Elise an ihre Mutter Irene.

1208.

[201] Es war als ob mein Herz von mir riß, da ihr die Reise nach eurem neuen Lustschlosse antratet; doch eure Gesundheit wollte es, die Aerzte, diese allgewaltigen Herrscher in eurer Lage, geboten, und man mußte nachgeben. O warum durfte ich euch nicht folgen! Ihr sagtet mir lachend, meine Pflege würde euch bey den Stunden, welche euch bevorstehen, wenig frommen; nun wohl, für euch in der Nähe zu wachen, dem Kaiser täglich Nachricht von euch und endlich die frohste aller Botschaften zu überschreiben, dazu wär ich doch wohl verständig genug gewesen, dazu hätte es doch wohl nicht Noth gethan, daß ich erst, wie ihr euch scherzend ausdrückt,[201] ein halbes Dutzend Jahre Gräfin von Wittelsbach gewesen wär?

Ach wie weit ist dieser Name warscheinlich noch von mir entfernt! – Ihr wisset, wie ich den theuren Pfalzgrafen liebe, ich habe es euch gestanden, daß lange vorher, ehe seine Wahl unter Kaiser Philipps Töchtern auf Kunigunden fiel, mein heissester, heimlichster Wunsch war, er möchte mich wählen. Er wählte mich nicht, und ich eilte den Kummer, dessen ich mich schämte, in der Dunkelheit des Klosters zu vergraben.

Sehet, das Schicksal hat nun zwischen mir und meiner Schwester, die ihr Glück nicht erkannte, entschieden; Pfalzgraf Otto ist mein, tausendmal betheuert er mir, daß er sich freut, von Kunigunden getäuscht, und durch ihren Wankelmuth mein geworden zu seyn; ein Kind, sagte er oft zu mir, geht ja wohl vor köstlichem Golde über, und wählt eine schimmernde Scherbe, es verwundet sich die Hand, und greift nach dem heilenden Golde8; sehet, Elise, dies ist mein[202] Fall, ich weiß jetzt was ich an Kunigunden verloren, und an euch gewonnen habe. –

Reden von dieser Art schmeicheln mir, entzücken mich, sie haben in dem Munde meines Otto doppelten Werth, in dem Munde eines andern würden sie nichts sagen. Die Sekte Peters von Kalatin, die schmeichelnde, süßlächelnde, wortreiche Sekte der Frauendiener nimmt immer mehr überhand, nur wenig Männer sind, bey welchen, so wie bey meinem Verlobten, jedes Wort genau den Gehalt hat, welchen sein Gepräg versprach.

Zu welcher Gattung mag sich jener Alf von Dülmen rechnen, der sich seit einiger Zeit hier aufhält, den wir aber alle unten einem höhern Namen kennen. – Er ist der Freund meines Otto, o möchte er ihm an Redlichkeit gleichen! Ihr wißt, meine Mutter, was mich zu diesem Wunsche bewegt. Die vorgehabte Verbindung unserer Beatrix mit dem Herzog Otto von Braunschweig ist so gut als vernichtet. Mein Vater und er konnten ja bey der letzten vom Pabst veranstalteten Friedensunterhandlung so wenig einig werden, daß gar nicht daran zu denken ist, eine Vermählung könne den ewigen Zwist heben; sprecht selbst, wer sollte nur den Vorschlag dazu thun? – Ist dieses, hat Beatrix von dieser Seite nichts zu hoffen, oder fast möchte ich lieber sagen, zu[203] fürchten, so könnte man ja auf eine andere Verbindung, auf eine Verbindung nach dem Herzen des armen Mädchens denken! – Dieses Herz, meine theure Mutter, spricht mir nur gar zu hörbar für den sogenannten Alf von Dülmen, in dem sie so wenig als wir alle, den bekannten Grafen Adolf von *** verkennt; zwar ist er eben keiner von den größten Fürsten unserer Zeit, aber er hat doch Land und Leute, ist vom hohen königlichen Adel, und kann sich an Ansehen im römischen Reiche mit manchem weit höher Benamten messen. O meine Mutter, wenn wir Beatrix durch ihn glücklich machen könnten! – Doch dies sind weitaussehende Dinge. Er hat für meine Schwester nichts als Bewunderung, da sein Herz noch voll ist von unglücklicher Liebe gegen die künftige Königin von Kastilien. Meine Schwester giebt vor, ihn in der Nähe weit weniger einnehmend zu finden, als in der Fern, auch ist es wahr, er hat ein gewisses Etwas an sich, das mich von ihm zurückschreckt, doch mich dünkt, dies ist ihm fremd, ist vielleicht nur noch ein unglückliches Ueberbleibsel von seinen Leiden um Alix, ist erst diese so fest gebunden, daß keine Hoffnung auf sie mehr übrig bleibt, so wird er sich erholen, wird ganz wieder der werden, welcher er ehemals war, wird für andre Reize Augen zu haben beginnen, wird sie ganz natürlich[204] auf die liebenswürdige Beatrix werfen, ihr und mein Vater werdet einwilligen, und auch sie wird glücklich seyn, wie ich es bin.

O wenn nur Alf voll Dülmen ganz der ist, für welchen ich ihn, ungeachtet seines finstern zurückstoßenden Wesens, halte! Zwey Dinge sind, davon das eine für, das andre wider ihn spricht. Peter von Kalatin, dieser Mann, den wir alle verabscheuen, und seit der Kenntniß von Alverdens Geschichte noch mehr verabscheuen müssen, war einst sein Freund und ist es nicht mehr, auf die erste Nachricht von seiner Ankunft bey Hofe, entfernte er sich, wie ihr wißt, und hat sich seitdem nicht wieder sehen lassen; dies gereicht zu Alf von Dülmens Besten; brechen lasterhafte Freunde mit einem Manne, so muß er wohl der Tugend gehuldigt haben; aber ist das auch vortheilhaft für den Mann, von welchem wir reden, daß mein geliebter Pfalzgraf einst sein Freund war, daß er es auch noch ist, und doch von ihm wie ein Feind geflohen wird?

Der Pfalzgraf hat in diesen Tagen einen äußerst seltsamen Brief von ihm erhalten, aus dem er selbst, ungeachtet er gewiß mehr davon versteht als ich, nicht klug werden kann.

Mich dünkt, meine Mutter, Otto hätte mich ihn nicht lesen lassen sollen, es kommen Punkte[205] darinn vor, welche geheime Dinge betreffen, die wohl eigentlich vor kein profanes Auge, am wenigsten vor das Auge eines Weibes kommen sollten; aber so ist das truglose Herz meines Geliebten, er vertraut sich andern zu leicht, und obgleich seine Verschwiegenheit in dem was er eigenlich zu verschweigen gelobt hat, unverbrüchlich ist, so entfallen ihm doch oft, ohne daß er es denkt, Winke, welche kühnen Muthmaßern Stoff genug zum Forschen und Nachdenken geben. Gott gebe, daß ich die Einzige bin, und gewesen seyn mag, gegen welche er sich solche Unvorsichtigkeiten zu Schulden kommen ließ von mir hat er nichts nachtheiliges zu besorgen; kann ich mir das Muthmaßen nicht wehren, so wird mich doch Vernunft und Bescheidenheit wohl ewig vor kühnem Forschen und Ausschwatzen bewahren. Selbst gegen euch, meine Mutter, würde ich dieses wenige nicht gesagt haben, wüßte ich nicht, daß euch jedes Geheimniß, selbst das Geheimniß eurer Kinder, heilig ist, und von euch wohl immer unangetastet bleiben wird.

Außer den Dingen, über welche ich mich nicht weiter erklären kann, enthielt Alf von Dülmens Brief noch verschiedenes, welches mich wohl wider ihn aufbringen, und bewegen könnte, all die gute Meynung, all die guten Absichten, die ich für ihn habe, zurück zu nehmen. Bedenkt[206] selbst, er sucht meinem Verlobten Argwohn gegen meinen Vater einzuflößen, giebt nicht undeutlich zu verstehen, der Kaiser könne die Absicht haben, mich ihm zu entreißen, und an die Stelle der Gräfin von Toulouse auf den kastilischen Thron zu heben!

Ich hoffe, Alf von Dülmen ward selbst von unsern Feinden getäuscht, und schreibt dieses nicht aus bösem Herzen. Ich habe mächtig gestritten, dem Pfalzgrafen alle Unwahrscheinlichkeiten zu zeigen, welche in diesem Vorgeben liegen. Weil Philipp einmal wortbrüchig an dem Pfalzgrafen ward, darum muß er es nicht zum zweytenmale werden! Daß Kunigunde ihm entzogen wurde, läßt sich entschuldigen, sie liebte ihn nicht, und ein anderer hatte ihre frühern Gelübde, aber was für ein Vorwand zeigte sich, mich ihm zu rauben, mich, die ganz in dem geliebten Otto lebt und athmet, die nie, außer ihm, einen Mann eines Wunsches würdigte, die sich dem Kloster gewidmet haben würde, wär kein Wittelsbach für sie in der Welt gewesen? –

Die Sache widerlegt sich selbst, mein Vater ist ein Deutscher, so wird er nicht handeln, und auf der andern Seite, welch ein ungeheurer Einfall: Alix, welche so nahe am Throne steht, sollte jetzt noch einer andern Platz machen![207] Ich habe meinem Geliebten das Abgeschmackte in einem solchen Vorgeben deutlich gezeigt, aber er gab mir hier nicht so viel Gehör, als in Ansehung des ersten, er meynte: Wie und warum die Verfassung der Gräfin von Toulouse möglich wär, wollte er mir wohl ein andermal bey mehrerer Muße erklären, doch schien er mir im Ganzen beruhigt, und schied mit ziemlich frohem Muthe eine Reise nach Polen anzutreten, welche ihm der Kaiser aufgetragen hat. Ich aber bin seit seiner Entfernung sehr traurig. Das was mir anfangs in Alf von Dülmens Brief so unwahrscheinlich dünkte, macht mir jetzt manche trübe Stunde; einmal ist doch so viel gewiß, meine Verbindung mit dem Grafen wird über die Gebühr verschoben, und was mag seine Reise jetzt wieder bedeuten? Mußte man eben ihn, konnte man keinen andern schicken? –

Ach, meine Mutter, wie ich im Anfang sagte, der Name der Gemahlin meines Otto ist wohl noch weit entfernt von eurer

Elise![208]

Quelle:
Benedikte Naubert: Alf von Dülmen. Leipzig 1791, S. 201-209.
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