Neunzehnte Szene

[138] 1.2.3.4.

Schlaf,Cyprian,Hutzibutz,Froh, Herr

dannspäterHerr vonvon Schmerz,

NanetteHerr vonGlück, danndann Herr von

SturmLisette, dannFinster, Frau

Gesellschaft,von Nachtschatten,

dann Irene,Schlankel

dann Trüb


Melancholisch.


HUTZIBUTZ mit Glück durch die Mitte eintretend. Sie haben mich schön in die Verlegenheit gebracht.

GLÜCK eilig. Ich habe jetzt keine Zeit, Sie anzuhören, lieber Maler! Wenn nur jemand bei der Hand wäre – die Gäste kommen schon! Zu Hutzibutz. Helfen Sie mir bei Arrangierung des Balles, ich werde erkenntlich sein. Nehmen Sie die Wachskerzen >Gibt ihm ein Paket. stecken Sie sie auf die Girandolen und zünden Sie auf, nur schnell! He! Lichter! Lichter herein! Läuft zur Mitte ab.[138]

HUTZIBUTZ. Mir is's recht! Tut, wie ihm Glück befohlen.

LISETTE kommt zur Mitte mit vier Lichtern, stellt zwei auf den Tisch und trägt die andern zwei in die Seitentüre ab.


Cholerisch.


NANETTE kommt mit vier Lichtern zur Mitte herein, stellt zwei auf den Tisch und sagt zu Schlaf, welcher ruhig fortschläft. Glückseligen Abend wünsch' ich! Trägt die anderen zwei Lichter in die Seitentüre ab, kehrt etwas später zurück und geht zur Mitteltüre hinaus.


Sanguinisch.


SCHMERZ kommt mit Froh durch die Seite. Ich wollte dir's drinnen nicht sagen, du sprichst immer vom Ball – ich hab' ihn abgesagt.

FROH. Was? Meinen Ball, auf den ich mich so g'freut hab', den hast du abg'sagt?

SCHMERZ. Ich liebe das Einsame, Stille, Düstere!


Melancholisch.


HUTZIBUTZ mit der Anzündung der Wachskerzen beschäftigt. Die Illumination wird gleich fertig sein! Zu der zurückkehrenden Lisette. Hilf mir die Jungfer aufzünden! Lisette nimmt ein Licht und hilft ihm; noch ehe sie fertig sind, tritt Glück mit der Gesellschaft ein.


Phlegmatisch.


CYPRIAN kommt mit vier Lichtern, setzt zwei auf den Tisch und trägt die andern zwei in die Seitentüre. Der Dienst ist zu stark! Seite ab. Nach einer Weile, wenn schon die folgende Musik begonnen, kehrt Cyprian aus der Seite zurück und geht zur Mitte ab.


Sanguinisch.


FROH sehr mißmutig. Ich hab' mir so lustige, unterhaltliche Gäst' eingeladen –[139]

SCHMERZ. Ist allen abgesagt. Du sollst eine andere Bekanntschaft machen, die dir reichlichen Ersatz bieten wird für das lärmende Vergnügen.


Melancholisch.

Die Gesellschaft tritt während dem Ritornell mit Glück auf.

Chor mit Solo.


CHOR zu Glück.

Auf Ihren Ruf erscheinen wir geschwind,

Nun fragt sich's, ob wir auch willkommen sind.


Irene tritt durch die Seite und bewillkommt mit großer Befangenheit die ihr von Glück vorgestellten Gäste.

Sanguinisch.

Stummes Gespräch zwischen Froh und Schmerz.


ISABELLA kommt mit Lichtern zur Mitte und trägt sie in das Nebenzimmer.

SEPHERL kommt ebenfalls zur Mitte und setzt zwei Lichter auf den Tisch, dann ab.


Die Musik nimmt einen sehr traurigen Charakter an und Herr von Finster und Frau von Nachtschatten treten durch die Mitte ein, beide in Trauerkleidern, werden von Schmerz dem Froh vorgestellt und bekomplimentieren diesen im folgenden traurigen Duo.


FINSTER UND FRAU VON NACHTSCHATTEN.

Es freut uns, daß das Ohngefähr einmal

Uns Sie begegnen läßt in diesem Jammertal.


Froh ist ganz verblüfft und weiß nicht, wie er sein Mißfallen an der unbehaglichen Gesellschaft verbergen soll. Gegen das Ende der Musik tritt Schlankel durch die Mitte ein.

[140] Melancholisch.

Die Musik im vorigen heiteren Charakter.


CHOR.

So lasset dem Frohsinn die Stunden uns weihn

Und höchlich der neuen Bekanntschaft uns freun!


Die Musik endet im Orchester.


GLÜCK nach der Musik. Musikanten herein! Möbeln hinaus! Es treten vier Musici ein, und Lisette und Margareth räumen etwas von Möbeln ab.


Sanguinisch.


SCHLANKEL leise zu Froh. Was Teufel haben Euer Gnaden da für eine Gesellschaft?

FROH leise zu ihm. Solche Trauerg'stalten bringt mir mein Jugendfreund ins Haus, der einstens der fidelste Kerl war! Ich weiß gar nicht, was ich anfang'.

SCHLANKEL wie oben. Für'n Augenblick läßt sich das nicht ändern.


Melancholisch.


GLÜCK. Aufgespielt, wir fangen gleich zum Tanzen an! Nur g'schwind rangiert – ich will Küche und Keller untereinander treiben! Eilt zur Mitte ab, Hutzibutz folgt ihm.

IRENE für sich. Ich zittre, wenn der Vater zurückkommt.


Sanguinisch.


SCHMERZ. Wir wollen den Abend der Lektüre widmen. Ich habe hier ein treffliches Buch.

FINSTER. Schade, daß ich meine Brillen nicht bei mir hab', sonst würde ich lesen.

SCHMERZ. Mir schwimmen die Augen gleich in Tränen, ich kann nicht. Zu Froh. Du, Freund, könntest –[141]

FROH. Mit so was laßt's mich aus!

SCHMERZ auf Schlankel. Hier steht ja noch ein überflüssiger Mensch. Gibt ihm das Buch.

SCHLANKEL. Wenn es gefällig ist –? Alle setzen sich zum Tisch.


Melancholisch.

Es wird ein Walzer gespielt und getanzt. Die Tanzmusik währt durch die ganze Szene fort.

Sanguinisch.


SCHLANKEL liest. »Traueralmanach für Schwermütige oder Sammlung trüber Gedanken.«

FROH für sich. So ein Buch könnt' mir g'stohl'n werden.

SCHLANKEL liest. »Die Hoffnung ist das Licht, das in des Lebens Waldesnacht dem Wanderer die ersehnte Herberge verheißt, doch sie ist nur ein Irrlicht, das in den Sumpf des Elends leitet und höhnend dann verschwindet.« – Das is schön.

FINSTER UND FRAU VON NACHTSCHATTEN. Herrlich! Herrlich!

FROH beiseite. Mir fangt an übel z'wer'n.


Melancholisch.


HUTZIBUTZ mit einer Tasse Refreskaden zur Mitte eintretend, spricht im Ton des Theaternumeros. Lemonadi, G'frorn's, Mandelmilch, Barbaras, Glas Punsch! Serviert den Nichttanzenden.


Sanguinisch.


SCHLANKEL liest. »Sooft du ein schönes Mädchen küssest, vergiß nie, daß hinter den Rosenwangen Falschheit lauert.«

FINSTER UND FRAU VON NACHTSCHATTEN. Wahr, sehr wahr![142]

SCHLANKEL. Und so lieblich!

FROH beiseite. Das wird mir zu arg!


Melancholisch.


GLÜCK der schon früher durch die Mitte eingetreten, sieht Hutzibutz müßig stehen. Aber warum tanzt denn der Maler nicht?

HUTZIBUTZ für sich. Es ist keine einzige Kundschaft von mir unter die Gäst', gut, ich will als Maler figurieren. Zu Glück. Wenn Sie erlauben! Bittet ein Fräulein zum Tanze und walzt sehr ungeschickt; indem er eben nach dem Vordergrunde walzt: Ich bin auch Tänzer, ohne daß ich es gewußt! Wirklich, ich übertriff mich selbst.

TRÜB tritt zur Mitte ein. Was ist das? Ist wie vom Donner gerührt, die Musik hört auf.

GLÜCK zu Trüb. Das sind lauter Bekannte von mir, ich hab' sie eingeladen.

TRÜB mit großer Gewalt sein empörtes Gefühl unterdrückend. Diener! Ihr Diener! Sie erlauben – Durch die Seite ab. Irene folgt.


Sanguinisch.


SCHLANKEL weiterlesend. »Vor Erfindung des Weines hat die Menschheit ein weit höheres Alter erreicht; denke daher, sooft du ein Glas Wein trinkest, daß du einen Zug aus dem Becher des Todes tust.«

FROH beiseite. Das halt' ich nicht aus, ich geh' auf und davon. Geht zur Seite ab.


Phlegmatisch.


STURM tritt mit Cyprian zur Mitte ein. Mein Diener noch nicht hier aus dem Gasthof?

CYPRIAN. Nein!


[143] Melancholisch.


GLÜCK zur Gesellschaft. Nur zu! Er scheniert uns gar nicht! Zu den Musikanten. Galopp! Galopp!

HUTZIBUTZ. Galopp oder Trab, mir is alles eins! Man tanzt Galopp, die Musik beginnt wieder.


Phlegmatisch.


STURM Cyprian anfahrend. Warum kommt der Schlingel nicht?

CYPRIAN erschrocken. Ich kann nix davor! Zur Mitte ab.

STURM geht ungeduldig auf und nieder.


Sanguinisch.


FINSTER. Wo ist denn der Herr vom Hause hingegangen? Wir wollen ihm folgen. Finster, Nachtschatten, Schmerz und Schlankel durch die Seite ab.


Melancholisch.


GLÜCK während dem Galopp. Das Zimmer drin ist größer! Nach der Seite zeigend. Allons, frisch hineingetanzt! Alle tanzen in die Seitentüre ab. Musikanten nach! Die Musici folgen, immer Galopp spielend, der Gesellschaft nach.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 3, Wien 1962, S. 138-144.
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