Irene an Elisen.

1208.

[217] Mir dünkt alles, was du mir schreibst, so unglaublich als dir. Für Pfalzgraf Ottens Treue dächte ich, wollte ich mit meinem Leben bürgen! Indessen, da du mir die Quelle, aus welcher du deine Zweifel schöpftest, nicht entdecken darfst, so kann ich hier nicht mit voller Gewißheit entscheiden, und muß dich an andere Tröster und Rathgeber verweisen.

Der beste, und der dir über alles die bündigste Auskunft geben könnte, wär wohl dein Vater, wenn du ein Herz zu ihm fassen könntest, aber leider ist Philipp jetzt nicht mehr Herzog von Schwaben, sondern Kaiser; diese Würde hat ihn seinem Hause entfremdet, die Staatsgeschäfte bemächtigen sich all seiner Zeit, du würdest schwerlich eine Stunde treffen, da er so ganz dein wäre, daß er dich ruhig hören, und dir wie ein Vater rathen könnte; überdieses, wenn er nun würklich wider dich und den Pfalzgrafen, welches mich so unmöglich eben nicht dünkt, Böses im Sinn haben, wenn er nun würklich auf höhere Dinge für dich sinnen sollte, als du denkest und wünschest, was für Trost würdest du denn bey ihm nehmen?[217]

Höre meinen Rath. Ich habe in meinem Leben so wohl als du Stunden erlebt, wo mir um Trost und Leitung bange war, und wo ich sie nicht bey Menschen suchen durfte, ich suchte sie denn in den Armen der Religion; das thue auch du, doch traue auch hier nicht deinem eigenen Nachdenken, sondern vertraue dich irgend einem verständigen frommen Manne, vertraue dich deinem Beichtiger; ich weiß nicht in wessen Schooß du deine heimlichen Anliegen auszuschütten pflegst, kenne den Heiligen nicht, dem du deine geistliche Führung anvertraut hast, aber ich bin überzeugt, daß du auch hier glücklich gewählt haben wirst, und glaube also deine Ruhe in guten Händen. Lebe wohl, mein Kind, ich bin sehr schwach, das viele Schreiben wird mir beschwerlich, aber nicht so das Lesen, ich hoffe bald und umständlich wieder von dir zu hören.

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 217-218.
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Alf Von Dülmen: Oder Geschichte Kaiser Philipps Und Seiner Tochter , Aus Den Ersten Zeiten Der Heimlichen Gerichte (German Edition)