Irene an Beatrix.

1208.

[251] Ich bin zu schwach, mein Kind, dir viel zu schreiben, die gefürchtete Stunde, die mir, wenn Ahndungen nicht trügen, wohl diesmal gefährlich werden könnte, naht heran. Nimm auf deinen Brief nur das wenige, was ich dir und deiner Schwester zu sagen vermag. Verdammet Otten von Wittelsbach nicht unverhört, er kann, er muß unschuldig seyn; vertraut euch dem Bischof von Sutri nicht zuviel; ich sehe es ungern, daß er euer Gewissensrath ist, die geistlichen aus der römischen Schule sind mir verdächtig; und du, meine Beatrix, wie war dir es doch möglich, dein Herz dergestalt an jenen Alf von Dülmen zu hängen; der Mensch ist mir furchtbar, ich zitterte vor ihm beym ersten Anblick! doch meine Empfindungen, von denen ich noch überdem keinen Grund anzugeben weiß, können nicht zum Regelmaß für die deinigen dienen; bemitleide ihn also und bete für ihn, ich will[251] mich darin mit dir vereinigen, aber Mitleid ist auch alles was du ihm schenken darfst; auch irrst du dich gewiß in deinen Gefühlen: heftig aufgeregtes Mitleid kann bey einer so guten zartfühlenden Seele leicht die Gestalt der Leidenschaft tragen, aber du thust dir gewiß Unrecht, wenn du ihm einen zu hohen Namen giebst! Beatrix ist und bleibt für den Herzog von Braunschweig bestimmt, er konnte sie nur darum verschmähen, weil er sie nicht kannte; die Vorsicht wird euch zusammen bringen, und eure beyderseitigen Gefühle werden sich ändern; an seiner Seite wirst du erst die Liebe kennen lernen, deren du dich gegen diesen Alf von Dülmen mit Unrecht beschuldigst. –

Wärs denn nicht möglich, diesen unglücklichen Mann vom Hofe zu entfernen? – Seine Entfernung liegt mir, ich weiß selbst nicht warum, so hart an, daß ich selbst Nachts im Traume damit beschäftigt bin. Ich mache in eigener Person, mit unglaublicher Aengstlichkeit zu seiner Reise Anstalten; habe ich ihn denn abreisen, habe ich ihn von der Schloßzinne mit seinen Reisigen am äußersten Gesichtskreis verschwinden gesehen, so findet es sich, er ist in verstellter Tracht dennoch zurückgeblieben, und meine Angst beginnt von neuem. O Beatrix! mütterliche Besorgniß um dich, giebt mir diese[252] Träume ein, hüte dich, daß dein bethörtes Herz dich nicht deinem Stande und jungfräulicher Zurückhaltung unwürdig handeln lehrt; und noch einmal, suche Alf von Dülmen zu entfernen; mit Heinrich von Andechs und Bischof Egberten, die du mit Recht hochschätzest, wär zu bereden, wie dieses mit Anstand, vielleicht unter dem Vorwand seiner schwachen Gesundheit und der nöthigen Erholung in der Landluft geschähe. –

Elise komm hierin deiner schwachen Schwester zu Hülfe, und du selbst verzage nicht; halte deinem Wittelsbach feste Treue, Gott wird dir ihn als Sieger über alle Verleumdungen wieder schenken. Der kastilischen Heyrath, sollte sie dir angetragen werden, widersetze dich mit Klugheit, es ist schwer, einem Vater ungehorsam zu seyn, aber noch schwerer, gegebenes Wort, ohne hinlängliche Ursach, zu brechen.

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 251-253.
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