Zweite Szene.

[12] 1.2.3.4.

Braus.Fad.Trüb.Froh.


Melancholisch.


TRÜB im Schlafrock, mit verschränkten Armen aus der Seitentür e tretend. Heute also soll ich ihn wiedersehn, meinen Sohn, den Erstgebornen der so früh verblichenen Gattin! Stellt sich, tief seufzend, vor das auf der Staffelei befindliche Bild.


Sanguinisch.


FROH kommt, fast tanzend, aus der Seitentüre, ebenfalls im Schlafrock. Mein Bub kommt z'ruck, das is a Passion. Ein Mordkerl muß er worden sein in die drei Jahr', wenn er seinem Vater nachg'rat't. Stellt sich vor den Spiegel und richtet sich die Halsbinde wohlgefällig zurecht.


Phlegmatisch.


FAD im Schlafrock und mit langer Pfeife aus der Seitentüre tretend. Also heut' kommt er, der Edmund! Wenn er nicht kommt, is's mir auch recht. Wenn sich die Kinder nicht nach Haus sehnen, is es ein Zeichen, daß's ihnen gut geht. Setzt sich in den Lehnstuhl und schmaucht.


Cholerisch.


BRAUS im Schlafrock, mit Ungestüm aus der Seite tretend. Wo er nur so lange bleibt, der Teufelskerl! Um acht Uhr hätt' er schon hier sein können, das Donnerwetter soll so einem Sohn in die Rippen fahren, den das kindliche Herz nicht mit gebührender Eilfertigkeit in die väterlichen Arme treibt! Nimmt eine auf dem Tisch befindliche Zeitung und geht, selbe hastig durchblätternd, unruhig auf und ab.


[13] Sanguinisch.


FROH. Einen Rivalen wird er haben an mir, einen tüchtigen, wenn er sich an eine anmacht. Übrigens, das hat Zeit bei ihm. Meine Tochter muß unter die Hauben, ein Mädl kann nie zeitlich genug heiraten; ein junger Springinsfeld hingegen wie mein Sohn, dem kommt 's Hauskreuz immer noch z' früh'. Zieht an einer auf dem Tische liegenden Violine eine abgesprungene Saite auf.


Phlegmatisch.


FAD. Wenn nur der Bräutigam meiner Tochter schon da wär', wär' mir lieber, mir g'fallt 's Madl nimmer in der Ledigkeit. Schmaucht ruhig fort.


Cholerisch.


BRAUS. Die Galle läuft mir über, so oft ich die Angekommenen lese. Alles kommt an, nur mein verdammter Jugendfreund aus Straßburg nicht. Ein saumseliger Bräutigam verdient, daß man ihm Raketen in die Ohren stecke, die ihm hineinfahren bis ins kalte Herz und seinen morschen Gefühlszunder in Feuer und Flammen setzen.


Melancholisch.


TRÜB. Bald wird meine Tochter der Ehe Band umschließen. Mögen die Rosen, die es ihr bringt, länger blühen, als sie dieser blühten auf das Bild zeigend. die, selbst noch eine blühende Rose, hinwelken mußte in Grabesnacht! Setzt sich an die Staffelei und malt an dem Bilde seiner verstorbenen Frau.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 3, Wien 1962, S. 12-14.
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