5.


Nachricht von einer neuen Speise.

[73] Aus Paullini Dreckapotheke.


»Der Reichthum unsrer Einheimischen Schätze ist in Wäld- und Feldern, in Grunden und Höhen, in Bächen und Ströhmen, in Ställen und Pferchen, in Pfützen und Misten, worunter der Koth den Voraus hat. Johan David Ruland, und ich mit ihm, zieht solchen vielen Gewürtzen, ja auch denen Wahren, so mit schwerem Geld aus entfernten Orten zu uns geschleppt werden, und vielen andern, sowohl vermischten als einfachen, Artzneyen vor, weil er versichert ist, daß er, wo nicht mehr, doch auch nicht geringere Wirkung habe. Drum Galenus recht und wohl sagt: Medicus sane optimus (gebt acht ihr Struntzer und Plauderärzte) ignorare non debet medendi rationem per stercora. Ein rechtschaffner Artzt muß mit Dreck auch wissen zu curiren. Wie gedachter Ruland, ein erfahrner, berühmter und zwiefacher geschickter Doctor, beydes der Philosophie als Medicin, auch Graff Steffan Bethlen von Ictar u.s.m. Medicus, annoch zu Wittenberg unter dem Weltberühmten Sennerten studierte, und einst vom Urin öffentlich disputierte, erinnerte jener, daß er die nützliche Lehre vom Dreck einst genauer untersuchen möchte, weil sehr[74] viele Heyl-Mittel darinn seckten. War ein heilsamer guter Rath. – Merkwürdig, daß etliche Thiere aus Trieb der Natur ihren Koth alsofort einscharren, und dessen Nutzen gleichsam den Menschen mißgönnen, wie Plinius von Pfauen meldet, und wir täglich an Katzen sehen. Ja wie begierig Hunde Katzen-Dreck wegfressen, habe neulich mit Verwunderung wahrgenommen. Kaiser Constantin im Register der drey und siebenzigste, hieß mit angehängtem Nahmen, weil er ein Liebhaber des Pferde-Drecks war, Caballin. Und, in reifer Erwegung des herrlichen Nutzens, so die weite Welt vom Urin und Koth hat, legten weiland die Römische Kaiser Zoll und Accisen drauf, wie von Vespasian und Anastasio bekandt. Es wird zwar einen äckeln, wenn er die Historien von Dreck-Fressern hören soll, doch muß ich sie erzählen. –1 Solcher Schwein-Igel war auch jener Lottringer, der nichts liebers aß, als warme Kuh-Fladen. Jene Frantzösische Dame trug immerfort ihren Konfect, pulverisirten Menschenkoth bey sich und leckte die Finger darnach. Ein vierjähriger Knabe besudelte immerzu das Bett. Aus Furcht der Schläge fraß er seinen selbsteignen Koth rein auf. Nonnen machten ihren Kostgängerinnen[75] gerinnen weiß, alle die, so durch strenge mortification nur das geringste essen und sich fein daran würden begnügen lassen, müsten den Himmel zu Lohn haben. Unter solchen war eine Edle, aber albere Schwester, die ihren eignen Koth einschluckte, aber ziemlich krank davon ward. Ein Mahler zu Brüssel wurde toll, und liess in den Wald, wo er sich gantzer drey und zwantzig Tage mit seinem Mist beholffen hat. Jener fraß dergleichen, wie auch das, was die Stall-knechte von Pferden abstriegeln. Ein Thüringischer Graff hatte immerfort Dreck im Maul, so daß sein gemein Sprichwort war: si hoc fecero, mergar in latrina: thue ich das oder das, ey, so falle ich ins Häußle, wie auch endlich zu Erffurt geschach. Kaiser Commodus vermischte seine Speisen mit Koth, wie Hieron. Mercurialis meldet. Die Indianischen Benjanen Weiber, und andere, suchen, Kraft ihres Gelübdes, das beste und niedlichste aus Roß-Ochsen-Kuh- und anderm Koth, und schlingens hinunter. Andere, sonderlich im Königreich Boutan, würtzen ihre Speisen mit dürrem Menschenkoth, brauchen solchen an statt Schnup-tobacks, und mischen ihn, als eine rechte Panacée, unter alle ihre Artzneyen. Aber dergleichen Dreckfresser sind wir alle. Alle Speisen und Früchte sind mit allerley Thiere und Gewürme Unflat besudelt. Was vor Ungeziefer beschmeißt nicht das Garten-obst? Gehe doch zum Fleisch-bänken und siehe, wie heßlich die Fliegen[76] das Fleisch zurichten, ehe wirs in Topff werffen, und wenns schon etwas im Wasser abgespühlt wird, so ist doch solch Element vorhin mit allerley Unreinigkeit angefüllt, so daß man Dreck mit Koth nicht wol säubern kan. Kleine Fische essen wir mit Koth und allem, eben wie Krammets-vögel, und lecken die Finger darnach Fressen nicht alle Fische todte Aeser, wir die Fische, und folglich Dreck und alles? Dort sollte Ezechiel (4. v. 12) Gersten-kuchen mit Menschenmist backen. Alß er sich aber dessen beschwerte, ließ ihm der HErr Kuh-mist zu. Das Randglößlein sagt, er habe müssen kochen bey solchem Mist, wie die Holländer und andre beym Torff thun. Es roch aber die Speise nach dem Feur. Also musten zur Zeit der Belagerung Jerusalems die Männer, so auf der Mauren sassen, nebst andern, ihren eignen Mist fressen, und ihren Harn sauffen. Indessen haben nicht nur die vornehmste Aerzte, sondern auch Christus selbst, manchmal mit Koth grosse Wunder-curen gethan. Dort brachten sie einen Blind gebohren zum HErrn, und dieser spützte auf die Erde, und machte einen Koth aus dem Speichel, schmierte ihn auf des Blinden Auge, und sprach: Gehe hin zum Teich Siloha, und wasche dich. Er thäts, und kam sehend wieder. Einem andern curirte der liebe HErr mit bloßem Speichel. – Einem Schwein ist jeder Dreck angenehm, wir essens hinwieder, samt dem Unflat, und dünken uns gute Schnabelweide gehabt[77] zu haben. Von rotzichten Schnecken hie nichts zu gedenken. Wie manchem ist der Hünerpürtzel ein gemachtes Fressen? Fürsten und Herrn geben wir morsulos magnanimitatis, von Hahnen-Hasen-Fuchs-Sperlings-und andern Hoden bestehende, den Bettpruntzern Vulvam suillam, ja sagen wohl mit Horatio: vulva nil pulchrius ampla.2 Summa: ein Mensch vom Scheitel biß zun Füssen, ist ein rechter Sack voll Dreck: eine Sau die sich immer im Koth weltzet.«[78]

Fußnoten

1 Nun kommt eine Erzählung von einer schwangern Bäuerin, die, aus sonderbarem Appetit, den Koth ihres Mannes aß, oder, wie es heißt, »den frischen Rauch, den dieser ins Gras gelegt hatte.«


2 »Nichts über einen guten Schwartenmagen,« übersetzt es Wieland.


Quelle:
[Nebel, Ernst Ludwig Wilhelm:] Medicinisches Vademecum für lustige Aerzte und lustige Kranken [...] Theil 1–4, Frankfurt, Leipzig 1795 (Bd. 1), 1796 (Bd. 2); Berlin, Leipzig 1797 (Bd. 3); Berlin, Leipzig 1798 (Bd. 4).
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