Elise an ihre Mutter Irene.

1208.

[214] O Mutter, alles vereinigt sich, mir das Herz zu brechen! – Ich, ohnedem kummervoll und zweifelhaft über das was ich euch zuletzt schrieb, muß heute einen Brief erhalten, der mich vollends in Verzweiflung stürzt; wehe mir, daß ich ihn euch nicht mittheilen, und euren Rath vernehmen kann, was ich davon zu halten habe; leider ist er von einer Person, welche zu schonen mir[214] Pflicht ist, wider welche ich euren Zorn auf keine Art reizen mag, und gleichwohl stoße ich in diesem Unglücksschreiben fast bey jedem Absatz auf Stellen, die euch aufbringen würden, so daß ich ihn euren Augen vorhalten soll und muß.

Ach Gott, wenn ich nur irgend eine Seele fragen könnte, was ich von der Sache glauben soll! – Mein Wittelsbach untreu? Er Brautwerber um die schöne Adila von Pohlen? sollte, könnte dies möglich seyn? – Nach Pohlen ist er mit Briefen vom Kaiser gereist, auch hat es vor einiger Zeit ein hartes Gespräch zwischen beyden über mich und die kastilischen Träume gegeben, alles dieses sagt mein geheimes Schreiben auch; aber wird alles, was es enthält, wahr seyn, so wie einiges wahr ist? – Da ich hier schlechterdings niemand fragen kann, so muß ich abwarten, was von diesen Dingen durch den Ausgang bestättigt oder vernichtet wird. Auf meinen Otto ein Mißtrauen zu haben, ist freylich schwer, doch klingt alles, was man mir von ihm vorbringt, so wahrscheinlich. Er ist treu und bieder, aber er ist gleichwohl ein Mensch, der durch Treulosigkeit und Wortbruch aufgebracht und zur Rache gereitzt werden kann, gesetzt nun, es wär wahr, was ich mir gar nicht als möglich denken kann, der Kaiser dächte[215] darauf, mich ihm zu entreißen, wär es da wohl Wunder, wenn auch er sich seines Eydes quitt, und es sich verstattet glaubte, sein Glück von einer andern Seite zu suchen?

Doch nein, sobald könnte mein Wittelsbach seine Elise nicht vergessen! an mir würde er ja nicht rächen, was ein anderer verschuldet hätte!

Himmel! Himmel! sollte dies Möglichkeit seyn! und er war beym Abschied noch so treulich und so hold! – Wie oft er zurückkehrte, mich noch einmal in seine Arme zu schließen! – Wie bekümmert er war, über den bloßen Gedanken, man könne mich ihm rauben wollen! Was ich alles anwenden mußte, ihn zu beruhigen! Und dieser Mann mit der schönen Thräne im Heldenauge, das sonst nie weinte, dieser Mann mit den Worten der Wahrheit auf der bebenden Lippe, dieser sollte mich betrügen können? – Nein! Nein! Nein! ich kann nichts davon glauben.

Und doch! und doch! – O Mutter, mein Kampf beginnt von neuem! Schaffet mir Hülfe, daß ich nicht vergehe![216]

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 214-217.
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