Dreiundzwanzigste Szene

[67] 1.2.3.4.

Braus, Fad(Bühne frei)Froh

dann Schlankel,(allein)(allein)

dann Walburga,

dann Hutzibutz


Phlegmatisch.


FAD allein. Hm, hm! Ich bin am Ende gezwungen, einen Entschluß zu fassen.


Sanguinisch.


FROH allein. Wart's, ich komm' euch hinter eure Schlich'! Nimmt den Brief.


[67] Cholerisch.


BRAUS aus der Seitentüre kommend. Robert! Robert! – Was zögert denn der Pursche, wenn ich rufe? Er bringt mich noch in Wut. Man hört jemand an der Mitteltüre. Und wie langsam er schleicht! Packt den a tempo eintretenden Schlankel an der Brust und schleudert ihn vor. Wart', Pursche, dir will ich Füße machen!

SCHLANKEL. Aber, Herr von Braus –

BRAUS. Sie sind's? Ich habe geglaubt, 's ist mein Sohn.

SCHLANKEL. Ich dank' für diese väterliche Gesinnung! Reißen Euer Gnaden an Ihrem Herrn Sohn herum, wie S' wollen, aber –

BRAUS. Ihnen schadet's auch nicht, warum kommen Sie nicht pünktlicher? Rasieren Sie mich! Setzt sich.

SCHLANKEL. Gleich! Richtet das Barbierzeug.


Sanguinisch.


FROH rasch lesend. »Meine Angebetete, du mußt fliehen mit mir, wenn auch nur auf kurze Zeit, unser schwarzes Geschick heischt diese Maßregel.«


Cholerisch.


BRAUS. So rasieren Sie mich, zum Teufel!

SCHLANKEL ihn einseifend. Gleich!

BRAUS ihn nachäffend. Gleich, gleich! – Sollte schon fertig sein.

SCHLANKEL. Aber einseifen muß ich Ihnen ja doch zuerst!

BRAUS. Halten Sie das Maul!


Sanguinisch.


FROH liest. »Mißlingt es, vereint uns das Leben nicht, so soll uns der Tod vereinen.«


[68] Cholerisch.


SCHLANKEL. So geht's. Undank ist der Welt Lohn. Ich hab' mich a bissel verspät't, weil ich für Ihr Bestes gehandelt hab', habe gewacht für die Ehre Ihres Hauses, und Sie malträtieren ein'!

BRAUS. Das hätten Sie getan? Verzeihen Sie, an mein Herz, edler Freund! Stürzt an seine Brust.

SCHLANKEL. Aber was treiben S' denn? Sie machen mich voller Seif'.

BRAUS. Sprechen Sie, Freund, was haben Sie für die Ehre meines Hauses getan? Setzt sich.


Phlegmatisch.


FAD kopfschüttelnd. Wirklich, ich muß sagen – hm, hm! –


Cholerisch.


SCHLANKEL fängt an, ihn zu rasieren. Ich hab' etwas ausspioniert, eine Entführungsmanklerei mit der Fräul'n Tochter.

BRAUS springt auf und packt ihn an der Brust. Schurke, du lügst!

SCHLANKEL. So lassen S' mich aus!

BRAUS. Beweise, Schurke, oder du verhauchst dein Leben unter meinen Fäusten.

SCHLANKEL. So hören S' mich nur an!

BRAUS wütend. Beweise!

SCHLANKEL. Lassen S' mich zu Wort kommen!

BRAUS. Nun so sprich!

SCHLANKEL. Setzen S' Ihnen nieder, man kann ja reden und balbieren zugleich, wie redeten denn sonst die Balbierer so viel? Braus hat sich gesetzt, und Schlankel fährt fort, ihn zu rasieren. Sehen Sie, die Sach' war so – Walburga kommt aus der Seitentüre. Die Fräul'n Tochter –

WALBURGA. Sagen Sie mir, Papa –

BRAUS auffahrend. Sag' du mir lieber –[69]

SCHLANKEL leise zu Braus. Ruhig, Sie müssen ja noch nichts verraten!

HUTZIBUTZ tritt zur Mitte ein. Da is 's G'wand. Trägt Kleider und einen Männerhut am Arm. Der Hut war verdruckt, als ob er angetrieben worden wäre.

SCHLANKEL leise zu Braus. Das ist der heimliche Postenträger.


Sanguinisch.


FROH. Der traurige Toten vogel kriegt mir's Mädl nicht. Ich weiß, was ich tu'! Steckt den Brief wieder in den Kragen des an der Wand hängenden Rockes. Das gibt noch einen Hauptschub! Nimmt den Hut und eilt lachend zur Mitte ab.


Cholerisch.


BRAUS fährt auf. Höll' und Teufel! Walburga und Hutzibutz erschrecken.

SCHLANKEL um das Auffahren des Herrn von Braus zu bemänteln. Jetzt hätt' ich dem gnädigen Herrn bald a paar Pulsadern abgeschnitten. Leise zu Braus. Nur Ruhe, Euer Gnaden, Ruhe!

HUTZIBUTZ wirft, nachdem er Walburgen Zeichen des Einverständnisses gegeben, den Brief in den Hut.

SCHLANKEL bemerkt es, leise zu Braus. Der Brief liegt schon in dem Hut drin!

BRAUS leise. Ich ersticke vor Wut.

HUTZIBUTZ für sich. Hier war die Aufgab' am schwersten; sie ist gelöst. Im Abgehen. Wirklich, mein Benehmen flößt mir Bewunderung ein. Zur Mitte ab.

WALBURGA. Der Hut ist so verdruckt, hat er g'sagt. Will zum Hut.

BRAUS heftig. Was geht das dich an?

WALBURGA. Ich hab' nur –

BRAUS. Nichts hast du als fortzugehen aus meinen Augen!

WALBURGA im Abgehen. Wenn der Papa über den Brief kommt, der reißt das Haus zusammen. In die Seitentüre ab.


[70] Phlegmatisch.


FAD. Ich leg' den Brief wieder hin, wo er war. Tut es.


Cholerisch.


BRAUS aufspringend. Jetzt her mit der verräterischen Schrift! Nimmt den Brief aus dem Hut und entfaltet ihn wütend, liest. »Ich habe alles reiflich überlegt, teure Walburga, verstellte Flucht ist das einzige Mittel, was uns zum Ziele führt. Die Stunde der Entscheidung scheint zu nahen. Erwarte mich vormittag mit ruhiger Fassung. Dein Edmund.« Nachdem er gelesen. Mord! Tod! Gift! Pest! Höll' und Teufel! Wirft den Brief zur Erde und springt mit Füßen darauf. Zittert, ihr Nattern – zittert vor meinem Grimm! Stürzt mit halbrasiertem Gesichte zur Mitteltüre ab.

SCHLANKEL. Aber Euer Gnaden sein ja erst halben Teil balbiert. Hebt schnell den Brief auf, legt ihn eilig zusammen und legt ihn in den Hut. Ich muß ihm nach. Eilt zur Mitte ab.


Phlegmatisch.


FAD. Ich will als ruhiger Beobachter handeln. Nimmt den Hut und geht zur Mitte ab.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 3, Wien 1962, S. 67-71.
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