Vier und dreyßigstes Kapitel.

Herrmann wird mit einer Löwenhaut bekleidet.

[322] Herrmann flohe, flohe mit Vorsichtigkeit, denn er wußte, der Zorn eines rachsüchtigen Weibes verfolgte ihn. Auf seinem Weg, der lang genug dauerte, kamen ihm Zeitungen mancher Art[322] entgegen. – Kaiser Wenzel war so gut als abgesetzt, seine Gemahlinn, die vortrefliche Sophie, theilte das Elend, in welchem er lebte, großmüthig mit ihm, sie schien ihn jetzt, da er durch Unglück gedemüthigt war, erst liebzugewinnen, bemitleidete ihn, rechnete es ihm hoch an, daß er Susannens Stelle nicht durch eine neue verächtliche Mitbuhlerinn ersetzte, und war edelmüthig genug, selbst dieses elende Geschöpf zu bedauren. Diese unglückliche Kreatur sollte, um ihrem erhabenen Liebhaber ganz ähnlich, eine würdige Gefährtinn seiner Schwelgereyen zu werden, die Pokale, welche Wenzels tägliches Contingent waren, eben so herzhaft leeren lernen als er, aber sie war zu schwach, und starb in der Lehre, ohne von dem, welcher sie aufopferte, beklagt zu werden. Alles was Wenzel ihr in die Gruft nachrief, war: Es ist doch nichts mit den Weibern, sie sind zu nichts gut, nicht einmal zum Saufen!

Indessen Wenzel auf ein einsames Schloß verbannt, blos durch Sophiens kluge Vorsicht erhalten wurde, und ihr ihre Treue auf die ihm eigene Art vergalt, kam Siegmund in Ungarn wieder empor. Seine Feinde waren gedemüthiget, und er bestieg, durch Hülfe des Grafen Cyly, Graf Peters des Einfältigen Bruders,[323] den Thron von neuem. Barbara ward seine Gemahlinn, und diese Wahl war hinlänglich, alle Treulosigkeit an ihn zu rächen, welche er an der Königinn Marie, an der Fürstinn Helena Gara, und vielleicht an tausend andern begangen hatte. Barbara war in allem seine unumschränkte strenge Gebieterinn, nur dieses konnte sie nicht über ihn erhalten, daß er den Ritter von Hertingshausen in seinen Diensten behalten hätte. Das Andenken an den im halben Schlummer geschehenen Kuß, den er doch immer lieber ihm als Herrmann beymaß, war unauslöschlich. Kunzmann war genöthigt, den Hof zu meiden, und sich in ziemlich armseeligen Umständen in die Dienste des Churfürsten von Köln zu begeben, wo wir ihn vielleicht bald wieder finden werden.

Siegmunds Anschläge auf die Kaiserkrone waren verunglückt, es waren eine Menge Hände nach diesem Kleinod ausgestreckt, unter welchen Pfalzgraf Ruperts, Graf Eberhards und Herzog Friedrichs, schon fast im Zugreifen waren.

Herrmann hörte nicht sobald den Namen des Herzogs von Braunschweig und des Grafen von Würtemberg nennen, erfuhr nicht so bald,[324] daß sie sich nebst allen Competenten zur Krone auf dem Reichstage zu Nürnberg befänden, als sein Zweifel, wohin er seine Schritte lenken sollte, verschwand. Er wußte bisher nicht, wo Ida war, jetzt ward es ihm klar, daß sie seyn müßte, wo ihr Vater und ihr Bräutigam sich befänden. Ida zu sehen, und Friedrichen vor heimlichen Nachstellungen zu warnen, lag ihm beydes am Herzen. Aber, Idas Vater! ihr Bräutigam! was für Worte in Herrmanns Ohren! Ida, die Tochter oder die Braut eines künftigen Kaisers? Armer Jüngling, was für Aussichten für deine Liebe!

Herrmann befand sich jetzt in den Gegenden von Fritzlar. Das Gerücht kam ihm entgegen, Herzog Friedrich von Braunschweig sey von den deutschen Fürsten verworfen worden, und habe sich in vollem Zorn nebst seinem Schwager, Rudolfen von Sachsen, von Nürnberg aufgemacht, um wieder in sein Land zu ziehen. Welch eine Zeitung! Der gefürchtete Nebenbuhler hatte also seine Geliebte verlassen, er sollte nie den Namen Kaiser erlangen, den Graf Eberhard seinem Schwiegersohn so gern gegönnt hätte, wenn er ihn selbst nicht erhalten konnte! Neue Hoffnungen stiegen in Herrmanns Seele auf, er glaubte alles überwunden zu haben, da nur der fürchterliche Herzog[325] vom Schauplatz abgetreten war, und dachte nicht, daß die Tochter eines muthmaßlichen künftigen Kaisers noch immer unerreichbar für ihn blieb.

Er hatte nicht so bald gehört, daß Herzog Friedrich vielleicht hier vorüber ziehen würde, als er begierig ward denjenigen zu sehen, der ihm bisher so viel Furcht eingejagt hatte und ihm einige Warnungsworte vor Gefahr zuzurufen; er interessirte sich doppelt für ihn, seit er ihn nicht mehr für Idas Bräutigam hielt. Er setzte sich unter einen Baum an der Heerstraße, und schaute in die Weite hinaus. Die Gegend war einsam; man war in diesem Bezirk es zu gewohnt große Herrn vorüber ziehen zu sehen, als daß man sich, so wie ietzt, dazu hätte drängen sollen, sich zu überzeugen, daß sie auch Menschen wären.

Das Warten dauerte Herrmann zu lang, er war diesen Tag weit gegangen, und er entschlief. Sein Schlaf konnte wohl etliche Stunden gedauert haben, als er von einem schrecklichen Traum erwachte. Ihm träumte, Herzog Friedrich von Braunschweig sey von einem Löwen zerrissen worden, und man wollte ihn mit der Haut seines Mörders bekleiden. Er ermunterte sich, fuhr auf und sahe neben sich einen langen[326] bleichen Menschen mit verworrenem Haar und ausgezogenem Schwerdte stehen.

Herrmann sprang in die Höhe. Was machst du mit meinem Schwerdte? schrie er, indem er das seinige in der Hand des Fremden gewahr ward. –

Dein Schwerdt? rief der andere, indem er es blitzschnell ins Gebüsch schleuderte, siehe, das ist das deinige; ich fand es neben dir, und der fürchterliche Anblick machte, daß ich bey dir stehen blieb, und weil ich dich für einen Mörder hielt, meinen Degen zog, um mich, wenn du erwachtest, vor dir zu schützen.

Herrmann sah sich um und erblickte an der Stelle, wo er gelegen hatte, ein mit Blut getränktes Schwerdt. – Unseeliger! schrie er, indem er den Fremden bey der Brust faßte und ihn gewaltsam schüttelte, sprich, was ist das? – Aber Gott was sehe ich! Kunzmann? Hertingshausen? Graf Peters Mörder? –

Herrmanns Hände sanken vor Entsetzen nieder, und Kunzmann fühlte sich nicht so bald frey, als er wie ein Pfeil von der Sehne davon floh,[327] und den Ritter von Unna in einer Bestürzung verließ, welche mit nichts zu vergleichen war.

In dem nemlichen Augenblick erhob sich ein fürchterliches Geschrey; Hier, hier muß die That geschehen seyn! fasset, fasset den Mörder! Von allen Seiten stürzten gewaffnete Männer herbey, von denen einige schrieen: Ach unser Herzog, unser theurer Herzog! andere6: Nein, hier ist er nicht gefallen, wir fanden ihn hundert Schritt weiter im Gebüsch! und noch ein andrer: der Mörder kann nicht weit seyn, ich hatte ihn schon einmal ereilt, aber er entfloh mit dem blutigen Schwerdte.

Herrmann stand noch mit in einandergeschlagenen Armen bey Kunzmanns Schwerdte, als ihn dieses gräßliche Getös aufmerksam machte. Er that einige Schritte vorwärts, um zu fragen, ob das, was er hörte, noch überbliebene Ideen seines Traums, oder Wahrheit wären, aber – –

Quelle:
Benedikte Naubert: Herrmann von Unna. Theile 1–2, Teil 2, Leipzig 1788, S. 3.
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Herrmann von Unna: Eine Geschichte aus den Zeiten der Vehmgerichte. Band 1 bis 3 in einer Transkription von Sylvia Kolbe