[14] 1.2.3.4.
Der Vorige;Der Vorige.Der Vorige.Der Vorige;
Walburga.Marie.
Sanguinisch.
MARIE aus der Seitentüre rechts in einem eleganten Negligé kommend. Na, wie g'fall' ich Ihnen in dem Anzug, Papa?
FROH. Sauber, bildsauber, bist ganz mein Ebenbild!
Cholerisch.
BRAUS in die Seitentüre rufend. Walburga! He! Walburga!
Sanguinisch.
MARIE. Schöne Mädln sind halt im Negligé am schönsten. Schad', daß die Mode nicht aufkommt, daß man im Negligé auf 'n Ball geht; da sehet man doch, was schön und was wild ist.
Cholerisch.
BRAUS sehr böse. Walburga, hörst du nicht –?
WALBURGA aus der Seitentüre kommend. Da bin ich, weiß nicht, warum der Papa gar so schreit!
BRAUS. Wenn du ein andermal nicht den Augenblick kommst, wenn ich rufe, so soll –
WALBURGA heftig. Ich war im dritten Zimmer drin, das ist mein Zimmer! Ich bin ohnedem eine rasche Person, aber bis man durch drei Zimmer kommt –
BRAUS. Still! Geht heftig auf und ab.
Sanguinisch.
FROH. Den Anzug hätt'st du dir aufsparen können zum Empfang deines Bräutigams.
MARIE. Was Bräutigam, lassen wir das, Papa!
FROH. Nicht mehr lang, in wenigen Tagen is Hochzeit, und dann wird's gehen – Spielt einen Straußischen Walzer auf der Violine.
[15] Cholerisch.
BRAUS. Du wirst heiraten!
WALBURGA. O ja, das hoff' ich, denn ich bin kein Geschöpf zum Sitzenbleiben.
BRAUS. Wirst den heiraten, den ich will!
WALBURGA. Wenn er mir aber nicht g'fällt?
BRAUS. Er gefällt mir, wiewohl ich ihn so viele Jahre nicht gesehen, denn er ist mein Jugendfreund Sturm.
WALBURGA. Der Sturm wird keine Flamme anfachen in meinem Herzen, ich nehm' ihn nicht!
BRAUS. Du mußt!
Sanguinisch.
FROH. Aber wie g'schieht dir denn? Du stehst ja ganz ruhig? Das ist das erste Mal, wenn du einen Deutschen hörst!
MARIE. Weil ich ihn mit einem Bräutigam tanzen soll, und wenn's nicht der is, den ich will –
FROH. Es is der, den ich will, mein alter Kamerad Glück, den ich seit meinen Studentenjahren nicht mehr zu Gesicht kriegt hab'.
MARIE. Nimm sich der Papa in acht, da könnt's geschehn, daß ich mit einem andern davontanz'.
FROH. Untersteh dich!
MARIE. Da wird's dann gehn – Singt denselben Deutschen und tanzt herum.
Cholerisch.
BRAUS. Ich dulde keinen Widerspruch!
WALBURGA. Wenn auch mein Mund schweigt, so widerspricht mein Herz!
BRAUS. Ich werd' ihm das Maul stopfen, diesem Herzen!
Sanguinisch.
FROH. Wie das Mädl tanzt, das is eine Pracht! Mir geht's in die Füß'! Walzt mit ihr, indem sie den Deutschen singt und er ihr singend akkompagniert, eine Tour herum und in die Seitentüre ab.
[16] Cholerisch.
WALBURGA. Der Zwang ist ungerecht!
BRAUS grimmig. Auf dein Zimmer oder –
WALBURGA. Ich gehe, aber –
BRAUS. Marsch, sag' ich!
WALBURGA geht, sich gewaltsam unterdrückend, in die Seitentüre ab.
BRAUS folgt ihr grimmig nach.
Buchempfehlung
Der lyrische Zyklus um den Sohn des Schlafes und seine Verwandlungskünste, die dem Menschen die Träume geben, ist eine Allegorie auf das Schaffen des Dichters.
178 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro