Beatrix an ihre Mutter.

1206.

[92] Recht aufrichtig, meine Mutter, will ich euch auf alles antworten, worum ihr mich befragt, ich kann es um so leichter, da ich es mit Bewilligung und unter den Augen meiner Schwester thue, ich könnte euch ja unmöglich hinter ihrem Rücken etwas von ihr sagen, dies wäre wider Schwestertreue, so wie die Versagung meines Gehorsams in diesem Stück, wider Kindespflicht gewesen wär; ich vereinigte diese beyden Dinge, die hier ein wenig zu streiten schienen, dadurch, daß ich ihr euren Brief lesen ließ; sie hat, ich weiß es, kein Geheimniß vor euch, sie schreibt euch selbst, aber da ich mir das Recht nicht nehmen lassen will, euch selbst die Antwort auf eure Fragen zu geben, so hat sie mir lachend erlaubt, euch nur alles von ihr zu sagen, was ich wüßte. – Recht wohl, Elise! alles was ich weiß? – Ey ich könnte wohl etwas von dir wissen, daß du nicht dächtest, wie nun, wenn ich dir eine kleine Schalkheit bewies, und der guten Mutter auch dieses entdeckte?

Wisset also aufs erste, daß bey jener Zusammenkunft mit dem Prinzen von Kastilien, wegen welcher ich uns nicht mehr entschuldigen[92] will, da ihr es selbst thut, meine Schwester Elise der guten Gräfin Alix zum besten wohl hätte zurück bleiben können; aber warum hätte sie es thun sollen? sie erschien bey derselben auf Bitte ihrer Freundin, so wie ich aus Vorwitz. Das Herz der kastilischen Braut ist gegen ihren Bräutigam so kühl, daß sie nicht fürchtet, daß ihr jemand bey ihm Eintrag thun werde, und Elisens Meynung von ihren eigenen Reizen ist so bescheiden, daß sie nicht glaubt, daß sie jemand Eintrag thun könne; aber ich fürchte, sie hat es wider Wissen und Willen hier gethan. Die arme Alix, so schön und gut sie ist, stand ganz im Schatten gegen der herrlichen Elise, die selbst ich bewundere, ungeachtet ich ihre Schwester bin.

Der Prinz von Kastilien, der nur Augen für die schöne Freundin seiner Braut zu haben schien, mag indessen für sie in den damaligen Augenblicken gefühlt haben was er will, so versichere ich euch, daß Elise es gar nicht bemerkte, daß wenigstens ihr Nonnenherz ganz kalt dabey blieb. Eins lobte sie an ihm, als wir in der Einsamkeit von ihm sprachen, seine sprechenden Augen und einige andere Züge seines schönen Gesichts; solltet ihr aber wohl glauben, warum? – Weil sie in denselben die auffallendste Aehnlichkeit mit dem Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach[93] zu finden glaubt. – Ach Mutter! Mutter! hier liegt eben das Geheimniß, das ich wider meiner Schwester Wissen und Willen von ihr im Besitz habe, und das ihr wegen der allgemeinen Erlaubniß, die sie mir gab, so neben bey auch mit erfahren sollt. Elise würde gewiß, wenn sie an Kunigundens Stelle wär, nicht kalt gegen den Pfalzgrafen seyn! – Ueber Kunigundens Gleichgültigkeit wundre ich mich weiter nicht, wußte ich doch schon als Kind, da ich manches erlauschte, was man andern verbarg, daß der nunmehrige päbstliche Nepot, Graf Richard ihr Herz hat!

Wie ihr sehet, so mußten mir aus dem Beyspiel meiner Schwestern schon die Lehren einleuchten, die ihr mir gebet. Ja, Mutter, ich will meinen Herzen und meinen Augen gebieten, will beyde verschliessen, bis ihr mir Befehl gebt, sie zu öffnen, will selbst an Otten von Wittelsbach nicht denken, der mir im Grunde wohl so gut gefällt, als er einer meiner Schwestern gefällt und der andern gefallen sollte. Wenn ich Zeit habe, an so etwas zu denken, so soll mein einiger Gedanke jener Ungenannte seyn, dessen Namen ihr mir einst entdecken wollt, nach dem ich aber gar nicht neugierig bin, ungeachtet Elise mir sagt, es würde wohl jener[94] Otto, nicht der von Wittelsbach, sondern der Gegner meines Vaters seyn.

Ich kann eben nicht sagen, daß ich mich über diese Muthmaßung freue; so wird mir also wohl auch so ein trübseliger Brautstand bestimmt seyn, wie der guten Gräfin Alix, die ich wahrhaftig um ihre Juwelen nicht beneide. Mich dünkt, sie fühlt so wenig für den Prinzen von Kastilien, als er für sie, bedenkt selbst, schon so lange ist sie seine Braut, die Sache gewinnt nimmermehr ein Ende, ich bin indessen aus einem Kinde zur Jungfrau geworden, und gleichwohl wird ihr die Zeit gar nicht lang dabey, das zeigt von schlechter Liebe! – Sie treibt ein unaufhörliches Lesen gewisser Bücher welche ihr ihr Bruder, der Graf von Toulouse, heimlich zuschickt, dies ist ihre einige Leidenschaft. Mich dünkt, sie sollte sich besser zur Nonne als zur Königin schicken, gleichwohl habe ich nie jemanden heftiger wider den Klosterstand sprechen hören als sie. Ueberhaupt äußert sie ganz andre Meynungen, als uns von unsern Lehrern eingeprägt werden, vieles, das sie sagt, gefällt mir unendlich, und ich wollte wohl, daß es wahr wäre. Diese Dinge müssen in ihren Büchern stehen. Elise hat sie auch gelesen, und spricht mit Entzücken davon. Auch mir sollen sie mitgetheilt werden, wenn ich gesetzter bin und[95] besser schweigen kann, denn all dieses wird sehr heimlich behandelt.

Daß ihr Alverden von Merode dem Heinrich von Calatin entrissen und uns geschenkt habt, dafür sagen wir alle drey, die Gräfin und wir, den herzlichsten Dank; sie ist uns schon sehr lieb geworden, und lebt mit uns, ohne Rücksicht auf Standesunterschied, an welchen uns die Nonnen, denen die Aufsicht über uns befohlen ist, zuweilen erinnern, völlig auf schwesterlichem Fuß. Sie scheint mehr Zutrauen zu uns zu haben, als zu euch, denn sie hat uns schon die Mittheilung ihrer Geschichte versprochen, die ihr freylich auch erfahren sollt.

Die verwirrten Händel von unserm und dem römischen Hofe verstehe ich nicht, mag mir auch den Kopf nicht damit zerbrechen, meine Schwester, die über ihrem Briefe so emsig ist, daß sie den meinigen nicht lesen will, wird euch schon vernünftiger über diese Dinge schreiben, als ich es könnte. Gott bewahre nur euch, unsern Vater, und den Grafen von Wittelsbach für Unglück, so wird schon alles gut gehen.[96]

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 92-97.
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