Zwölfte Szene

[39] 1.2.3.4.

WalburgaAgnesIreneDie Vorige;

Marie


Phlegmatisch.


AGNES. Den Tobakbeutel hab' ich für ihn g'stickt, er verdient ihn nicht! Ich sollt' ihn zerreißen in tausend Stück'; weil ich aber schon so viel g'macht hab' dran, so stick' ich ihn halt fertig.


Sanguinisch.


MARIE eintretend, zu Isabellen. Du, wie heißt denn der Herr, der alle Tag' sechsmal vorbeireit't und achtmal vorbeifahrt bei mein' Fenster?

ISABELLA. Herr von Wetter.

MARIE. Du gibst diesem Wetter diese zwei Zeilen, wenn er dir wieder aufpaßt Gibt ihr ein Billett. und sagst ihm, in meinem Herzen ist ein Wetter vorgegangen, das ihm Sonnenschein bringt – verstanden?

ISABELLA. Aber, Fräul'n Marie –

MARIE. Du sagst, was ich gesagt hab'!


Melancholisch.


IRENE tritt aus der Seitentüre und nimmt ein Kästchen aus einem Wandschrank; nimmt ein Medaillon, welches[39] sie um den Hals trägt, ab. In diesem Medaillon trug ich seine Haare, sie sind schwarz wie seine Seele, schwarz wie mein Geschick. Ruhe hier verschlossen, dunkle Locke, indes die meinigen der Gram gekränkter Liebe bleicht.


Cholerisch.


WALBURGA kommt mit einem großen Pack Briefe aus der Seitentüre. Seine Briefe werf' ich in den Ofen! Werde zu Asche, lügenbesudeltes Papier, du hast den Flammentod verdient! Wirft die Briefe mit Heftigkeit in den Ofen.


Man vernimmt von außen ein Posthorn.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 3, Wien 1962, S. 39-40.
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