Achtzehnte Szene

[136] 1.2.3.4.

Braus, Schlaf,(Bühne frei)TrübFroh

dann Walburga(allein)(allein)


Melancholisch.


TRÜB allein. Entsetzlich! Von Freundeshand trifft mich der Schlag! Sinkt, indem er das Gesicht mit beiden Händen bedeckt, in den Stuhl.


Sanguinisch.


FROH in großer Unruhe aus der Seitentüre kommend. Meine Auserwählte is völlig versprengt in den jungen Trüb. Wie sie sich von ihm die Cour machen läßt, ich halt's nicht mehr aus drin – ich muß gleich wieder hineinschaun. Eilt in die Seite ab.


Cholerisch.


BRAUS tritt zur Mitte ein. Ist schon über alle Berge, der Schurke, der gelacht hat über mich! Aber ich treff' ihn noch –! Gewahrt Schlaf, welcher im Stuhle schläft. Was ist das!? Etwa gar Freund Sturm –?[136] Ohne Zweifel, Sturm! Freund meiner Jugend! Wach' auf! Donnerwetter, der schläft fest! Sturm! Rüttelt ihn. Heda, erwache!

SCHLAF sich mühsam ermunternd. Ja, ja, wer ist's denn?

BRAUS. Dein Freund, der nach einer Reihe von Jahren mit heißem, glühendem Gefühl dich wieder in seine Arme schließt.

SCHLAF. Ja, ja, ist schon recht, aber ich hab' jetzt gar so gut geschlafen.

BRAUS. Wie? Dein Schlaf wäre dir lieber als das Erwachen an Freundesbrust?

SCHLAF. Ich habe die süßesten Träume gehabt.

WALBURGA aus der Seite. Ich höre die Stimme meines Verlobten!

SCHLAF. O, meine Aimabelste!


Melancholisch.


TRÜB. Luft! Luft! Es preßt mir die Brust zusammen, ich muß ins Freie! Schnell in großer Ekstase zur Mitte ab.


Cholerisch.


SCHLAF zu Walburga. Erlauben Sie nur einen Kuß auf diese Hand aller Hände!

BRAUS beiseite, doch laut. Von mir nimmt er gar keine Notiz!

SCHLAF zu Braus. Wir haben noch Zeit genug zum Diskurieren! Ich muß jetzt schaun, daß mir der zweite Teil träumt von dem, was mir früher geträumt hat. Küßt Walburga die Hand und schläft wieder ein.


Sanguinisch.


FROH ärgerlich aus der Seite. Es wird immer ärger – Schlankel –! Wenn nur der Schlankel da wär', ich muß schaun, daß ich ihn find'. Rennt wieder, als ob ihm der Kopf brennte, zur Seite ab.


[137] Cholerisch.


WALBURGA. Das is ein lieber Mann!

BRAUS heftig und ärgerlich. – Ein Murmeltier ist er, ein Klotz, der nichts denkt, nichts empfindet!

WALBURGA. Etwas empfindet er gewiß, und das ist Liebe zu mir.

BRAUS. Du wirst doch nicht gar –?

WALBURGA. Sie werden mir doch erlauben, den zu lieben, den Sie selbst für mich bestimmt.

BRAUS. Auf dein Zimmer!

WALBURGA. Ich geh', aber –

BRAUS. Ohne ein Wort zu erwidern!


Walburga mit verstelltem Unwillen zur Seite ab.


BRAUS. Es ist zum Rasendwerden! Auf Schlaf. Das Seekalb, das! Zur Seite ab.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 3, Wien 1962, S. 136-138.
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