Kunigunde, Gräfin von Segni,

an ihre Schwester Elise.

1208.

[209] Du hast mich, seit ich aus dem vaterländischen Hause schied, keines Briefs gewürdigt, und ich muß glauben, das was dein sogenanntes Glück gemacht hat, bringe dich wider mich auf, und bewege dich, gegen mich unschwesterlich zu handeln. O Elise! was hab ich dir gethan? zürnest du darum mit mir, weil ich den Pfalzgrafen Otto von der Hand ließ, um meinem Richard treu zu bleiben? Du liebtest deinen Wittelsbacher, die Art, wie ich gegen ihn handelte, handeln mußte, ward dein Triumph, ohne mich wär Otto nie dein geworden, so solltest du ja billig mir ehe danken, als auf mich zürnen!

Und doch hättest du billig Ursach, mir übel zu wollen, hätte ich gutwillig die Veranlassung zur Verbindung mit einem Manne gegeben, der deiner Wahl nicht würdig ist; bey Gott, das wollte ich nicht, ich erschrak als ich erfuhr, die Gefahr, Gräfin von Wittelsbach zu werden, welcher ich mit genauer Noth entkam, betreffe nun eine meiner Schwestern! – Wie[209] konnte ich glauben, der Kaiser, welcher einmal Bedenken trug, dem Pfalzgrafen eine Tochter zu geben, sey nun zum zweytenmal im Begriff, sich berücken zu lassen? wie konnte ich vermuthen, die stolze Elise würde sich an dem Besitz eines Herzens laben, das ich verschmähte, oder um weltlicher Liebe den heiligen Vorsatz zum Kloster aufgeben? Kaum hätte ich dieses der kleinen leichtsinnigen Beatrix zutrauen sollen, die nun, wie ich höre, groß und schön geworden ist, und gar davon träumt, durch den Herzog von Braunschweig, (den freylich ich als Philipps Tochter nicht Kaiser nennen darf, obgleich alle Welt ihm diesen Namen zugesteht) – römische Kaiserin zu werden.

Wir wollen die Kleine mit ihren vergeblichen Hoffnungen lassen und zu dir zurückkehren. – Elise, du weißt, daß du verschiedene Jahre mehr hast, als ich, und also mich an Klugheit übertreffen solltest, aber du lebst in dem schlichten geradsinnigen Teutschland, ich in dem aufgeklärten Italien, dies diene uns beyden zur Entschuldigung, wenn wir das Geben und Annehmen wohlgemeynter Warnungen einmal gegen einander vertauschen.

Dich zu warnen, mein Kind, schreibe ich dieses, dich zu warnen vor dem falschen Grafen von Wittelsbach; – ich hoffe, du traust mir[210] zu, daß ich nicht ohne Ursach so schnell mit ihm brach; nicht allein die ältere Liebe zu Richard, sondern auch genaue Kenntniß seines Charakters bewog mich, so zu handeln, wie ich handelte, und der Bann, den alle Welt, den selbst Mutter und Schwestern wegen meiner sogenannten Wankelmüthigkeit über mich ergehen ließen, trifft nicht mich, sondern den, welchen ich mit reifer Ueberlegung verließ.

O Elise, du dauerst mich! Wittelsbach ist nicht der, welcher ein Herz, wie das deinige beglücken kann; was solltest du fromme Nonne mit dem unruhigen Pfalzgrafen? Du zärtliche, du treue Tochter, mit dem Manne, der Zeit genug seine Hand nach deines Vaters Kron und Thron ausstrecken wird? Du ewigliebende Seele, mit dem, welcher mit jedem Jahreswechsel die Treue ändert, welcher irgend eine, die ich nicht nennen kann, einst um meinetwillen, mich für dich, und dich für eine neue Geliebte vergaß, die, wenn er nicht bald stirbt, auch wohl nicht die letzte in seiner Liebesreihe seyn wird! Was dient dir ein Mann, der zu einem furchtbaren heimlichen Bunde gehört, dessen ich nicht ohne Grauen gedenken kann, zu einem Bunde, welcher es seinen Mitgliedern zur Pflicht macht, das Schwerd immer gewetzt zu halten, und[211] sollte es auch seyn, Vater, Bruder und Freund hinzuopfern!

Du entsetzest dich, ob den harten Beschuldigungen? Du forderst Beweise? Wohl gut, deine Forderung übersteigt die Schranken eines Briefs, aber ich kenne das weibliche Herz genug, um zu wissen, daß wenn ich dir die Wahrheit einer meiner Anklagen vor Augen gelegt habe, du keine mehr bezweifeln wirst. Beweise ich dir, daß Otto von Wittelsbach treulos gegen seine Elise handeln konnte, so vermuthe ich, du wirst ihn keiner Unthat unfähig halten.

Du kennst doch die Königin Adila, Premislaus geschiedene Gemahlin? sie, um deren willen unser Vater sich einst den König von Böhmen zum Feinde machte, weil er die Seite der verstossenen Adila nahm? Diese Adila hat eine schöne Tochter ihres Namens, man nennt sie die Prinzessin von Pohlen, weil ihr Oheim, der Herzog von Pohlen, sich ihrer in ihren Elend erbarmte, und sie zur Tochter annahm. Fräulein Adila ist, wie gesagt, recht schön, fast so schön wie du, und noch um einige Jahre jünger; ihr Oheim wollte sie gern verheyrathen, er verspricht dem, der ihr die Hand bietet, eine königliche Mitgift, aber das beste, was sie mit in den Ehestand bringt, ist eine Anwartschaft auf das Königreich Böhmen, welche ein Held,[212] wie Wittelsbach, nicht leicht verschmähen wird; du weißt wohl, die schwächsten Ansprüche kann ein Schwerd, wie das seinige, geltend machen. Adila ward deinem Otto angetragen; er zögerte, sprach von Treue gegen dich, wog Vortheil und Verdienste, und – fand dich zu leicht. Ein Gerücht, das sich ausbreitete, Kaiser Philipp möchte dich wohl lieber Königin von Kastilien als Pfalzgräfin sehen, gab ihm Ursach, sich mit dem Kaiser zu entzweyen, man zankte sich ein wenig, vertrug sich dann wieder, und Otto versprach, dich so wie mich zu vergessen, wenn Philipp ihm sein mächtiges Vorwort bey der Prinzessin von Pohlen verleihen wollte. Der Kaiser verachtete den kleinen Pfalzgrafen in seinem Herzen, doch um ihn loszuwerden, that er was er verlangte, er schrieb; aber war es ihm zu verdenken; daß er in das Empfehlungsschreiben nach Pohlen allerley einmischte, den Charakter des Ueberbringers zu bezeichnen, den Herzog von Pohlen und die schöne Adila zu warnen, und des Wittelsbachers Anschläge verunglücken zu machen? –

Erwarte nun mit jedem Tage, daß dein Otto wiederkehrt, entweder kochend von Rache gegen den Kaiser, der seine Absichten vereitelte, oder nachdem es die Gelegenheit giebt, so treu und zärtlich gegen dich, wie vormals. Das[213] wird er freylich nicht denken, daß irgend eine treue Hand, dir seine Tücke verrathen könnte, und wenn ihm die schöne Adila nicht werden kann, so wird er immer noch Liebe genug für dich übrig haben, wenn du sie nur annehmen willst.

Bedenke dich, Elise, was du auf jeden Fall zu thun hast, und willst du dem was ich dir sage, keinen Glauben beymessen, – denn freylich unwiderleglich beweisen läßt sich so etwas nicht, davon die Urkunden in andern Händen sind – willst du mir nicht glauben, sage ich, so vergiß wenigstens nicht, daß du gewarnt bist, von deiner Schwester Kunigunde.

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 209-214.
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Alf Von Dülmen: Oder Geschichte Kaiser Philipps Und Seiner Tochter , Aus Den Ersten Zeiten Der Heimlichen Gerichte (German Edition)