Elise an ihre Mutter.

1208.

[218] Ich habe euch gehorcht, habe mich dem Manne vertraut, welcher in aller Absicht der einige ist, der mir aus dem Labyrinth, in welchem ich irrte, helfen konnte, dem, der so wohl meine als[218] Pfalzgraf Ottos Herzensgeheimnisse in Verwahrung hat, unserm gemeinschaftlichen Konfessor, dem Bischof von Sutri. Er selbst empfahl mir ihn einst zum Gewissensrath. – – O Wittelsbach! Wittelsbach! du dachtest wohl damals nicht, welchen Stab du mir in die Hand gabst, mich aus den Irrgängen zu leiten, in welchen mich mein eigenes Herz, dies Herz, das dir nicht mißtrauen konnte, gerade falsch geführt haben würde.

Er ist vorüber, Mutter! ich weis nun ganz gewiß, was ich von meinem ehemaligen Geliebten glauben soll, aber kein Wort mehr von ihm, andre Wichtigkeiten heischen meine Feder!

O Mutter, was habe ich euch zu berichten! werde ich Muth haben, euch mit Dingen zu unterhalten, die mein Herz in Thränen schmelzen? – Doch seyd mir willkommen ihr Trauergesichter, ich will mich ganz in euch vertiefen, will keinen eurer kleinsten Umstände unberührt lassen, ich bin so gerade auf der Laune, unter Gräbern zu wallen, und die Nichtigkeit irdischer Hoffnungen mit den Freuden einer bessern Welt zu messen. O Alix! Alix! wie groß waren deine Ansprüche auf irdisches Glück! wie lächelte dir die Welt in frühern Jahren! sie täuschte dich, du fandest nicht, was du so wohl verdient hattest, du fandest den Tod! Wohl dir, daß du[219] ihn gefunden hast, möchte auch ich ihn finden, bald finden!

Ja, meine Mutter; meine liebste Freundin, die ältste Gespielin meiner Jugend, die unvergleichliche Alix von Toulouse ist nicht mehr. Alverde ist die Ueberbringerin der Trauerpost; gestern langte sie hier an, – aber welche Thörin bin ich! ich verspreche euch umständliche Erzählung dieser Dinge, und Alverde, die arme Alverde, ist noch nicht im Stande gewesen, uns, einige wenige Winke ausgenommen, mehr zu sagen, als ihr jetzt eben von mir erfahren habt! – Verzeiht, meine Mutter! mein Kopf ist sehr schwach, mein Herz blutet, wie leicht ists da, unüberlegt, und unordentlich zu schreiben!

Ach Alverdens Winke von dem Tode meiner Freundin sind fürchterlich! ich wünsche und scheue mehrere Aufklärung, sobald ich sie erhalte, will ich sie euch mittheilen. Jetzt Ruhe, nur ein wenig Ruhe für eure unglückliche Tochter Elise![220]

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 218-221.
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