Guzmann in Geschäften hier angelangt sind, welche niemand erfährt, die sich aber errathen lassen. Sie haben schon zweymal geheime Audienz bey meinem Vater gehabt, und meine Schwester ist, wenn sie sich so weit erholen kann, außer dem Bette zu seyn, auf diesen Abend zu einer Privatunterredung in das Kabinet des Kaisers beschieden.

Sie arbeitet unter tödlicher Angst, sie zittert vor der Trennung von ihrem Otto, und doch, meine Mutter, und doch weiß ich nicht, ob der Wittelsbacher es verdient, so heiß von ihr geliebt zu werden, ob er es verdiente, daß auch ich ihn einst mit besonderer Partheylichkeit ansah, und – was sollte ich leugnen, – mir gern das Loos meiner glücklichern Schwester gewünscht hätte. – Diese Träume sind Gottlob vergangen, ich sehe jetzt heller, in Ansehung des[245] Pfalzgrafen als meine partheiische Schwester. Ich habe kürzlich einen Brief von Kunigunden aus Rom, welcher mir Dinge von dem Wittelsbacher meldet, über die ich zurückschauere. Ich habe ihn Alverden mitgetheilt, welche versichert, Elise habe ein ähnliches Schreiben von unserer Schwester erhalten, und sie habe ihr über dasselbe schon gesagt, was sie jetzt auch mir sagen müsse, daß Kunigunden nicht zu trauen sey, daß das schlechte Glück, das sie an Graf Richards Seite genieße, sie wohl bey dem von ihr bekannten Charakter veranlassen könne, das bessere Loos ihrer Schwester zu beneiden und daß sie überdem, wie Alverde von ihrem Vertrauten, dem Pater Zyrill weiß, so ganz unter der Herrschaft der römischen Mönche steht, daß wohl ihr eigenes Urtheil getäuscht, und ihr Brief nichts seyn könne, als das Sprachrohr, durch das ein anderer redet.

Ich weiß nicht, was ich von diesen Dingen denken soll, gleichwohl bestättiget sich alles Nachtheilige, daß man von dem Pfalzgrafen hört, durch den Mund des Bischofs von Sutri, den ich, so wie meine Schwester, zu meinem Gewissensrathe gewählt habe. Gleichwohl ist so viel gewiß, daß Otto von Wittelsbach, wie ich genau erforscht habe, nach einem erhaltenen hochheimlichen Schreiben von Herzog Bernharden[246] von Sachsen, eine Privataudienz beym Kaiser hatte, daß Empfehlungsschreiben nach Pohlen ausgefertigt wurden, deren Inhalt, wie man von dem kaiserlichen Geheimschreiber erlauscht hat, eine Heyrathswerbung um die schöne Adila war, daß der Pfalzgraf diese Reise selbst antrat, und daß er noch nicht zurück ist.

Arme Elise, braucht man noch etwas mehr, dein Unglück zu erweisen? und würde dir, wenn Otto von Wittelsbach treulos ist, die kastilische Heyrath, falls sie in Vorschlag käme, nicht wenigstens aus Rache zu wählen seyn?

Ich habe diesen Morgen schon eine lange Unterhaltung mit meiner Schwester über diesen Gegenstand gehabt, sie bleibt standhaft auf ihren Vorurtheilen, zwar trauet sie dem Wittelsbacher, von welchem sie seit seiner Abreise keine Nachricht hat, nicht mehr ganz, aber sich völlig von ihm loszumachen, dazu fordert sie volle Gewißheit, eigenes Geständniß seiner Schuld, und da ich dieses für unmöglich halte, so wird sie freylich wohl ewig seine Gebundene bleiben.

O meine Mutter, so viel ist doch gewiß, daß wir Töchter Philipps recht unglücklich in der Liebe sind! Kunigunde ward es durch eigene Schuld; Elise durch Untreue ihres Geliebten, und andere widrige Umstände, und die arme Beatrix? – O Mutter, laßt mich dieses Herz[247] ganz vor euch ausschütten; wenn es sich auch aus Scheu wegen seiner Schwäche eine Zeitlang euren Augen entzieht, so kehrt es doch immer gar bald zu euch zurück, enthüllt euch seine Gebrechen, und fordert die mütterliche heilende Hand zu Trost und Linderung auf, die es sonst nirgends findet.

Nehmt hier das Bekenntniß seiner innersten Geheimnisse: Den Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach liebte ich, oder würde ihn geliebt haben, wenn ihn das Schicksal für mich bestimmt hätte. Den Herzog Otto, dem man mich gern vorbehalten hätte, liebte ich nie, und nun, da er, wie man mir sagt, mich bey der letzten Friedensunterhandlung mit meinem Vater verschmäht hat, ohne mich einmal gesehen zu haben, nun möchte ich wohl sagen, daß ich ihn hasse. – Aber leider ist ein anderer, den ich liebe, den ich anbete, würde ich sagen, wenn dieser Ausdruck nicht gar zu erniedrigend in meinem Munde lautete; gleichwohl ist er der rechte; wie sollte man sonst die unbegreifliche Partheylichkeit nennen, die ich für den, den ich mich fast namhaft zu machen schäme, die ich für Alf von Dülmen fühle?

Alles was mein Herz von ihm losreißen könnte, verfehlt seine Würkung, und bringt das Gegentheil hervor, sein wildes rastloses Wesen[248] anstatt mich zu schrecken, erregt meine Aufmerksamkeit, gewisse geheime Verbindungen mit einer unbekannten furchtbaren Macht, die man ihm schuld giebt, erregen statt scheuer Furcht in mir ein Gefühl von seiner Wichtigkeit, das Alltägliche fesselte nie meinen Blick, nur das Unbegreifliche, das Geheimnißvolle pflegte mir zu gefallen. – Das wichtigste, was mir ihn zuwider machen könnte, seine unsterbliche Liebe für Alix, that seine Würkung nur eine kleine Zeit, und hat jetzt nach dem Tode meiner Freundin, dieselbe vollends ganz verlohren; ich würde nicht zürnen, sein Herz mit einer Verstorbenen theilen zu müssen, ich würde es für meinen höchsten Triumph halten, ihn endlich über dieselbe zu trösten. Alle diese seltsamen Gefühle, die ich euch gestehe, vollends zur heftigsten Leidenschaft zu machen, mischt sich noch das Mitleid ein. O, meine Mutter, wie ist der unglückliche Graf Adolf zu bedauren! wie elend ist er vollends nach der Nachricht von dem Tode der Gräfin von Toulouse, welche, so sehr wir es zu verhüten suchten, sein Ohr dennoch erreicht hat!

Vom Anfang seiner Anwesenheit am kaiserlichen Hofe, lebte er in dem Pallaste des Grafen von Wittelsbach, auch noch hält er sich daselbst auf, aber in welcher traurigen Lage! –[249] Sein Verstand scheint durch die Post von dem Tode der armen Alix gelitten zu haben, seine treuen Leute suchen seinen wahren Zustand zu verhelen, aber so viel ist gewiß, daß man ihn bewachen muß, daß man ihm Waffen und Rüstung genommen hat, um ihm die Möglichkeit, Unheil anzurichten, zu benehmen; er soll sich sehr gefährliche Reden verlauten lassen, soll den Tod der Gräfin von Toulouse, welcher, wie er wähnt, blos erfolgt ist, Elisen auf den kastilischen Thron zu helfen, Personen zuschreiben, welche hier schuldig zu halten Lächerlichkeit und Hochverrath seyn würde, und in seinen Paroxismen oft fürchterlich von blutiger Rache rasen!

Gott was wird noch endlich aus diesen Dingen werden – Könnte ich nur mit jemand verständiger hierüber sprechen, und Verhaltungsregeln fordern, die ich von euch bey eurer Entfernung so spät erhalte! – Graf Heinrich von Andechs und Bischof Egbert sind hier angelangt, beydes fromme und verständige Männer, die ich von Kindheit auf kenne, die von meinem Vater geschätzt werden, und denen man sich wohl vertrauen könnte – aber – sie sind Brüder des verdächtigen Pfalzgrafen, und so könnte man sich doch immer über das wichtigste, über das, was ihn angeht, nicht gegen sie herauslassen. –[250]

O, meine Mutter, nur einige Worte, einige wenige Worte von eurer Hand uns zu leiten, jetzt, da uns Leitung nöthig ist.

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 244-251.
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Alf Von Dülmen: Oder Geschichte Kaiser Philipps Und Seiner Tochter , Aus Den Ersten Zeiten Der Heimlichen Gerichte (German Edition)

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