Vierundzwanzigste Szene

[71] 1.2.3.4.

WalburgaAgnesIreneMarie


Sanguinisch.


MARIE durch die Seite kommend. Der Papa is fort, der Brief is noch da! Nimmt eilig den Brief und liest im stillen.


Cholerisch.


WALBURGA tritt durch die Seite und sieht sich sorgfältig um. Der Vater ist nicht mehr hier, jetzt gilt's, hat er den Brief, oder hat er ihn nicht? Eilt zum Hut.[71] Er hat ihn nicht! Hält frohlockend den Brief empor und liest ihn dann im stillen.


Melancholisch.


IRENE tritt ans der Seitentüre und sieht sich sorgfältig um. Der Vater hat den Brief gefunden, eine böse Ahnung sagt es mir. Geht zagend zu dem Stuhl, worauf die Kleider hängen, und sucht in der Rocktasche.


Phlegmatisch.


AGNES tritt durch die Seite ein. – Der Papa is verschwunden, werden wir gleich sehn, ob der Brief auch verschwunden ist. Sieht nach dem Tabaksbeutel.


Melancholisch.


IRENE. Er hat ihn nicht gefunden. Entfaltet den Brief und liest im stillen.


Phlegmatisch.


AGNES. Schau', er hat ihn nicht erwischt. Öffnet den Brief und liest ihn im stillen.


Sanguinisch.


MARIE. Ich soll durchgehn! Lacht. Ah, das is zum Durchgehn!

WALBURGA. Ich folge ihm! Die ganze Macht der Erde soll mich nicht mehr trennen von ihm!


Melancholisch.


IRENE. Sein Willen ist der meinige, doch es wird, es muß zum Bösen führen, ich kenne mein Geschick.


Phlegmatisch.


AGNES. Ich soll fort mit ihm? Na, probieren kann man's.


Sanguinisch.


MARIE. Mein Guido!


[72] Cholerisch.


WALBURGA. Mein Edmund!


Melancholisch.


IRENE. Mein Felix!


Phlegmatisch.


AGNES. Mein Robert!


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 3, Wien 1962, S. 71-73.
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