3.

[20] Der Tod der nach dem thierischen Tode übriggebliebenen mechanischen Natur erfolgt gewöhnlich durch die Verwesung. Diese löst nach und nach die Struktur der Maschine auf, und zerstört die weichsten Drüsen, und die härtesten Gebeine.[20]

Die Natur verhütet zuweilen diesen zweyten Tod der Menschen durch Mittel, die wir ihr noch nicht haben ablernen können. Man hat erst kürzlich1 in England Leichname von 80 Jahren ganz frisch und unverwest gefunden. Im Dom zu Bremen ist ein Gewölbe, worin die beygesetzten Leichen, ohne alle Spuren der Verwesung, in ihrer völligen Gestalt, blos vertrocknet und hart sich erhalten haben. Uffenbach und Hanway haben sie gesehen, und der letztre erzählt, daß die dermaligen Domprediger keine Leiche mehr in diesem Gewölbe wollten beysetzen lassen, weil es in der Bibel heiße: der Mensch solle wieder zur Erde werden! – Füßli fand in einem Begräbniß der Zürchischen Herrschaft Sax den Leichnam eines Freyherrn von Sax, der 1596 von seinem Bruder war umgebracht worden. Sarg und Kleider waren vermodert, aber der Leichnam selbst lag unverwest da, und glich einem alten abgelebten Körper, der (wie man zu sagen pflegt) nur aus Haut und Knochen zusammen hängt. Das Gesicht war ganz kenntlich. Die Augen waren geschlossen. Der Hieb über dem linken Schlaf war sehr gut zu unterscheiden; und verschossenes Blut bezeichnete die Haut oder Wunde. – Eben so sieht man zu Warberg, ohnweit Helmstädt, in einem Gewölbe drey Leichen, die daselbst schon seit 1694 liegen, und deren Glieder und Kleider noch ganz unverwest[21] sind. Der Leichnam des einen Mannes zeigt sich in seiner korpulenten Fülle. Obgleich aus dem geöffneten Munde sich Anfangs eine Gährung aus dem Magen über das Sterbekleid ergossen hat, wie die Spuren zeigen, so ist doch das Leinenzeug und der Körper selbst vom Moder unangegriffen. Ein Kind, das im Julius gestorben war, hat am Munde Merkmale einer angefangenen Fäulniß; aber sie hat nicht weiter um sich gegriffen, und man sieht die Zähne, die Zunge, das ganze Gesicht, die Füße und die Bekleidung noch ganz unverwest. – – Ebend. Bd. I. St. 36.[22]

Fußnoten

1 vor 30 bis 40 Jahren.


Quelle:
[Nebel, Ernst Ludwig Wilhelm:] Medicinisches Vademecum für lustige Aerzte und lustige Kranken [...] Theil 1–4, Frankfurt, Leipzig 1795 (Bd. 1), 1796 (Bd. 2); Berlin, Leipzig 1797 (Bd. 3); Berlin, Leipzig 1798 (Bd. 4).
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